Comptes-rendus d'événement
Das Politische Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Thüringen lud am 26. September 2018 in den Thüringer Landtag zur Veranstaltung „Russlanddeutsche – Rückkehr und Ankommen in ihrer neuen/alten Heimat Thüringen“ ein. In ihrer Begrüßungsrede sprach Maja Eib, Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Thüringen, davon, dass Heimat nicht nur ein Ort sei, sondern vor allem ein Gefühl. Weiterhin wies sie darauf hin, dass die Bezeichnung „Russlanddeutsche“ nicht korrekt sei, sondern Deutsche aus Russland die korrekte Anrede sei. Denn die Deutschen aus Russland waren immer Deutsche. Ihre Lebensgeschichten zeichnen sich durch besondere Auswanderungs- und Migrationsgeschichten aus. Nach Maja Eib ergriff Tamara Barabasch, Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V., Orts- und Kreisgruppe Erfurt, das Wort. Tamara Barabasch verlieh ihrer Freude und ihrem Stolz, dass die Landsmannschaft an Mitgliedern und Bedeutung gewachsen sei, Ausdruck und machte gleichzeitig deutlich, dass es ihr Anliegen sei, dass die Deutschen aus Russland in Deutschland als Deutsche anerkannt würden.
Im Anschluss an Tamara Barabasch richtete Mike Mohring MdL ein Grußwort an die Gäste. Er sprach davon, dass es Zeit sei, den Heimatbegriff wieder positiv zu besetzen. Gleichzeitig müsse er jedoch die Menschen verbinden, anstatt auszugrenzen.
Das Einladungsmanifest Katharina II. vom 22. Juli 1763 sollte vor allem Deutsche Bauern mit Aussicht auf zahlreiche Privilegien anlocken, nach Russland auszuwandern. Nach Jahrhunderten des friedlichen Zusammenlebens kam es jedoch aufgrund der zwei Weltkriege zu Flucht und Vertreibung der Russlanddeutschen aus Russland und es wurde die Frage gestellt, ob die Russlanddeutschen überhaupt zu Russland gehören, so Mike Mohring. Trotz dass die Russlanddeutschen über mehrere Generationen und Jahrhunderte in Russland gelebt haben, haben sie doch ihre kulturelle Zugehörigkeit zu Deutschland nie verloren, sondern ihre alten Traditionen aufrechterhalten und neue Traditionen erschaffen. Auch die Problematik, dass sich die Russlanddeutschen mit ihren Schicksalen von Vertreibung und Diskriminierung vergessen fühlen, sprach Mohring an. Integration und Unterstützung könne nur mit gegenseitigem Respekt erreicht werden. Mit Blick auf die derzeitige Flüchtlingssituation machte Mike Mohring deutlich, dass die Frage sei, wer gewillt ist anzukommen und sich zu integrieren und wer nicht, in der Flüchtlingspolitik eine Rolle spielen müsse. Da es zwei Millionen Russlanddeutsche gebe, die im Laufe der Jahre nach Deutschland zurückgekehrt sein, ist es von großer Wichtigkeit, dass ihrer Geschichte und Vergangenheit eine besondere Bedeutung zukomme.
„In Russland sind wir Deutsche, in Deutschland sind wir Russen“
Das Zitat macht die schwierige Situation der Deutschen aus Russland sowohl in Russland als auch in Deutschland deutlich. Denn während sie in Russland als Deutsche beschimpft wurden, werden sie häufig in Deutschland als Russen bezeichnet. Diese Problematik lässt sich auch in der Sprache wiederfinden. Häufig sprechen die Deutschen aus Russland Deutsch mit Akzent, was dazu führt, dass sie als Ausländer bezeichnet werden. Sprechen sie hingegen Russisch, werden sie für Russen gehalten.
Auf Problematiken wie diese und viele weitere versucht der Film „Versöhnung über die Grenze“ von Rudolf Steiner und Erik S. Tesch, welcher nach Mike Mohrings Rede vorgeführt wurde, aufmerksam zu machen. Der Film zeigt einerseits die Geschichte der Deutschen aus Russland beginnend mit dem Einladungsmanifest Katharina II. und andererseits die Lebens- und Integrationsgeschichten von Aussiedlern die zurück nach Deutschland gekommen sind. Ab 1763 begannen tausende Deutsche mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Russland auszuwandern. Es wurden bis zu 300 Mutterkolonien in ganz Russland gegründet, die sich nicht nur selbst verwalteten, sondern auch kulturell und wirtschaftlich viel zu bieten hatten. Doch mit der Entstehung des deutschen Kaiserreichs wurde der Sonderstatus der Deutschen in Russland beendet. Es kam zu Russifizierungsmaßnahmen ab 1870 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Zuge des ersten Weltkrieges wurden die Russlanddeutschen als der innere Feind angesehen und es kam zu antideutschen Pogromen und Deportationen. Im zweiten Weltkrieg verloren sie schließlich alle Rechte und wurden teilweise auch in sowjetische Straflager deportiert. Nach dem zweiten Weltkrieg, besonders in der Stalinära, wurde der Deutschunterricht abgeschafft und es wurde den Russlanddeutschen verboten, Deutsch zu sprechen. Durch die Zerstörung der deutschen Kultur in der Stalinära kam es zu Aussiedlungen der Russlanddeutschen nach Deutschland. Doch durch das Verbot und den Verlust der deutschen Sprache verlernten viele Russlanddeutsche ihre Muttersprache, was dazu führte, dass sie sich in Deutschland nicht richtig selbstverwirklichen konnten und ihnen das Ankommen erschwerte. Zusätzlich zur Darstellung der Geschichte der Russlanddeutschen zeigte der Film aber auch Aussiedler, die sich in Deutschland erfolgreich ein neues Leben aufgebaut haben. Es wurden Beispiele aus ganz Deutschland gezeigt, in denen es die Russlanddeutschen geschafft haben sich nicht nur zu integrieren, sondern auch Firmen und Geschäfte aufzubauen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren und dabei auch die Interessen der Russlanddeutschen in Deutschland zu vertreten.
