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Présentations & compte-rendus

Europagespräch der Konrad Adenauer-Stiftung Erfurt

de Hans-Georg Roth

Wie sichern wir die Arzneimittelversorgung in geopolitisch angespannten Zeiten?

Dramatische Lieferengpässe bei lebenswichtigen Arzneimitteln, etwa bei Fiebersäften für Kinder oder bei Krebsmedikamenten sowie die zunehmende Abhängigkeit Europas von wenigen Produktionsstätten insbesondere in China erfordern eine konzertierte Aktion von Bundesregierung und EU sowie eine enge Kooperation mit lokalen Akteuren wie Apothekern und Ärzten.

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Dies ist das Resultat des Erfurter Europa-Gesprächs der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen im Haus Dacheröden am 11. Mai. Eine breite Debatte über die Arzneimittelkrise sei daher nötig, so die Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Thüringen, Maja Eib. Aber noch wichtiger seien langfristig angelegte Lösungen. Die Zeit dränge, denn BioNTech verlagere gerade die Krebstherapie-Forschung nach England, in den USA werde die Pharma zur Leitbranche, China vom Imitator zum Innovator. Kritische Abhängigkeiten, insbesondere bei bestimmten Generika und Wirkstoffen, vor allem aus China, Indien und verschiedenen südostasiatischen Staaten, erfordern wirksame Antworten.

Die Experten auf dem Podium: die Thüringer Europaabgeordnete Marion Walsmann, der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes Stefan Fink, Apotheker aus Weimar, sowie Susanne Lamminger, Direktorin für Gesundheitspolitik der Bayer AG.

Der Moderator Moritz Fink, zuständig für Globale Gesundheit in der Konrad-Adenauer-Stiftung, verwies auf eine aktuelle Studie der Stiftung zum Thema „Pharmastandort Europa: Stärkung der Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit“. Er ist einer von drei Autoren der Studie. In seinem Eingangsstatement forderte Moritz Fink verlässliche industriepolitische Rahmenbedingungen für pharmazeutische Unternehmen von Seiten der Politik in der EU, im Bund und in den Ländern. Die Lage sei mehr als dramatisch: fast 500 Medikamente seien derzeit in Deutschland nicht lieferbar, China habe heute quasi weltweit das Monopol auf Penicillin und produziere 90 Prozent der Wirkstoffe für Antibiotika weltweit. Ein asymmetrischer Arzneimittelmarkt also, von China und Indien beherrscht (vor allem ersteres). Eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa sei mit hohen Mehrkosten für Firmen und dem Gesundheitssystem verbunden.

Was sind nun die Lösungsvorschläge, die von der Expertenrunde präsentiert wurden?

Die KAS-Studie empfiehlt: zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Pharmaunternehmen sollte anstelle von Industriesubventionen besser das Ökosystem Pharmaindustrie gestärkt werden. Die Maßnahmen: exzellentes Bildungssystem für Fachkräfte, mehr Forschung und Entwicklung und Aufbau eines europäischen Gesundheitsdatenraums.

Dies sei auch der Ansatz der EU, so Marion Walsmann. Die EU hat vor wenigen Monaten im Europäischen Parlament einen Unterausschuss Gesundheit geschaffen.  Die Europaabgeordnete stellte die Ziele der europäischen Gesundheitsunion vor: Zusammenarbeit der EU-Länder bei Gesundheitskrisen, verfügbare, erschwingliche und innovative medizinische Versorgung sowie bessere Zusammenarbeit bei künftigen Pandemien von der Prävention über Behandlung bis zur Nachsorge. Die Europäische Behörde für Notfallversorgung im Gesundheitswesen (HERA) soll schnellere Reaktion auf Engpässe und Vorbeugung für Notfälle ermöglichen. Zur Stärkung der gemeinsamen Gesundheitsunion hat die EU im Jahr 2021 das EU4Health-Programm ins Leben gerufen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat sich nach Ansicht von Marion Walsmann bestens bewährt. Aktuell hat die EU-Kommission eine Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts vorgeschlagen. Das Ziel:  gleicher Zugang zu Arzneimitteln in allen EU-Staaten sowie Schließung von Versorgungslücken. Wichtig sei, so Walsmann, dass die EU auch im Pharmabereich den Schutz geistigen Eigentums, also Patente und Urheberrechte, streng wahre. Die Gutscheinlösung der EU sei die richtige Antwort „Dass Kinder in Krankenhäusern liegen, weil das nötige Antibiotikum fehlt, dürfen wir nicht nochmals zulassen“, so der eindringliche Appell der Europabgeordneten. Gegenwärtig diskutiert die EU einen Pandemievertrag zwischen den Mitgliedsstaaten. Daten sein das Öl von morgen. Gesundheitsdaten, so Walsmann, sollten nicht aufgekauft werden, der Datenschutz müsse garantiert sein. Der Europäische Gesundheitsdatenraum habe höchste Priorität.

