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Veranstaltungsberichte

Parteiendemokratie und Parteiverbot

2. KOREANISCH-DEUTSCHER ROUNDTABLE "GRUNDFRAGEN DES STAATSRECHTS"

Am dritten und letzten Tag des Rechtsstaatssymposiums 2014 der Law School der Korea-Universität und der Konrad-Adenauer-Stiftung (Auslandsbüro Korea) waren „Parteiendemokratie und Parteiverbot“ Gegenstand des wissenschaftlichen Austauschs. Hierbei standen vor allem die Unterschiede in den Parteienlandschaften Deutschlands und Südkoreas sowie die Repräsentation von Minderheiten bzw. diversen Ideologien im Fokus.

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Sollen Ideologien, die sich am äußeren Rand von rechtsstaatlichen Werten befinden, in Parteien ausgelebt oder unterdrückt werden? Des Weiteren stieß das zum Veranstaltungszeitpunkt noch schwebende Parteiverbotsverfahren gegen die koreanische UPP-Partei bei den deutschen Experten auf großes Interesse, auch im Hinblick auf Koreas Umgang mit als solchen klassifizierten extremistischen Parteien.

Wesenszüge der deutschen Parteiendemokratie

Dr. Heike Merten (Universität Düsseldorf) referierte über das Thema „Funktionsbedingungen politischer Parteien in der Mehrparteiendemokratie“. In Deutschland sei das tragende politische Prinzip die Volkssouveränität. Politische Entscheidungsfindung solle damit von den durch die Bürger gewählten Repräsentanten vollzogen werden. Somit würden Sachentscheidungen vom Volk indirekt mitbestimmt. Das Volk solle jedoch nicht nur in Form von Wahlen an der Politikgestaltung teilhaben können, sondern auch in Form von nichtstaatlichen Organisationen. Die wichtigste Organisation stellten die politischen Parteien dar, durch die es einen freien politischen Wettbewerb gebe und die die Demokratie letztendlich erst möglich machen würden. Die Parteiengründung sei frei und müsse lediglich den demokratischen Grundsätzen entsprechen. Jeder Bürger habe das Recht, einer einzelnen Partei beizutreten und Politik aktiv mitzugestalten. Jede Partei werde in Deutschland gleich behandelt, jedoch liege eine abgestufte Chancengleichheit vor, das heißt, dass Parteien mit mehr Wählerstimmen mehr Sendezeit für Werbezwecke erhalten und auch eine höhere Wahlkampfkostenerstattung gestellt bekommen würden. Da Parteien auf die öffentliche Meinung wirken, sollen sie transparent sein und den Bürgern es ermöglichen, laufend auf die Politikgestaltung Einfluss nehmen zu können. Mitglieder sollten also die wesentliche Ressource einer Partei darstellen.

Als zweite Referentin informierte Dr. Şeyda Emek über das „Parteiverbot nach dem Grundgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte“. In Deutschland seien Parteien verboten, die die freiheitlich demokratische Grundordnung beeinträchtigten. Über das Verbot einer Partei dürfe allerdings nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden, um einem möglichen Missbrauch vorzubeugen. In der Geschichte der Bundesrepublik seien bis heute zwei Parteien verboten worden: zum einen die Sozialistische Reichspartei (SRP), eine Nachfolgepartei der NSDAP, im Jahr 1952 sowie die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) im Jahr 1956.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befasse sich mit dem Parteiverbot, und bei insgesamt 16 Verfahren habe er bislang drei Parteien verboten. Bei Verbotsverfahren nehme er eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, und anders als im Falle von Verbotsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland werde bei den Parteien der sogenannte „clear and present danger test“ angewandt, ein Prüfungsmaßstab für das Verbot bestimmter Meinungsäußerungen.

Benachteiligung kleiner Parteien oder Chancengleichheit?

In der anschließenden Fragerunde ging es besonders um die Finanzierung der Parteien. Anders als in Deutschland gebe es in Korea keine Möglichkeit für die Parteien, sich wirtschaftlich zu betätigen und auf diese Weise Geld zu generieren. Auch die Frage der Chancengleichheit stieß bei den Koreanern auf Unverständnis: Sei es Chancengleichheit, wenn den Parteien nicht die gleichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen würden? Dr. Merten ging hierbei noch einmal vor allem auf das Thema der „abgestuften Chancengleichheit“ ein. Bei den Wahlen bekämen die Parteien für jede Stimme, die sie erhalten, Geld. Um den kleinen Parteien ein wenig entgegenzukommen, werden für die ersten Stimmen, die sie erhalten, Aufschläge erhoben. Eine größere Problematik sei eher die Finanzierung der Abgeordneten, die quasi in eigener Sache entscheiden würden, wie viel Geld ihnen zustehe.

