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Veranstaltungsberichte

Der Islam in Deutschland

im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne

Als Teil der Reihe „Neues Wir? Einwanderungsland Deutschland“ hatte das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Kooperationspartner, der Akademie des Bistums Mainz, zum zweitägigen Seminar geladen, um im Gespräch mit zahlreichen Expertinnen und Experten mehr über den Islam im Allgemeinen und im europäisch-deutschen Kontext zu erfahren und zu diskutieren.

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Dr. Ralf Rothenbusch für die Bistumsakademie und Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz, hoben in ihren Begrüßungsansprachen die Aktualität der verschiedenen Themen des Seminars hervor und betonten die Relevanz vor dem Hintergrund der derzeitigen Flüchtlingsbewegung aus islamisch geprägten Ländern.

Abdul-Ahmad Rashid, Journalist beim ZDF und Islamwissenschaftler eröffnete den inhaltlichen Teil des Seminars mit einem Vortrag über die Geschichte des Islam in Deutschland. Darin zeichnete er die historische Entwicklung vom Bau der ersten Moschee auf deutschem Boden im Jahr 1915 über die Anwerbung von Gastarbeitern aus der Türkei ab den 1960er Jahren bis zur Entstehung der heutigen islamischen Verbände nach und deutete dabei bereits an, wie differenziert und unterschiedlich sich die muslimische Gemeinde in Deutschland darstellt.

Im zweiten Teil des Einführungsblocks lieferte Yasemin El-Menouar, Projektleiterin des „Religionsmonitors“ der Bertelsmann Stiftung, Zahlen und Fakten aus ihrer letzten Studie zu Muslimen in Deutschland. Sie betonte, dass die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime zwar gläubig, aber säkular orientiert und insgesamt gut in die deutsche Gesellschaft integriert sei. Dies zeige sich unter anderem an der Art der alltäglichen sozialen Kontakte und an der positiven Einstellung gegenüber der demokratischen Grundordnung. Im Gegensatz dazu wies die Studie ein ungleich negatives Bild des Islams bei deutschen Bürgerinnen und Bürgern aller Gesellschaftsschichten aus.

Die abendliche Podiumsdiskussion unter der Leitung von Moderator Abdul-Ahmad Rashid wurde durch das Statement von Adolf Kessel MdL, integrationspolitischer Sprecher der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion, eröffnet. Er betonte die Wichtigkeit der Imame für die gesellschaftliche Integration im Rahmen muslimischer Gemeinden. Da diese oftmals aus islamischen Ländern „importiert“ würden, wären sie wesentlich schlechter als ihre Gemeinde mit der deutschen Gesellschaft vertraut. Kessel plädierte daher für die Unterstützung eines aufgeklärten Islamunterrichts, der den jungen Muslimen im Kontext unserer Gesellschaft wichtige Antworten auf ihre Fragen und Zweifel geben könne.

Dr. Necla Kelek, Soziologin und Autorin zahlreicher Bücher über den Islam in Deutschland, äußerte in ihrem Statement Kritik an der Studie der Bertelsmann Stiftung. Grundlegend sei für sie die Frage, wohin sich die Muslime eigentlich integrieren sollten. Als Kind türkischer Auswanderer sei Kelek froh, dass sie in Deutschland das Recht habe, ihre individuelle und private Einstellung zu Glauben und Religion leben zu können. Dies sei etwas, was nach ihrer Erkenntnis in vielen muslimischen Familien in Deutschland jedoch noch nicht angekommen sei und sich massiv auf die Kindergeneration auswirke. Deutschland habe im eigenen Interesse die Aufgabe, diese und weitere Grundprinzipien seiner Werteordnung zu schützen und zu verteidigen, nicht zuletzt, um Einwanderern eine bessere Orientierung zu bieten.

