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Présentations & compte-rendus

„Der Russische ‚Bär tanzt aus der Reihe’ – Putin und sein Machtsystem“

Was tun, wenn der „Russische Bär“ den Westen und die Welt zum Tanz auffordert? – diese und viele weitere Fragen zum Regime von Vladimir Putin beantwortete der Russlandexperte Boris Reitschuster am 25.11.2015 um 18:00 Uhr im Wintergarten des Victor’s Residenz-Hotel vor mehr als 80 Gästen des politischen Bildungsforums Saarland der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Boris Reitschuster packte nach einem Schüleraustausch 1988 die Faszination Russland und so begann er 1990 sein Studium in Moskau. Dort arbeitete er als Dolmetscher und Journalist für russische Tageszeitungen und für die Presseagenturen dpa und AFP. Daraufhin leitete er das Moskauer Büro des Focus, musste Russland aber nach Anfeindungen und Drohungen 2012 verlassen. Bis Februar diesen Jahres leitete er das Büro allerdings weiterhin aus Berlin. Außerdem ist Reitschuster Autor diverser Bücher rund um das Regime Russland und Putin und versteht durch seine langjährige Erfahrung vor Ort und sein fließendes Russisch die Entwicklungen rund um Putins Machtsystem so gut wie kaum ein anderer Russlandexperte des Westens.

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Leiterin des Bildungsforums Saarland, Frau Helga Bossung-Wagner, in der sie auf die aktuellen Ereignisse rund um Paris, Syrien und den brandaktuellen Abschuss eines russischen Kampfjets über türkischem Luftraum verwies, begann Reitschuster seinen Vortrag damit seine Einschätzungen mit dem Publikum zu teilen.

Zunächst formulierte er sein Unverständnis für die vielen „Putinversteher“ im Westen und auch in Deutschland und wies darauf hin, dass auch in Russland die Regimeunterstützer ganz weit weg von den normalen russischen Menschen sind. Während sich der Durchschnittslohn der Russen während Putins politischem Wirken zwar in etwa verzehnfacht hat (2000 – 2015), so baue seine rege Unterstützung in der eigenen Bevölkerung hauptsächlich auf die Angst, mit der er regiere. Zwar könne man im privatem Umfeld seine Meinung vergleichsweise frei äußern, dennoch kann schon ein falsches „Like“ im sozialen Netzwerk Facebook zu Repressionen führen. „Putin spielt virtuos mit dieser Angst“, merkte Reitschuster an und führte die guten Umfragewerte für Putin auf ein russisches Stockholmsyndrom (Geiseln sympathisieren mit Geiselnehmern) zurück, bei dem Terror als Zeichen der Fürsorge gedeutet würde. Diese Beeinflussung durch Angst, oder auch „Alltagsterror“, verdeutlichte der Redner mit Erfahrungen, die er während einer Lesereise durch Russland mit Gary Kasparow machte. Reitschuster nannte es eine fast „kafkaeske“ Erfahrung, bei der auf diversen Landebahnen Schafe oder Ziegelsteine aus dem Nichts auftauchten, oder Gebäude schon am Nachmittag wegen einem Rohrbruch am späteren Abend geschlossen worden waren.

Ein weiterer Teil des Vortrags beschäftigte sich mit der subtilen russischen Propaganda im In- und Ausland. So präsentierte Reitschuster dem Publikum russische Propagandavideos und einen Artikel zu den Zuständen in Deutschland aus dem größten russischen Boulevardblatt, deren Aussagen in den Ohren eines deutschen Bürgers mehr als abstrus und unglaubwürdig klingen.

Darauf aufbauend kritisierte Reitschuster den Umgang mit Russland und Putin auf medialer sowie politischer Ebene in Deutschland. Zum einen vermutete der Referent, dass die jüngere Generation nicht mehr weiß, wie sie mit den Aussagen und der Propaganda eines solches Regimes umgehen solle. Zum anderen zeige der Westen zu oft Schwäche im Umgang mit Russland und erinnere sich zu selten an unsere demokratischen Werte für die wir so hart gekämpft haben. Folglich plädiert Reitschuster für einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Putin, wobei man erkennen müsse, dass man unsere Werte im Ernstfall auch mit Wehrhaftigkeit vertreten müsse.

Ebenso weist Reitschuster darauf hin, dass die Bezeichnung „Großmacht“ im Zusammenhang mit Russland nicht zutreffe. Zwar sei Russland eine Atommacht, blicke man aber beispielsweise auf das BIP pro Kopf, so liegt Russland mit Platz 58 weltweit noch hinter Trinidad und Tobago. Zudem seien Gesundheits- und Bildungssystem in einem desolaten Zustand.

Bevor sich Reitschuster den Fragen und Beiträgen des äußerst interessierten Publikums stellte, schilderte er seine Wahrnehmung des Syrienkonflikts und äußerte sich sehr kritisch gegenüber einer westlichen Allianz mit Putin zur Befriedung der Region. Mit Haupteinnahmequellen aus Gas und Öl sei Russlands wirtschaftliches Interesse eher mit Unruhe im Nahen Osten vereinbar, als mit Frieden. Auch Putins Verbrüderung mit Diktator und Massenmörder Assad hält Reitschuster für moralisch sehr bedenklich.

„Putin geht mit Sieben-Meilenstiefeln in die Vergangenheit“ und in diesem Zusammenhang müsse der Westen - Bürger, Medien sowie Politik - seinen Umgang mit diesem Regime überdenken.

Nach einem hervorragenden und einsichtsreichen Vortrag und langer Diskussion mit den Gästen der KAS, fand der Abend bei einem geselligen Empfang im Foyer des Victor’s Residenz-Hotel seinen Ausklang.

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