Chinas Dilemma
Putins Krieg in der Ukraine schwächt die Allianz der Autokraten
„Chinas Stoppschild für Russland“ – so lautete vor einer Woche eine prägnante Überschrift in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die sich auf Chinas Äußerungen zu Moskaus Krieg gegen die Ukraine bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz bezog.[1] Westliche Experten waren sich zu dem Zeitpunkt einig: Die Rede des chinesischen Außenministers Wang Yi sei ein diplomatischer Rückschlag für Russland. In einer Videoschalte während der Konferenz hatte Wang überraschend eindeutig den Standpunkt betont, dass die Grundsätze „von Souveränität, Unabhängigkeit und territorialer Integrität“ aus der Sicht Chinas auch für die Ukraine gälten. Nur Tage später folgte die plötzliche – und nicht weniger überraschende – Kehrtwende Pekings. In einer aufsehenerregenden Pressekonferenz bestritt die Sprecherin des chinesischen Außenamts Hua Chunying gar, dass es sich bei dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine um eine Invasion handele und sprach von einem „sogenannten Angriff“. Was war passiert? Hatten sich Staatspräsident Xi Jinping und seine Regierung plötzlich wieder darauf besonnen, dass Peking und Moskau geeint sind in ihrer Ablehnung westlicher Werte und in der Abneigung gegen die NATO-Staaten und ihre Partner? Zumindest scheinen einige deutsche Medienanalysen ihr Fundament auf dieser vergröbernden Annahme zu bauen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass selbst Peking von den Ereignissen überrumpelt wurde. Offenkundig brauchte der Politikbetrieb in Peking einige Zeit, um zu realisieren, in welche politische Bredouille Putin mit seinem Vorgehen auch die chinesische Volksrepublik gestürzt hat. Hierfür spricht insbesondere auch das spätere Abstimmungsverhalten Chinas im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.