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Veranstaltungsberichte

Schluss mit der Panikmache!

Wege aus der Finanzmarkt- und Verschuldungskrise

Unter der Maßgabe „Schluss mit der Panikmache! Es gibt Wege aus der Finanzmarkt- und Verschuldungskrise! Aber es ist höchste Zeit zu handeln!“ hatte das Bildungswerk Mainz der Konrad-Adenauer-Stiftung wieder einmal zu einem überaus hochkarätig besetzten Politischen Salon geladen, der den zahlreichen Gästen am Samstagvormittag die Möglichkeit bot, mit den Podiumsteilnehmern zu diskutieren und umfassend Fragen zu stellen.

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Der Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz B. van Lier, leitete den Politischen Salon mit der Frage ein, ob es angesichts der Schulden- und Finanzmarktkrise eine europäische Schicksalsgemeinschaft, gar eine Vergemeinschaftung der Schulden, gibt oder geben kann oder ob vielmehr das Subsidiaritätsprinzip gelte. „Auf europäischer Ebene funktionieren die Maßgaben, nach denen jeder Privatmann haushalten muss, nicht mehr“, merkte er an. Die Veranstaltung solle, so van Lier, aufzeigen, welche Einschnitte hingenommen werden müssten, wenn es um den künftigen Erhalt unseres Wohlstands und unserer Sicherheit in Europa geht.

Prof. Dr. Norbert Walter, ehemaliger Chefökonom der Deutschen Bank, eröffnete sein Statement mit der Annahme, dass die Krise aus dem Umstand erwachsen sei, dass der Mensch die Eigenschaft habe, gut und böse zugleich zu sein. „Wenn keine Erziehung mehr stattfindet“, so Prof. Walter, „die von Mitgefühl und Ethik geprägt ist, dann wird das Böse langfristig und dauerhaft Überhand nehmen“. Der Mangel an Mitgefühl, Ethik und Regulierung ist demnach für ihn die grundlegende Ursache für den Umfang der Krise. „Je größer die Hebel sind, die Menschen in die Hand bekommen, umso größer werden die Dimensionen, in denen sich Menschen daneben benehmen können“, hält der Ökonom hierbei fest. Und weiter: „Früher waren die Möglichkeiten, die Dinge durcheinander zu bringen, erheblich kleiner“.

Hinzu käme, dass in den vergangenen fünfzig Jahren viele Länder über ihre Verhältnisse gelebt und gleichzeitig die Ökonomen das formelle Rüstzeug für deren Handeln geliefert hätten. Im Zuge der Krise, so die Ansicht Prof. Walters, sei der Einfluss der privaten Überschuldung zu sehr außer acht gelassen worden: „Auch die zuständigen Aufsichtsbehörden haben in dem Spiel mitgemischt, nicht bloß junge und unerfahrene Banker“.

"Wir haben in Europa größere Probleme gelöst."

Er räumte aber auch ein, dass es Fälle gebe, in denen der Ursprung allen Übels die staatliche Überschuldung sei, wie beispielsweise in Italien und Griechenland. Kritisch merkte Prof. Walter an, dass bis heute auch in Deutschland die Staatsverschuldung nicht ordentlich aufgerechnet werde. So sei zum Beispiel die Zusage der Renten ein unübersehbarer Turm von nicht einzulösenden Versprechungen: „In Wahrheit ist unser Schuldenstand doppelt so hoch wie der von Griechenland angesichts dieser uneingelösten Versprechungen“.

Die Lösung des Problems könne eine konstruktive und engagierte Gesellschaft sein, mahnte der Volkswirt an, denn wer keine Kinder habe und seine Kinder nicht ordentlich erziehe, der werde langfristig nicht der Schuldenzahler für andere, sondern eher selbst der Bittsteller. Die Probleme der Krise seien nicht so groß wie gemeinhin angenommen. Hierzu Prof. Walter: „So schlimm die Situation auch ist, wir haben in Europa vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg größere Probleme gelöst“. Seine Diagnose lautet deshalb folgerichtig: Die Situation, die vor uns liegt, ist gestaltbar! Aber nur, wenn wir diszipliniert an die Sache herangehen.

Hierfür unabdingbar sei vor allem die Erkenntnis, dass niemand einen größeren Vorteil von der internationalen Arbeitsteilung hat als Deutschland durch seine Exportquoten. „Wir können nicht permanent den anderen auf die Füße treten, sondern müssen dazu kommen, konstruktiv mit den anderen zusammenarbeiten“, lautet Walters Appell. Dafür werden Akteure und Politiker benötigt, die erkennen, dass die Dinge zwar schlecht laufen, dass man diese aber nicht bessert, wenn man Vorhaltungen macht. Anstelle von immer neuen Rettungsschirmen muss das Übel an der Wurzel gepackt werden. Und nur so wird auch den anderen europäischen Ländern geholfen werden können, schloss der Ökonom sein Statement.

