Publicador de contenidos

Título individual

Das Wahlsystem in Chile

de Dr. Helmut Wittelsbürger

Publicador de contenidos

Das gravierendste Erbe Pinochets, welches das politische System Chiles auch nach den jüngsten Verfassungsreformen weiterhin bestimmt, ist das weltweit einzigartige binominale Wahlsystem. In seiner nach dem Plebiszit verbleibenden Amtszeit sorgte das Militärregime dafür, dass es in der Verfassung verankert wurde. Prinzipiell funktioniert das binominale Wahlsystem nach der Logik des Mehrheitswahlrechts. In einem auf freiwilliger Einschreibung in das Wahlregister und anschließender Wahlpflicht basierenden elektoralen Prozess ziehen bei Senats- und Abgeordnetenwahlen jedoch jeweils nur zwei Kandidaten ins Parlament ein. Diese sind normalerweise der erstplazierte Kandidat der Siegerliste und der erstplazierte Kandidat der stimmenmäßig zweitstärksten Liste. Eine Liste kann nur beide Kandidaten ins Parlament entsenden, wenn sie in einem Wahlkreis doppelt so viele Stimmen erreicht wie die zweitplazierte Liste (doblaje). So ist die Entstehung eindeutiger Parlamentsmehrheiten quasi unmöglich.

Der Fortbestand der Verfassung von 1980 inklusive des Wahlrechts wurde damit vorerst gesichert. In einem nach binominalen Wahlsystem gewählten Senat, dem neben den 38 gewählten auch noch designierte Senatoren angehörten, war das Erreichen der für eine Verfassungsänderung erforderlichen Drei-Fünftel-Mehrheit selbst bei einem deutlichen Wahlsieg ohne die Zustimmung der Opposition unmöglich.

Das chilenische Wahlsystem unterstützt in der Praxis die Teilung des Parteienspektrums in zwei große Blöcke. Außerhalb dieser Blöcke besteht für Parteien keine ernsthafte Chance zur Erlangung politischer Macht. Die beiden entstandenen Fraktionen, Concertación und Alianza por Chile, werden weiterhin aus inhaltlich verschiedenen Parteien unterschiedlicher Tradition gebildet. Es ist so trotz der Zweiteilung des Parteiensystems nicht zu einem Zweiparteiensystem gekommen.

Die Notwendigkeit der doblaje zur Durchsetzung des zweiten Kandidaten einer Liste führt in den Wahlkreisen dazu, dass bei zwei konkurrierenden politischen Lagern jeder Stimmenanteil, den ein Parteienblock zwischen 33,4 und 66,7 % der Gesamtstimmen erhält, praktisch wertlos ist. Aus diesem Grund ist es nicht unbedingt notwendig, um den Wahlsieg zu kämpfen, sondern lediglich um ein zur Platzierung des eigenen Kandidaten notwendiges Ergebnis. Die Kompetivität zwischen Parteien und Kandidaten wird so gravierend eingeschränkt.

Da in Chile jede Liste laut Wahlgesetz pro Wahlkreis nur zwei Kandidaten aufstellen darf, sieht sich der Kandidat einer Partei einer zweifachen Konkurrenz ausgesetzt. Einerseits ist dies eine externe Konkurrenz, das heißt mit den Kandidaten der anderen Liste. Auf der anderen Seite ist er aber auch einer internen Konkurrenz mit dem zweiten Kandidaten der eigenen Liste um die Mehrheit der Stimmen ausgesetzt. Die Tatsache, daß dieser zweite Kandidat häufig einer anderen Partei angehört, verstärkt die interne Wettbewerbssituation zusätzlich.

Die Aufteilung der Parteien in zwei Lager hat den weiteren Effekt, dass vor jeder Wahl umfangreiche Vorverhandlungen zwischen den Parteien einer Koalition über die Verteilung der Kandidaturen notwendig werden. Die Gesamt-Prozentzahlen der Stimmen einer Partei auf Landesebene hängt fundamental davon ab, wie viele Kandidaturen die Partei in den Vorverhandlungen innerhalb des eigenen Blockes jeweils hat durchsetzen können.

Vorerst hält die politische Rechte weiter am binominalen Wahlsystem fest. Allerdings wurde es im Rahmen der Verfassungsreformen vom Oktober 2004 aus der Magna Charta ausgegliedert. Damit ist eine erneute Verfassungsreform zu seiner Abschaffung unnötig geworden. An der Drei Fünftel Mehrheit zur Änderung dieses nun einfachen Gesetzes wurde aber festgehalten.

Santiago im August 2005

Compartir

Publicador de contenidos

comment-portlet

Publicador de contenidos

Publicador de contenidos