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Veranstaltungsberichte

25 Jahre Deutsche Einheit

Deutschland in Europa

Anlässlich des 25. Jahrestags der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 hatte das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung Zeitzeugen aus Politik und Diplomatie sowie Historiker eingeladen, um mit den Gästen ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung eine Bilanz zu ziehen und über die Geschichte und Zukunft Deutschlands zu diskutieren.

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Der Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz B. van Lier, bat die Gäste zu Beginn der Veranstaltung um eine Schweigeminute für die Opfer der Anschläge von Paris.

Ingo Espenschied, Diplom-Politologe, präsentierte die neueste Produktion seines DOKULIVE-Formats mit dem Titel „Deutschland in Europa - 25 Jahre Deutsche Einheit“ und erinnerte damit daran, dass die deutsche Frage immer auch mit den europäischen Nachbarn zu tun habe. „Um die Einheit zu verstehen, muss man die Teilung verstehen“, erklärte Espenschied weiter.

In eindrucksvoller Weise, unterlegt mit anschaulichem Bildmaterial und ausdrucksstarken Filmsequenzen, spannte er in einer über 90-minütigen Multivisionshow einen historischen Bogen von der Gründung der Sowjetunion bis hin zur Suche der Siegermächte nach einer gemeinsamen Nachkriegsordnung. „Dabei“, so Espenschied, „schritt der Westen mit der staatlichen Teilung Deutschlands voran“. Der als Provisorium angelegten Bundesrepublik stand die DDR dabei als Gegenmodell entgegen. Die zunehmende Verfestigung der Systeme schien eine Wiedervereinigung Deutschlands immer unwahrscheinlicher werden zu lassen. „Dem begegnet Willy Brandt mit seiner Politik des Wandels durch Annäherung“, stellte der Referent fest.

In den 80er Jahren wirkte auch Erich Honecker auf den Bestand zweier deutscher Staaten hin und gab damit die Idee einer Wiedervereinigung unter sozialistischen Vorzeichen auf. Gleichzeitig brachte Gorbatschow Glasnost und Perestroika auf die politische Agenda und beförderte damit unter anderem die Solidarnosz-Bewegung unter Lech Walesa in Polen. Die Ereignisse des Jahres 1989 - die Wahlen in der DDR im Mai, der Abbau des Grenzzauns an der österreichisch-ungarischen Grenze, die Besetzung der Prager Botschaft durch DDR-Flüchtlinge, der Beginn der Montagsdemonstrationen in Leipzig und schließlich der Mauerfall am 9. November 1989 - würdigte Espenschied im Rahmen seiner Präsentation mit lebendigen Bildern.

In den Monaten zwischen November 1989 und Oktober 1990 wandelte sich die Idee von einer Reform-DDR zur Idee der Wiedervereinigung, erinnerte der Referent. „Helmut Kohl trieb die Wiedervereinigung voran, obwohl die Siegermächte Frankreich und Großbritannien dagegen waren und die USA diese nur zu westlichen Maximalbedingungen akzeptieren wollten“, so Espenschied weiter. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie die Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags beendeten die staatliche Teilung Deutschland schließlich und vollendeten die Wiedervereinigung.

Die anschließende Statementrunde auf dem Podium, moderiert vom Historiker und Journalisten Sven Felix Kellerhoff, befasste sich in erster Linie mit der Frage, wie es heute um die deutsche Einheit bestellt sei. Dabei waren sich die Referenten in einem völlig einig: Die deutsche Einheit ist ein geglückter Glücksfall. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld betonte die Einzigartigkeit der Ereignisse: „Die Friedliche Revolution war ein Bruch mit der Gewaltpolitik des 20. Jahrhunderts, denn zum ersten Mal wurde eine politische Frage nicht mit Machtpolitik oder Gewalt gelöst - dies ist das Wunder der deutschen Wiedervereinigung“. Nicht geglückt sei indes, so Vera Lengsfeld später, die vollständige Umsetzung der Freiheiten des Grundgesetzes. Für Ingo Espenschied sei vor allem der Blick auf die Generation derer, die im wiedervereinten Deutschland geboren und aufgewachsen seien, hoffnungsvoll: „Die Jugend ist der Lackmustest der deutschen Einheit. Sie hat heute keine Schere mehr im Kopf“.

