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„Orange“ zum Dritten: Neue Dreier-Koalition in der Ukraine gebildet

з Nico Lange
Am 9. Dezember 2008 wählte die ukrainische Werchowna Rada nach einer monatelangen Phase ohne Regierungskoalition und ohne Parlamentspräsidenten Wolodymyr Lytwyn zum neuen Sprecher des Parlaments. Mit seiner Wahl und der Bildung einer Koalition aus dem Block Julija Tymoschenko, der Fraktion Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes und dem Block Lytwyn nahmen die Entwicklungen mit dem nunmehr dritten Anlauf einer „orangen“ Koalition eine überraschende Wendung. Die Zeit der seit Anfang September herrschenden extremen politischen Unsicherheit und Spekulationen ist damit vorerst beendet. Die Etablierung der neuen Koalition und die Regierungsumbildung bergen jedoch weiterhin zahlreiche Unwägbarkeiten.

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Wolodymyr Lytwyn wurde zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt

Am 9. Dezember 2008 wählten die Abgeordneten der ukrainischen Werchowna Rada Wolodymyr Lytwyn mit 244 von 450 Stimmen zum Parlamentspräsidenten. Der neugewählte Sprecher und Nachfolger des am 12. November abgesetzten Arsenij Jazenjuk verkündete anschließend in seiner neuen Funktion die Bildung einer Koalition aus dem Block Julija Tymoschenko, der Fraktion Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes und dem Block Lytwyn.

Die vorhergehenden Plenarsitzungen waren immer wieder nach nur wenigen Minuten vertagt worden. Seit Wochen wurden intensiv Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen in Richtung aller rechnerisch möglichen Konstellationen geführt. In hektisch angesetzten Fraktionssitzungen hatten dann am Mittag des 9. Dezember die Fraktionen der beteiligten Blöcke der neuen Dreier-Koalition und damit gleichzeitig dem dritten Versuch einer „orangen“ Koalition zugestimmt. Ein Koalitionsvertrag und die Verteilung der Ministerposten im Rahmen der neuen Koalition stehen derzeit noch aus. Nach Aussagen aller beteiligten Fraktionen ist ein positiver Ausgang der Verhandlungen jedoch in Kürze zu erwarten.

Premierministerin Julija Tymoschenko wandte sich am 10. Dezember in einer Fernsehansprache an die ukrainischen Bürger und erklärte die parlamentarische Krise der Ukraine für beendet. Mit der Koalitionsbildung in diesem Format gelang Tymoschenko ein erneuter Triumph über ihre wichtigsten Gegenspieler Juschtschenko und Janukowytsch.

Die Bildung einer neuerlichen „orangen“ Koalition war eine überraschende Wendung

Die Formierung einer wiederum „orangen“ Regierungskoalition stellt eine überraschende Wendung der Ereignisse dar. Nachdem die Verhandlungen über eine Dreier-Koalition aus Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes, Block Julija Tymoschenko und Block Lytwyn im Herbst 2007 mehrfach gescheitert waren und die dann aufgestellte Koalition aus Nascha Ukraina und Block Tymoschenko im September 2008 aufgelöst worden war, galt zuletzt eine Verbindung Tymoschenkos mit der Partei der Regionen als am wahrscheinlichsten. Offensichtlich wurde die Möglichkeit einer solchen Koalition mit einer potenziell verfassungsändernden Mehrheit von mehr als 300 von 450 Stimmen im Umfeld des Präsidenten Juschtschenko als äußerst gefährlich wahrgenommen. Die letztlich zur Wahl Lytwyns und zur Bildung der Dreier-Koalition führende Dynamik entwickelte sich tatsächlich erst, nachdem die Formierung einer Koalition zwischen Tymoschenko und Janukowytsch bereits fast als sicher galt und ihre Verkündung für den Morgen des 9. Dezember erwartet wurde.

Für die Fraktion Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes gab es realistisch keine anderen Optionen als die erneute Koalition mit dem Block Julija Tymoschenko und mit Lytwyn. Das Zulassen einer Koalition zwischen Tymoschenko und der Partei der Regionen hätte die Gefahr von Verfassungsänderungen und einer dauerhaften Schwächung des Präsidentenamtes heraufbeschwört, wogegen insbesondere der Juschtschenko treue Teil der Fraktion ankämpfen musste. Vorgezogene Neuwahlen hingegen hätten nach jetziger Lage durchaus die Gefahr eines Scheiterns an der Drei-Prozent-Hürde bedeutet, was eine Koalitionsbildung insbesondere aus der Sicht des Juschtschenko abgewandten Teils der Fraktion zwingend erforderlich machte.

Der neue Parlamentssprecher Wolodymyr Lytwyn hatte sich zuvor trotz zahlreicher Avancen immer standhaft geweigert, einer Koalition beizutreten. Er vertritt einen Block seines Namens ohne erkennbares politisches Programm. Als langjähriger enger Vertrauter, Berater und Präsidialamtschef des ehemaligen Präsidenten Kutschma ist er allerdings ein gewiefter und mit allen Winkelzügen vertrauter Taktiker. Lytwyn hatte bereits von 2002-2006 das Amt des Parlamentspräsidenten inne. Seine ursprünglichen Kalkulationen waren darauf gerichtet, die seiner Ansicht nach geringe Lebensdauer des Parlaments der 6. Legislaturperiode ohne Koalitionsbindung auszusitzen, um bei folgenden Neuwahlen weiter an Zustimmung zu gewinnen und letztlich eine Präsidentschaftskandidatur aufzubauen.