„Was ist denn in unseren Apotheken los? In den letzten 30 Jahren hatten wir nie solche Probleme“, so fragte kritisch der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes Stefan Fink. Die wichtigste Antwort lieferte er gleich mit: Die Apotheken können die Probleme der Arzneimittelversorgung, vor allem der Lieferkettenprobleme nicht lösen. Verantwortlich für die Lieferkettenprobleme seien bei uns in Deutschland vor allem die Rabattverträge. Generika seien zur Billigware geworden. Eine Flasche Penicillin koste 3,00 Euro, eine Tablette Penicillin aber nur 6 Cent. Das Diabetes-Medikament Metformin werde zu 100 Prozent in Asien produziert. „Wie wollen wir die Daseinsvorsorge der Bevölkerung in der Pharmazie sicherstellen?“ Es seien, so Fink, grundlegende strukturelle Probleme, die die Gesundheitspolitiker gemeinsam mit den Kassen und den Ärzte- und Apothekerverbänden lösen müssten. Niemand habe beispielsweise um die Weihnachtszeit den Mangel an Paracetamol auf dem Schirm gehabt, niemand hatte mit einer solch dramatischen Scharlachwelle bei Kindern gerechnet.

„Wir waren in Deutschland einmal die Apotheke der Welt“, so Stefan Fink. Heute fehlen in den Apotheken bei uns rund 400-600 Medikamente. Rund 5.000 Medikamente führe eine Apotheke im Durchschnitt. Rund 120.000 Medikamente führe eine Apotheke im Durchschnitt. Probleme haben unsere Apotheken aber nicht nur bei den Medikamenten, es fehlen vielfach auch die Hilfsstoffe. Zwei Gründe führte Stefan Fink an, die zu der Medikamentenkrise geführt haben: zum einen die Verlagerung der Pharmaunternehmen ins Ausland, vor allem wegen hoher Umwelttauflagen bei uns in Europa. Die zweite Ursache seien die Rabattverträge. Die „Geiz ist geil-Mentalität“ sei auch in den Pharmamarkt eingezogen. „Wir haben uns kaputtgespart. Jetzt müssen wir die Scherben kitten.“ Deutschland habe über Jahrzehnte von Rabattpreisen bei Medikamenten profitiert. Notwendig sei eine europäische Antwort, vor allem in der Vorsorge: Und wir brauchen mehr Bevorratung von Medikamenten bei uns in Deutschland, so das Plädoyer von Stefan Fink.

Susanne Lamminger nannte Europa im internationalen Vergleich eher innovations-unfreundlich und spielte damit auf eine Aussage ihres Pharmachefs Oelrich an. Bayer sei erfreulicherweise ein forschendes Chemie- und Pharmaunternehmen, mit seinen 23.000 Beschäftigten an 13 Standorten, unter anderem auch in Weimar und Jena. Aber Bayer Deutschland stehe in einem internen Wettbewerb zu Bayer China oder Bayer Mexiko. Hier gehe es darum, wo z.B. auch klinische Studien durchgeführt werden sollen.

Das weltweit einzigartige deutsche GKV-System biete einen deutlichen Vorteil: es ermögliche einen direkten Marktzugang für innovative und neue Medikamente. Das größte Minus der deutschen Gesundheitspolitik seien wiederrum die hohen bürokratischen Hürden für die Pharmaunternehmen. Die Einführung neuer Medikamente verlaufe in Spanien dreimal schneller als in Deutschland.

Wo Generika billiger hergestellt oder bezogen werden können, lohnen sich Entwicklung und Produktion von Medikamenten nicht mehr, da seien andere Märkte attraktiver. Gesundheitspolitik müsse heute in Verbindung mit Industriepolitik, Wirtschaftspolitik und Sicherheitspolitik gesehen werden. Es sei wichtig, die Arzneimittelproduktion als kritische Infrastruktur zu bewerten. Daten seien auch im Gesundheitswesen die zentrale Ressource. In der Pandemie habe Deutschland auf Daten aus Israel gesetzt. Es müssten allerdings qualitativ hochwertige validierfähige Daten sein. Den EU-Gesundheitsdatenraum wertete Susanne Lamminger als ein hervorragendes Projekt.

Das Abschluss-Resümee: In der Corona-Pandemie hat die Pharmabranche in Europa ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Nun gilt es in der Arzneimittelkrise die Pharmaunternehmen in Deutschland und Europa zu stärken, und zwar mit Strukturreformen, weniger Bürokratie und schnelleren Abläufen bei der Zulassung von klinischen Studien beispielsweise.

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