Die Frage, inwieweit die Diplomatie von den Ereignissen 1989/90 getrieben war oder ob sie diese mitgestalten konnten, beantwortete Botschafter a.D. Dr. Axel Hartmann: „Die Diplomatie ist erst spät zum Einigungsprozess hinzugekommen, im Dezember 1989 bei den Gesprächen mit Thatcher und Andreotti. Vor allem Gesetzgebungsprozesse waren in den 90er Jahren relevant, um die Einheit zu vollenden“. Nach Ansicht von Dr. Philipp Lengsfeld, MdB, räumte die Wiedervereinigung letztlich nur Widerstände aus dem Weg, die ohnehin auf Dauer nicht haltbar gewesen wären: „Eine Zwei-Staaten-Lösung wäre für Deutschland auf Dauer nicht haltbar gewesen, vor allem angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage in der DDR. Das wussten auch die Siegermächte“. Allerdings, so führte er fort, habe man die historische Chance verpasst, sich das Grundgesetz als Provisorium neu zu ordnen und gegebenenfalls Veränderungen vorzunehmen.

Die Rolle Deutschlands in internationaler und vor allem europäischer Perspektive änderte sich mit der Wiedervereinigung ebenfalls und ist heute - angesichts der Flüchtlingskrise - gefragter denn je. Ingo Espenschied wünschte sich ein Voranschreiten Deutschlands in Europa: „Der deutsche Ruf in der Welt ist exzellent! Wir müssen mehr Gelassenheit an den Tag legen, wir müssen realitätsbezogener sein und die uns angetragene Rolle als führendes Land in Europa annehmen - ohne Arroganz, aber mit Selbstbewusstsein“.

Vera Lengsfeld äußerte Kritik an der wahrgenommenen Rolle Deutschlands: „Die Gegner der Wiedervereinigung, vor allem die westdeutsche Linke, scheint auch heute noch nicht zu verstehen, dass von Deutschland verlangt wird, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Wir müssen uns den heutigen Herausforderungen stellen und dabei ist die Politik auch heute noch zu zögerlich - das Ende der Wohlfühlnische ist gekommen“. Ihr Sohn, der Abgeordnete Lengsfeld, ergänzte: „In Deutschland greift ein problematischer Mechanismus: Die Deutschen sehnen sich nach dem großen Konsens, doch das ist antidemokratisch“. Er plädierte daher für eine ergebnisoffene Diskussion in Europa, wenn es um die Lösung der aktuellen Probleme geht, bei der offen und ohne Denkverbote miteinander Lösungen gefunden werden. Er erinnerte abschließend daran, dass die Ostdeutschen häufiger um die Wirkungsmacht der Straße wüssten.

Dr. Axel Hartmann erinnerte an die diplomatische Maxime, derzufolge Staaten zwar Interessen, aber keine Gefühle haben: „Dies scheint heute umgekehrt der Fall zu sein“. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig darin, dass die politische Bewertung der Flüchtlingsproblematik auf allen Ebenen ohne moralische Kategorien durchzuführen sei. Hierzu Vera Lengsfeld: „Heute bestimmt die Festsetzung von politischer Gesinnung die Politik, die Demokratie scheint mir hierdurch allerdings gefährdet zu sein, denn moralische Gesinnung darf keine politische Durchschlagskraft haben. Der Rechtsstaat muss geschützt und verteidigt werden. Nicht zu vergessen: Die Flüchtlinge kommen aus ihrem Chaos zu uns, um in geordnete rechtsstaatliche Verhältnisse zu kommen!“.

In seinem Schlusswort mahnte Karl-Heinz B. van Lier eine gemeinsame und gesamtgesellschaftliche Umsetzung dessen an, wofür die deutsche Einheit stehe.

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Marita Ellenbürger

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