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Veranstaltungsberichte

"Wir stehen gar nicht so schlecht da!"

Hintergrundgespräche zur Finanzlage in Bund und Europa

Wie agiert, wie "funktioniert" Politik vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise? Veranstaltungsbericht zu den Hintergrundgesprächen mit dem Rundfunkjournalisten Thomas Habicht am 8. und 9. Juni 2010 in Osnabrück und Oldenburg.

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"Kooperativ und fair, und sie besitzt eine Meisterschaft, mit eitlen Männern umzugehen." Die Arbeitsweise von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie das Innenleben von Koalition und dem Berliner Politikbetrieb standen im Mittelpunkt der Mittagsgespräche mit Thomas Habicht, Abteilungsleiter Kulturradio Politik/Nachrichten beim Radio Berlin-Brandenburg. Der aktuelle Zwist in der Koalition resultiere einerseits aus der Ernüchterung Westerwelles, der feststellen müsse, dass Außenpolitik heute hauptsächlich in der Hand der Kanzlerin liege. Habicht: "Das ist die Genscher-Illusion." Zum anderen sei der Koalitionsvertrag der "Liebesehe" zwischen Union und FDP weitaus variabler gefasst, als der einst vom gegenseitigen Misstrauen geprägte Koalitionspakt von Union und SPD.

Anlass für die Hintergrundanalyse war die aktuelle Finanzlage der Bundesrepublik. Diese sei heute mit 1,7 Billionen Euro verschuldet. Unter dem Titel "Herkulesaufgabe Schuldenhaushalt" untersuchte Habicht in Osnabrück und Oldenburg einerseits die aktuelle Finanzlage Deutschlands, kontrastierte sie jedoch mit der finanziellen Situation der USA und anderen europäischen Ländern. Deutschland sei das drittgrößte Industrieland der Erde. Der Schuldenpegel der USA sei im Vergleich zu uns erheblich höher. Europa sei der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt. Und durch den niedrigen Euro-Kurs boomten – trotz höherer Ölpreise – die Exporte. Habichts Fazit: "Wir stehen im Vergleich gar nicht so schlecht da!"

Mit Wolfgang Schäuble habe die Kanzlerin den erfahrensten Politiker des Kabinetts mit dem Finanzressort betraut. In seiner persönlichen Situation könne er das von der Verfassung vorgesehene Veto-Recht in Finanzfragen, das auch die Kanzlerin nicht durchbrechen dürfe, durchaus nutzen. Dies zähle zu den Faktoren, die erwarten ließen, dass der Euro auch in Zukunft stabil bleiben werde. Kanzlerin Merkel widerstehe dabei dem massiven Druck der USA und anderer Länder, die fordern, Deutschland solle sich in der Krise noch stärker verschulden.

Die Euro-Krise sei, so Habicht, weniger ein Spekulations- als vielmehr ein Verschuldungsproblem. Das Aufweichen der Maastricht-Kriterien noch zu Zeiten der Schröder-Regierung und das Einschränken der Kontrollrechte des Brüsseler EcoFin-Rates sei ein fatales Signal in Europa gewesen. Die Kontrollrechte der EU in Finanzfragen, so lobte Habicht, seien aber jüngst wieder verschärft worden. Bei der Aufnahme in den Euro-Raum habe Griechenland mit falschen Daten agiert – und Brüssel habe dies geduldet. Heute verstießen 24 von 27 EU-Ländern gegen den Stabilitätspakt. In Deutschland bestehe das Problem einerseits in der Anspruchsmentalität vieler Bürger. Zum anderen kämpfe die Politik mit der zunehmenden Volatilität des Wahlverhaltens der Bürger. Auf die Politik käme neben der Finanzkrise noch eine Reihe weiterer Herausforderungen zu. Darunter: die Kosten im Gesundheitswesen, die Energiepolitik mit der Frage nach dem Einsatz der Atomenergie und die Konsequenzen des demographischen Wandels.

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