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Veranstaltungsberichte

Lettland – Russland: eine schwierige Beziehung!

von Andreas Michael Klein, Martin Fiedler
„Die Beziehungen zwischen Lettland und Russland nach den Präsidentschaftswahlen in Russland“ standen im Zentrum eines Treffens von Experten aus Russland und Lettland, zu dem die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit dem Centre for East European Political Studies am 12. April 2008 nach Riga eingeladen hatte. Drei Themenbereiche standen im Fokus der Diskussion: das generelle politische Verhältnis zwischen Lettland und Russland, die Kooperation der beiden Staaten auf dem Energiesektor und der Einfluss der russischen Außenpolitik auf dem ethnischem Integrationsprozess in Lettland.

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Was für eine Rolle spielt Gasprom in Lettland? Und warum wird von Russland versucht die Transitländer durch neue Pipeline-Projekte zu umgehen? Besonders emotional wurde über die Rolle Russlands auf dem lettischen Energiesektor debattiert. Sehr umstritten war das Nord-Stream-Pipeline Projekt. Die lettischen Vertreter auf dem Podium kritisierten den Bau einer Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland bis zum Jahr 2010. Diese sei zu teuer und vor allem politisch motiviert.

„Die Ressourcen kommen nun mal aus Russland“

Mit dieser Pipeline wolle Russland die Transitländer unter Druck setzen. Dass die Ressourcen vom Kreml als Waffe verwendet würden, hätte das Beispiel der Ukraine gezeigt. Konstantin Simonow, Generaldirektor der Stiftung für nationale Energiesicherheit in Moskau, widersprach dem Vorwurf dass die neuen Pipeline-Projekte Russlands das Erdöl oder das Erdgas teurer machen würden. Zugleich erklärte er, dass die Energiesicherheit durch die Pipeline-Projekte verbessert würde. „Es gibt auf diese Weise bei Transportproblemen Alternativrouten“, erklärte Simonow. Eine Diversifizierungspolitik, also die Öffnung der russischen Pipelines für ausländische Investoren, würden auch nicht die Kosten verringern. Simonow meinte weiter: „Die Ressourcen kommen nun mal aus Russland“.

Gasprom, eine Firma wie jede andere

Auch die Befürchtungen, dass Gasprom in Lettland übermächtig werden könnte, lehnte er als unbegründet ab. Gasprom sei eine Firma wie jede andere. Zwar gebe es ohne Frage Transparenzdefizite, aber die Gefahr einer zu starken Einflussnahme Gasproms auf die lettische Regierung sehe er nicht. Stattdessen würden, seiner Meinung nach, die Letten auch in Zukunft noch von Gasprom profitieren. Michail Sigar, Journalist beim „Kommersant“ und Co-Autor eines Buches über Gasprom, bekräftigte dagegen die Notwendigkeit einer stärkeren Transparenz von Gasprom und die Öffnung des russischen Erdgas- und Ölsektors für ausländische Firmen. Dies würde auch die Effizienz bei Gasprom steigern und für alle Beteiligten eine positive Wirkung haben.

„Niemand weiß es, nicht einmal die russische Botschaft“

Ein weiteres spannungsreiches Themenfeld, das lebhaft diskutiert wurde, ergab sich aus der Frage nach den „Russen“ und der „Staatenlosen“ in Lettland. Im Fokus stand die Rolle der russischen Außenpolitik beim ethnischen Integrationsprozess in Lettland. Der ehemalige Direktor für gesellschaftliche Integration beim lettischen Ministerium der Justiz, Reinis Aboltins, führte anhand eines kurzen Vortrags in das schwierige Thema ein.

Um den Hintergrund der Debatte besser verstehen zu können, müsse man drei Dimensionen betrachten, so Aboltins: Erstens mit fast 50 Prozent russischsprachiger Bevölkerung gäbe es eine große ethnische Verschiedenheit in Lettland, zweitens sehr unterschiedliche Visionen einer gemeinsamen Zukunft und drittens eine gespaltene Wahrnehmung bei den Konfliktparteien bezüglich der geschichtlichen Ereignisse, der Migrationsprozesse, der Rolle der ethnischen Gruppen und die Rolle, die fremde Länder oder internationaler Organisationen bei dem Integrationsprozess spielen. Nach Aboltins beeinflussen diese Dimensionen drei Bereiche: Staatsbürgerschaft, Sprache und Bildung. Staatsbürgerschaft sei dabei das langlebigste Thema. Besonders die damit einhergehende Einschränkung von Rechten bei den „Staatenlosen“. Bislang liegen noch nicht einmal konkrete Zahlen vor, wie viele „Staatenlose“ in Lettland leben. „Niemand weiß es, nicht einmal die russische Botschaft“, sagte Aboltins. Auch im Bereich der Sprachpolitik gäbe es zwei gegensätzliche Positionen – die russische Sprache als Bedrohung der lettischen Identität auf der einen Seite oder der Zwang für die russischsprachige Bevölkerung Lettisch zu lernen auf der anderen Seite. Bei den „Russen“ würden deshalb auch neue Maßnahmen bei der Bildungspolitik im Sprachbereich als eine Bedrohung für die Zukunft ihrer Kinder wahrgenommen.

„Es war falsch ihnen nicht automatisch die Staatsbürgerschaft zu geben!“

Professor Tatjana Moskalkowa, die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für „CIS“ und „Angelegenheiten der russischen Diaspora“ bei der russischen Staatsduma, erklärte, dass es sich bei diesen „Staatenlosen“ um ca. 170.000 Personen handle, die in einem Teil der Sowjetunion aufgewachsen oder in der Sowjetzeit dort hingekommen seien, um sich etwas aufzubauen. Aus diesem Teil sei Lettland entstanden. Es sei falsch gewesen diesen nach den Veränderungen nicht automatisch die Staatsbürgerschaft gegeben zu haben. Sie könnten noch nicht einmal an lokalen Wahlen teilnehmen, so Moskalkowa. Darum unterstütze Russland die „Compatriots“ so lange bis Lettland das Problem gelöst hätte. Der Präsident des Russisch-Baltischen Medienzentrums Igor Pawlowsky widersprach Moskalkowa: „Es handelt sich um ehemalige Bürger der Sowjetunion und nicht um ‚Compatriots‘“. Auch lehnte er den Begriff „Diaspora“ entschieden ab.

„Russischsprachige“ weder zu Russland gehörig noch verlängerter Arm von Moskau

„Es handelt sich nicht, um eine Minderheit die aus ihrem Land vertrieben wurde. Man kann auch bei fast der Hälfte der Bevölkerung, deren Muttersprache russisch ist, nicht von einer Minderheit sprechen.“, meinte Pawlowsky weiter. Das Interesse Russlands und das der „Russischsprachigen“ sei sehr oft absolut unterschiedlich. Die „Russischsprachigen“ gehörten weder zu Russland noch seien sie der „verlängerte Arm von Moskau“. „Sie sind nicht die fünfte Kolonne, wie manche lettische Medien einem weiß machen wollen“, so Pawlowsky. Die Diskussion mit dem Publikum und auf dem Podium selbst zeigte, dass das Thema der Staatsbürgerschaft noch lange nicht abgeschlossen sein wird. Auch in fast allen anderen Bereichen gab es in den Grundhaltungen und Wahrnehmungen kaum Übereinstimmungen.

Insgesamt herrschte aber, trotz der scheinbar unüberbrückbaren Positionen, eine sehr positive aufgeschlossene Stimmung. Ein Anfang war gemacht. Man hörte einander zu.

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