Nach der Filmvorführung folgte eine Diskussion geleitet von Marion Walsmann MdL mit Tamara Barabasch, Lilli Schäfer, Leiterin für deutsche Sprache und Literatur und Heinrich Zertik, Vorsitzender des Netzwerks Aussiedler der CDU-Deutschland und ehemalig erster Bundestagsabgeordneter der Deutschen aus Russland. Die Diskutanten verdeutlichten, dass die Russlanddeutschen immer wieder unter die Räder der Geschichte geraten seien und schwere Schicksale erleiden mussten. Jedoch ist die Kenntnis über die Geschichte der Russlanddeutschen und ihrer Lebensgeschichten in Deutschland nicht ausreichend, weshalb in der Diskussion gefordert wurde, dass der gezeigte Film in allen deutschen Schulen gezeigt werden solle. Allgemein wurde gefordert und gewünscht, dass die Geschichte der Russlanddeutschen besser vermittelt werde und mehr Anerkennung finden solle. Die Diskutanten erzählten von ihren persönlichen Erfahrungen während und nach ihrer Aussiedlung. Alle unterstrichen, dass Integration nur mit Fleiß und Willen gelingen könne. Gleichzeitig müsse an der Integration aber auf beiden Seiten gearbeitet werden. Lilli Schäfer berichtet von ihrer Aussiedlung nach Deutschland im Jahr 1993 und erzählte dem Publikum, dass die Aussiedlung in den 90er Jahren deutlich schwieriger gewesen sei als heute.
Die Diskutanten kritisierten, dass es für die Aussiedler kaum Möglichkeiten gab, in Deutschland in ihren alten Berufen zu arbeiten, da ihre Berufsqualifikationen oft nicht anerkannt wurden. Dennoch stand der Wunsch nach Arbeit und der Wille auf eigenen Beinen zu stehen im Vordergrund der Aussiedler, was nicht zuletzt dazu führte, dass sich die meisten dennoch ein gutes Leben in Deutschland aufbauen konnten.
Die Arbeit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V., für die sowohl Tamara Barabasch als auch Lilli Schäfer tätig sind, bestehe darin, die Kulturen und Traditionen der Deutschen aus Russland auch in Deutschland zu bewahren. Nicht zuletzt führte auch die Aufklärungsarbeit der Landsmannschaft dazu, dass ein Gefühl für Sprache entstanden sei und die Deutschen aus Russland als eben diese bezeichnet werden und eben nicht mehr als Russlanddeutsche. Eine weitere Tätigkeit der Landsmannschaft besteht darin, die Aussiedler in Deutschland zu unterstützen. Denn obwohl die meisten Aussiedler gut Deutsch sprechen, haben sie dennoch Schwierigkeiten mit der Beamtensprache. Deshalb unterstützt die Landsmannschaft die Aussiedler bei Besuchen auf Ämtern und dem Ausfüllen von Dokumenten. Zusätzlich bieten sie Sprachkurse an und arbeiten aktiv daran, ihre alten Traditionen nicht zu vergessen. Die Unterscheidung zwischen Aussiedlern und Spätaussiedlern gliedert sich nach der Aussiedlung nach Deutschland auf. So sind alle Deutschen aus Russland, die vor 1993 nach Deutschland gekommen sind, Aussiedler, während jene, die nach 1993 nach Deutschland gekommen sind, als Spätaussiedler bezeichnet werden.
Auch die Teilnehmer stimmten den Diskutanten zu, dass es besonders wichtig sei, ein Geschichtsbewusstsein, gerade bei den Kindern, zu entwickeln. Deshalb seien gerade Fragen wie „Wo komme ich her?“ und „Was sind meine Wurzeln?“ wichtig, denn sie führen zu Neugier und schließlich zu einem Geschichtsbewusstsein und der Sensibilisierung für einzelne Schicksale im Laufe der Geschichte. Die Diskutanten monierten allesamt die Rentengesetze, die zu massiven Rentenkürzungen und Altersarmut bei den Russlanddeutschen führten. Heinrich Zertik gestand Fehler der Politik ein, verdeutlichte aber auch gleichzeitig, dass die Politik aktiv daran arbeite, diese Fehler wieder auszugleichen. Tamara Barabasch beendete den Abend mit einem positiven Ausblick und der Aussage, dass mit der Zusammenarbeit aller Deutschen aus Russland die Integration in Deutschland auch weiterhin gut gelingen wird.
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