Dr. Jörn Quitzau, Volkswirt bei Deutschlands ältester Privat Bank, der Berenberg Bank, in Hamburg, näherte sich im Rahmen seines Statements zwei Fragestellungen an: Warum dauert die Krise so lange und wer soll das bezahlen?

Über Jahrzehnte hinweg, so Quitzau, wurde über die Verhältnisse gelebt - in Deutschland wie in vielen anderen Ländern Europas. In Deutschland sei die Staatsverschuldung - gemessen an der Wirtschaftsleistung - immer weiter gestiegen und wurde noch beschleunigt durch die Wiedervereinigung. Das jahrzehntelange Anhäufen der Schulden sei die Ursache dafür, dass die Krise heute nicht schnell gelöst werden kann und wird. Nach Quitzaus Dafürhalten ist ein zweiter Punkt ursächlich für die Dauer der Krise: der Vertrauensverlust. Die Regeln des Marktes und der Politik seien nicht mehr klar und damit auch das Vertrauen für die Lösung weiterer Krisen verlorengegangen. Gegenwärtige europäische Finanzpolitik sähe zwar auf dem Papier gut aus, ließe aber nicht erkennen, ob sie auch Bestand hat und man diese Regeln im Fall der Fälle wieder in Kraft setzen würde. Ein drittes Problem sieht der Volkswirt in der Verlässlichkeit der Politik, da man jetzt und künftig im Prinzip auf all jene vertrauen müsse, die bislang versagt haben.

Künftig mehr, länger und effektiver arbeiten

Die Frage, wer die finanziellen Folgen der Krise zu tragen habe und wie diese zu tragen seien, beantwortete Quitzau mit dem Hinweis auf Mehrarbeit. Wir alle müssten nach seiner Einschätzung künftig mehr, länger und vor allem effektiver arbeiten, um die Krise dauerhaft zu bewältigen. Aber auch die Inflation werde langfristig dazu beitragen, dass die Krise überwunden werden kann. Zudem werden - als logische Konsequenz - staatliche Leistungen zurückgehen und gleichzeitig die Steuern ebenfalls langfristig angehoben werden müssen. Quitzaus abschließendes Fazit: „Es wird nicht der große Knall werden, sondern eher ein bunter Strauß von vielen kleineren Problemen, denen wir begegnen werden“.

Das Statement von Dr. Carsten Linnemann MdB, stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Finanzen im Deutschen Bundestag und Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales, beleuchtete die Betrachtungsweise der Politik.

Der Bundestagsabgeordnete bedauerte, dass sich die Politik gegenwärtig kaum Zeit nehme, um sich adäquat mit der Problematik der Krise auseinanderzusetzen: „Viele Aspekte der Diskussion scheinen in Stein gemeißelt“. Wer wie er, so Linnemann, gegen die Hilfsmaßnahmen stimme, sei nicht zwangsweise ein schlechter Europäer, „sondern urteilt allenfalls nach streng ökonomischen Gesichtspunkten“. Die D-Mark wolle - jedenfalls in der Union - niemand ernsthaft zurück.

Jedes Land muss für sich verantwortlich sein.

Linnemann merkte kritisch an, dass er die Auffassung, die Vorgehensweise zur Lösung der Krise sei angeblich alternativlos, nicht teile. Vielmehr sei nur der Sozialismus ohne Alternative, die Demokratie aber habe immer eine weitere Option anzubieten. In diesem Fall sei dies die Entwicklung entweder in Richtung Zentralisierung der EU mit Gemeinschaftshaftung oder die Entwicklung hin zu mehr Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Staaten. Der Abgeordnete weiter: „Gegenwärtig sind wir genau in der Mitte und kaufen uns mit den derzeitigen Maßnahmen immer wieder Zeit. Am Ende des Tages werden wir wohl davon ausgehen müssen, dass in Haushaltsfragen jedes Land für sich selbst verantwortlich sein muss“.

Überdies erinnerte der Referent daran, dass es in der Eurozone keine Insolvenzordnungen für den Fall von Staatspleiten gäbe. „Wir werden die Frage beantworten müssen“, so Linnemann, „wie wir mit Ländern umgehen, die nicht mehr an die Kapitalmärkte zurückkehren können“. Es müsse also auch immer die Möglichkeit für einen Austritt aus der Währungsunion geben. Die hiermit in Verbindung stehende Angst vor einem sich dann auslösenden Dominoeffekt kann dabei seiner Auffassung zufolge nur mittels einer strikten Vorgehensweise begegnet werden: „Man hätte sich von vornherein nicht erst auf Rettungszahlungen einlassen dürfen und leider ist bereits jetzt der Ansteckungseffekt eingetreten“.

Abschließend machte er als eines der Kernprobleme den Umstand aus, dass die Politiker für ihre Zusagen nicht in Haftung genommen werden. Und weiter: „Strukturreformen sind möglich mit politisch Handelnden mit Opferbereitschaft, mit der Fähigkeit Leuten etwas gut zu erklären und die Menschen mitzunehmen und mit der Fähigkeit die Dinge zuzuspitzen“.