In der Gesprächsrunde, zu der außerdem Fernsehjournalistin und Filmemacherin Düzen Tekkal und Prof. Dr. Erdal Toprakyaran, Islamwissenschaftler und Direktor des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Göttingen, hinzukamen, wurde vor allem die Frage erörtert, wie sich die Flüchtlingsbewegung auf den Islam in Deutschland auswirke. Necla Kelek und Düzen Tekkal äußerten ihre Sorge, dass die mehrheitliche Flucht von Männern, die ihre Frauen und Familien nachholen, das patriarchale System der islamischen Lebensweise in Deutschland nur festigen könne. Erdal Toprakyaran betonte, dass der Islam die kritische Auseinandersetzung mit seiner Grundlage, dem Koran, einmal gekannt habe. Er plädierte für eine aufgeklärte und offene Debatte, wie sie bei christlichen Theologen zu finden sei. In vielen Dingen seien Muslime und Mehrheitsgesellschaft dabei nicht allzu fern voneinander: Moderator Rashid beschloss den ersten Seminartag mit dem Resümee, die CDU könne für viele wertkonservative Muslime die politische Heimat in Deutschland sein.

Die Eröffnung des zweiten Seminartages übernahm die Ethnologin und Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Schröter mit ihrem Vortrag über die Traditionen und Glaubensrichtungen des Islam. Dabei hob sie nicht nur die Vielfältigkeit muslimischen Glaubens hervor, betonte mit einem Blick auf die Geschichte des europäischen Mittelalters: „Wir aufgeklärten Europäer haben dem Islam auch einiges zu verdanken.“ Das heutige Saudi-Arabien, „unser Partner am Golf“, habe mit dem vorwärtsgewandten, aufgeklärten Islam Andalusiens ab dem 8. Jahrhundert wenig zu tun, sondern sei in seiner strengen Auslegung der Staatsreligion kaum vom „Islamischen Staat“ zu unterscheiden.

Dr. Marwan Abou-Taam, Islamexperte des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes, ging in seinem Vortrag auf die Grundlagen muslimischen Extremismus ein. Die „Diktatur des Textes“ sei eine Folge der Abkehr von einer vernünftigen Auseinandersetzung mit dem Koran. Gerade junge Menschen, die nach Orientierung im Leben suchen würden, bekämen mit der wörtlichen Auslegung des Koran ein Handlungs- und Denkmuster präsentiert, das ihnen das eigene Denken erst abnähme und schließlich verbiete. Durch die wirtschaftliche Globalisierung unterstütze der Westen zwar die Islamisierung der Welt, so Abou-Taam, doch der islamische Terror sei vor allem ein Problem der islamischen Welt, die sich nicht zuletzt im theologischen Diskurs gegen den Missbrauch des Islam zur Wehr setzen müsse.

Zur Frage, wie offen und anpassungsfähig der Islam sei, referierte Prof. Dr. Bekim Agai, islamischer Theologe an der Universität Frankfurt. Er stellte fest, dass Gesellschaften, wie homogen sie im Rückblick auch erscheinen mögen, stets eine gewisse Vielfalt beinhalteten. Gerade Muslime, deren Kultur und Religion sehr unterschiedlich sein könne, hätten daher plurale Lebensentwürfe und seien deshalb zuerst als individuelle Menschen anzusehen, nicht nur als Muslime. Diese Zuschreibung, so Agai, sei für manche Einwanderer eine Problematik, die die Integration erschwere.

Daran anschließend kamen Dr. Barbara Huber-Rudolf vom Bistum Mainz und Selcuk Dogruer von DITIB Hessen zum Podiumsgespräch und christlich- islamischen Dialog zusammen. Neben theologischen Fragen des Wahrheitsanspruchs der Religion und der Gottesvorstellung stand der Dialog auch im Zeichen der Flüchtlinge. „Der Islam in Deutschland wird arabischer“, prognostizierte Dogruer und sprach damit eine Integrationsproblematik an, die auch die islamischen Gemeinden fortan zu bewältigen hätten.

Prof. Dr. Erdal Toprakyaran blieb es überlassen, das Seminar mit seinem Vortrag zu beschließen. Ein offener Diskurs, den er sich wünsche, solle alle Gesellschaftsbereiche miteinbeziehen. Die Gründung des Muslimischen Forums zum Austausch und zur Formulierung von Standpunkten sei, ebenso wie das Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung, ein wichtiger Anstoß auf dem Weg in die richtige Richtung: einer Debatte des „Islams auf deutschem Boden“.

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Marita Ellenbürger

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