Reportajes internacionales
1. Lewites Weg in die sandinistische Dissidenz
Seine Biographie ist eng mit der Entstehung und Entwicklung der FSLN verbunden. Bereits 1960 schloss er sich der Opposition gegen die Somoza-Diktatur an und wechselte 1970 zu den Sandinisten, deren Solidaritätsbewegung er leitete. Im gleichen Jahr wurde er in den USA verhaftet, als er Waffen für die Sandinisten kaufte. Nachdem er in den 80er Jahren erfolgreich das Tourismusministerium in der sandinistischen Regierung ausübte, zog er für die FSLN 1990 ins Parlament, um sich dann langsam von ihnen zu trennen. 1996 gründete er eine eigene politische Bewegung (Movimiento Sol), gewann aber für die FSLN im Jahre 2000 die Bürgermeisterwahlen in Managua. Als er sich für Urwahlen innerhalb der Sandinisten mit Blick auf die Wahlen 2006 stark machte, wurde er im März 2005 aus der Partei ausgeschlossen. Er gründete seine Bewegung Movimiento por el Rescate del Sandinismo, die später in der 1995 von Sergio Ramírez Mercado gegründeten MRS (Movimiento Renovador Sandinista) aufging. Am 21. Mai 2006 wurde er offiziell als Präsidentschaftskandidat des MRS nominiert.
2. Demokratische Linke als politische Option gegen den politischen Pakt
Die Präsidentschaftskandidatur von Herty Lewites bedeutete gegenüber der FSLN als der traditionellen, orthodoxen und autoritären Linken Nikaraguas eine interessante demokratische, moderate und verantwortungsbewusste Alternative. Verankert im Wählerpotential stellt sie einen positiven Beitrag für die Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems dar, das gegenwärtig durch den politischen Pakt zwischen Ortega und Alemán blockiert wird. Wiederherstellung der Demokratie und Ethik in der Ausübung der öffentlichen Funktion setzte Lewites gegen die Aufteilung der politischen Schaltstellen in den staatlichen Gewalten nach Parteienproporz im Zuge des politischen Paktes.
Nachdem Herty Lewites lange Zeit in den Umfragen an erster Stelle stand, rutschte er in den letzten Monaten auf den dritten Platz ab, blieb aber aufgrund des hohen Anteils der Unentschiedenen aussichtsreich in Option und grundlegend für die Schwächung des politischen Paktes.
3. Neue Präsidentschaftsformel abhängig von Entscheidung des Obersten Wahlrates
Nur vier Tage nach dem Tod von Herty Lewites bestimmte seine Wahlallianz seinen bisherigen Vize-Präsidentschaftskandidaten Edmundo Jarquín zum neuen Kandidaten und Carlos Mejía Godoy zum Vize-Präsidentschaftskandidaten. Die neue Präsidentschaftsformel wurde von den Mitgliedern der Allianz einstimmig und ohne politische Verhandlungen bestimmt. Sie verbindet den politischen Professionalismus Jarquíns mit der Popularität Mejías.
Edmundo Jarquín ist ehemaliger Christdemokrat und Schwiegersohn der Ex-Präsidentin Violeta Chamorro (1990 – 1997). Er war Botschafter unter den Sandinisten in Spanien und Mexiko und arbeitet für den BID und ist gegenwärtig Leiter des Kabinetts des Generalsekretärs der Cumbres Iberoamericanas (SEGIB), Enrique Iglesias.
Carlos Mejía Godoy ist ein populärer Sänger und Autor von rd. 500 Liedern, darunter die Parteihymne der Sandinisten.
Noch fehlt dem neuen Kandidatenduo die offizielle Anerkennung des Obersten Wahlrates, um an der Präsidentschaftswahl teilzunehmen, da die Präsidentschaftskandidaten bis zum 31. Mai 2006 benannt werden mussten. Durch einen Artikel im Wahlgesetz ist der Wahlrat dazu berechtigt, unerwartete Situationen zu regulieren. Da auch er im Rahmen des politischen Paktes von parteipolitischen Interessen der beiden Paktparteien geleitet wird, bleibt abzuwarten, ob er einer Einschreibung zustimmt.
4. Zurück zur politischen Polarisierung?
Politische Beobachter gehen davon aus, dass es schwierig sein wird, die stark personenbezogene Anhängerschaft Herty Lewites auf das neue Kandidatenduo des MRS zu übertragen. Eher wahrscheinlich ist eine Abwanderung von Teilen des Stimmenpotentials Lewites in Richtung Eduardo Montealegre. Angesichts der aktuellen Umfragen würde dadurch ein „technisches Patt“ zwischen Daniel Ortega und Eduardo Montealegre unterhalb der magischen 35 % entstehen, was auf jeden Fall eine Stichwahl erforderlich macht. Auszuschließen nach diesen Interpretationen ist aufgrund der zentralen Wahlkampfbotschaft des MRS eine Abwanderung in Richtung der Paktparteien FSLN oder PLC.