Die von Sebastian Jost, dem Leiter des Korrespondentenbüros Frankfurt der WELT-Gruppe, geleitete Diskussion vertiefte im Anschluss an die Statements der Podiumsteilnehmer einzelne Aspekte des zuvor Gehörten und bot darüberhinaus die Möglichkeit für das Publikum ihre Fragen an die ausgewiesenen Experten zu stellen.

Rückkehr zur Drachme löst nicht die Probleme

Vor allem die Lage Griechenlands stand hierbei im Mittelpunkt des Interesses. Prof. Walter sah in diesem Zusammenhang vor allem die geplanten Privatisierungen in Griechenland sehr kritisch: „Wer jetzt in Griechenland Privatisierungen fordert, der wird allenfalls Dumpingpreise für die Verkäufe erhalten“. Würde das Land zurückkehren zu seiner nationalen Währung, so wäre die Problemlage nicht gelöst, da seiner Auffassung zufolge niemand Vertrauen in die neue nationale Währung haben würde. Es gäbe, so Prof. Walter, kein historisches Beispiel dafür, dass die nominale Abwertung einer Währung den Weltmarktanteil des betreffenden Landes stabilisiert hätte.

Dr. Quitzau wies darauf hin, dass sich Griechenland de facto nie für den Euro qualifiziert habe und er gleichzeitig einen Austritt des Landes aus der Eurozone zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll erachte. Und weiter: „Die Anforderungen an Griechenland sind konzeptionell nicht stichhaltig und somit nicht glaubwürdig“. Der Abgeordnete Linnemann äußerte in diesem Kontext, dass es seiner Überzeugung nach besser wäre, „wenn die Länder unter den Rettungsschirm gehen und Auflagen bekommen, als dass die EZB hinter dem Rücken der demokratisch legitimierten Gremien Staatsanleihen aufkauft“.

In einem waren sich die Experten an diesem Vormittag einig: langfristig sind Steuerreformen dringend geboten. Hier mahnte Prof. Walter an, dass es dabei dringend geboten sei, das rechte Maß zu behalten: „Besteuerung darf nicht zur Leistungsverweigerung beitragen, indem sie die Privatisierung des Vermögens angreift“. Allzu schwierig umzusetzen sei dies seiner Auffassung allemal. Walter weiter: „Eine Komplexitätserhöhung des Steuerrechts lässt aufmerksam betrachtet erkennen und fördert zutage, dass der Spitzensteuersatz nicht erhöht werden darf, um nicht der jetzt schon vorherrschenden Verzerrung Vorschub zu leisten. Mittlere Einkommen dürfen nicht mehr belastet werden und der Höchststeuersatz ist nur dann zu erhöhen, wenn man in Kauf nimmt, dass das Steuersystem immer komplexer und die Mittelschicht immer stärker belastet wird“.

Letztlich galt es eine in die Zukunft gerichtete Prognose abzugeben. Der Moderator stellte abschließend die seiner Meinung nach schon viele Jahre im Raum stehende Frage nach den Möglichkeiten das Vertrauen der Märkte in den Euro wiederzugewinnen und so die Krise dauerhaft zu bewältigen. Prof. Walter äußerte sich pessimistisch zu dieser Frage: „Im Verlauf der kommenden drei Jahre werden die Europäer keine überzeugende Lösung für die Probleme auf den Kapitalmärkten hervorbringen“. Seiner Meinung nach werde die Wende im Wesentlichen durch die Wahlen in den USA zustande kommen. „Der Wahlausgang wird zu einem Paradigmenwechsel führen. Im kommenden US-Kongress wird eine permissive Finanzpolitik nicht mehr handhabbar sein“, so der Ökonom.

Anders lautete die Einschätzung Quitzaus. In Europa habe man, so der Banker, die Probleme wenigstens erkannt und eine Strukturreform angestoßen, wenngleich man die Krise noch immer nicht überwunden hat: „In den USA ist man da noch einen Schritt hinterher“. Auch der Bundestagsabgeordnete Linnemann äußerte Zweifel daran, dass die Krise zeitnah zu bewältigen sei. Seiner Meinung nach sei die europäische Währungsunion immer zu groß gewesen: „Man hätte erst eine Vertiefung, dann eine Erweiterung machen sollen“. Gegenwärtig, so Linnemann weiter, werde es immer schwieriger die Problematik rein ökonomisch zu betrachten, da neben den ökonomischen Schieflagen nun auch Probleme mit den politischen Ressentiments zutage treten. Diese Rückkehr der Ressentiments sieht Prof. Walter vor allem in der Filterung der gesamteuropäischen Presselandschaft begründet und darin, dass die Möglichkeiten auch der ideellen und vor allem der konstruktiven Kritik an dem Habitus der Problemländer bislang noch nicht ausreichend ausgeschöpft wurden. Ob die Hilfe angenommen werde, sei, so Prof. Walter, jedoch fragwürdig.

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Karl-Heinz B. van Lier

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