Nach den Ereignissen der vergangenen Monate sieht Lytwyn aber offensichtlich bessere Chancen für sich selbst in der Koalition unter Nutzung der Tribüne des Parlaments für seine Person und vor allem ohne Neuwahlen, bei denen zahlreiche weitere kleinere Parteien in die Rada einziehen könnten und ihm seiner komfortablen „goldenen Aktie“ als umworbener Mehrheitsbeschaffer berauben könnten. Bezeichnenderweise spielten inhaltliche oder programmatische Überlegungen aus der Sicht Lytwyns bei der Koalitionsbildung keine Rolle.

Die Zeit der extremen politischen Unsicherheit der letzten Monate ist vorerst beendet

Die seit Jahren andauernde politische Dauerkrise der ukrainischen Politik erlebte seit dem 2. September 2008 eine erneute Zuspitzung, die mit der Wahl Lytwyns ihr vorläufiges Ende fand. Ausgangspunkt war die gemeinsame Abstimmung des Block Julija Tymoschenko mit der Partei der Regionen zur Einschränkung der Vollmachten des Präsidenten. Es folgten der Austritt von Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes aus der Koalition, die Auflösung des Parlaments und die Ansetzung von Neuwahlen. Der Erlass des Präsidenten zur Auflösung des Parlaments wurde später aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgesetzt und Versuche einer neuerlichen Koalitionsbildung unternommen. Schließlich entließ das Parlament im November den Parlamentspräsidenten Arsenij Jazenjuk, was zum vollständigen Verlust der politischen Handlungsfähigkeit führte.

Die Position des Parlamentspräsidenten ist in der Ukraine mit mehr Kompetenzen ausgestattet als in westlichen Demokratien. Der Sprecher der Werchowna Rada kann nicht nur Sitzungen eröffnen und die Tagesordnung beeinflussen. Vor allem muss er die beschlossenen Gesetze unterschreiben - eine Funktion, die seine Stellvertreter ausdrücklich nicht wahrnehmen können. Ohne Parlamentspräsidenten ist die ukrainische Legislative nicht arbeitsfähig.

Eben diese offensichtliche Unfähigkeit des politischen Handelns im Angesicht einer sich ausweitenden Finanz- und Wirtschaftskrise führte in den letzten Wochen zu erheblichem öffentlichen Unmut. Nur allzu deutlich waren die politischen Ränkespiele mit ihren fortwährenden Intrigen, Spekulationen und Talkshow-Einlagen zuletzt von den Sorgen der ukrainischen Bürger um den Kursverlust der Landeswährung, Überschuldung privater Haushalte und Unsicherheit der Arbeitsplätze entkoppelt.

Etablierung der neuen Koalition und Regierungsumbildung bergen weiterhin zahlreiche Unwägbarkeiten

Auch wenn die neue Koalition am 9. Dezember durch Lytwyn bereits offiziell im Parlament ausgerufen wurde, bergen die kommenden Tage und Wochen noch zahlreiche Unwägbarkeiten. Die bereits erwähnte Spaltung der Fraktion Nascha Ukraina - Selbstverteidigung des Volkes wurde mit der handstreichartigen Koalitionsbildung auf die Spitze getrieben, da die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Borys Tarasjuk (Nationale Ruch) und Taras Stezkiw (Selbstverteidigung des Volkes) ganz offensichtlich den Fraktionschef und engen Vertrauten Juschtschenkos Wjatscheslaw Kyrylenko (Volksunion Nascha Ukraina) ausmanövrierten.

Das legale Verfahren einer Koalitions- und Regierungsbildung in der aktuellen Situation ist unklar. Formal war die Werchowna Rada bereits rechtsgültig aufgelöst, nachdem innerhalb von 30 Tagen nach dem Ende der Regierungskoalition keine neue Koalition gebildet worden war. Der Erlass des Präsidenten zur Auflösung des Parlaments wurde zwar ausgesetzt, schwebt aber weiter über der aktuellen Lage. Auch ist derzeit ungeklärt, ob das formale Verfahren einer Regierungsbildung nach Unterschreiben des Koalitionsvertrags mit einer erneuten Wahl des Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten durchlaufen werden muss oder ob die aktuelle Regierung Tymoschenko nur eine Umbesetzung einzelner Kabinettsposten vornehmen wird.

Der Druck auf die politisch Handelnden hat sich jedoch in den vergangenen Wochen enorm vergrößert. Der Internationale Währungsfond wird die nächsten Tranchen des vereinbarten Notkredits an die Ukraine nur auszahlen, wenn entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen worden sind. Der erwähnte Unmut in der öffentlichen Meinung wird täglich größer, insbesondere weil Wechselkursentwicklung, der Druck der meist in Dollar aufgenommen Privatkredite und die Arbeitsmarktsituation sich aktuell deutlich spürbar zuspitzen. Versuche eines weiteren Störfeuers oder einer erneuten Blockade der gerade gebildeten Koalition hätten vermutlich fatale Auswirkungen auf alle beteiligten politischen Akteure.

Die durch Präsident Juschtschenko ursprünglich für Dezember 2008 angesetzten und immer wieder verschobenen Neuwahlen des Parlaments werden vor diesem Hintergrund kaum mehr stattfinden. Alle großen Parteien haben zuletzt rapide an Zustimmung verloren und dürften an einem kurzfristigen Urnengang kein Interesse mehr haben. Die Einigung auf einen neuen Parlamentssprecher und die Formierung der Regierungskoalition erfolgten ungeordnet, nach verbissenen Machtkämpfen und beinahe widerwillig, aber letztlich doch innerhalb der demokratischen Institutionen der Ukraine.

Nach drei Monaten extremer politischer Unsicherheit besteht Anlass zur Hoffnung auf relative Stabilität bis zu den Präsidentschaftswahlen Anfang 2010 und Kompromissfindung vor allem zur Bekämpfung der sich abzeichnenden erheblichen wirtschaftlichen Probleme des kommenden Jahres.

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