Probleme der Parteiendemokratie in Korea

Am Nachmittag referierten Dr. Jeong-In Yun und Dr. Jae-Hee Lee (beide von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Korea-Universität). Dr. Yun trug ihr Paper zu „Je mehr kleine Parteien, desto besser die Demokratie? – Die Funktion und die Grenzen der kleinen Parteien in der Parteiendemokratie“ vor. Für Dr. Yun ist die Existenz kleiner Parteien sehr wichtig, denn durch sie sei es möglich, dass jeder Wähler eine Partei finden könne, die seinen Vorstellungen und Einstellungen am meisten entspreche. In Korea gebe es zwei große Parteien. Seit längerer Zeit versuche eine dritte Kraft, sich zu etablieren, was aber nicht gelänge, jedoch für den politischen Wettbewerb sehr wichtig wäre. Parteien seien für die Vermittlung des politischen Willens der Bevölkerung da, schließlich sei das der Kern der Demokratie. Ein großes Parteienspektrum sei wichtig, damit alle Interessen der Bürger vertreten werden könnten. Wenn dies nicht der Fall sei, könne die Meinungsvielfalt der Bürger nicht ausreichend repräsentiert werden. Auch wenn sie nicht im Parlament vertreten sein sollten, hätten Parteien eine große Bedeutung, da sie die Meinungsvielfalt der Bürger vertreten würden. Dr. Yun sprach sich gegen ein Parteiverbot aus; es solle nur angewandt werden, wenn Gewalt vorliege, die direkt von dieser Partei ausgehe. Nach ihrer Meinung können sich aus einer Ideologie nicht gleich extremistische und gewaltbereite Züge erkennen lassen. Eine Konsolidierung einer dritten Partei und der Schutz der kleinen Parteien seien die zentralen Punkte für eine erfolgreiche demokratische Zukunft des Parteiensystem und damit der Demokratie.

Dr. Lee referierte im Anschluss über „Der Ausnahmecharakter und die Grenzen bei der Auflösung politischer Parteien in Korea“. Frau Lee sprach sich grundsätzlich gegen Parteiauflösungen aus, auch gegen das in Korea laufende Verfahren gegen die Unified Progressive Party (UPP), die angeblich pro-nordkoreanisch eingestellt sei. Mit ihrer Auflösung würden Werte der eigenen Bevölkerung ausgeschlossen werden. Dies zeige, dass das System der Parteiauflösung, vor allem in Korea, kein demokratisches Verfahren sei. In der Geschichte Koreas sei es häufiger als starkes Sanktionsmittel benutzt worden. Es sei kein Mittel einer wehrhaften Demokratie, sondern man müsse sich mit allen Kräften an einen Tisch setzen können. Es gebe überhaupt keinen Grund, die UPP aufzulösen, da Nordkorea an sich kein kommunistisches Land sei, sondern eher ein Diktaturregime. Die Demokratie in Korea habe sich noch nicht so gut entwickelt wie beispielsweise in Deutschland, was sich insbesondere auch an der Gesellschaft beobachten lasse. Ein charismatischer Führer könne im Handumdrehen das Volk auf seine Seite reißen, weswegen auch immer eine Gefahr des Extremismus bestehe. Nach Dr. Lee sollten Parteien nur in äußersten Notfällen verboten werden, beispielsweise wenn sie Gewalt anwenden.

Verbot oder Toleranz: Wie soll mit demokratiefeindlichen Parteien umgegangen werden?

Nach den Vorträgen folgte eine Abschlussdiskussion der deutschen und koreanischen Referenten. Zum Parteiverbot äußerten sich die deutschen Experten, wie auch ihre beiden koreanischen Vorrednerinnen, z.T. kritisch und sahen es als Ultima Ratio. Eine funktionierende Demokratie müsse auch ablehnende Kräfte aushalten und daher solche Parteien auch tolerieren. Der Grundtenor bei den deutschen Juristen lautete, dass es genügend Maßnahmen gebe, Parteien zu beschränken und Aktivitäten einer Partei regulieren zu können. Rechtsextreme Parteien in Deutschland würden aufgrund der Historie sehr kritisch beäugt werden würden; nach Artikel 21 des Grundgesetzes gebe es einem „Alles oder Nichts-Mechanismus“, weswegen diese Bestimmung einer dringenden Modifizierung bedürfe. Einzelne deutsche Experten hielten ein Verbot grundsätzlich für unverhältnismäßig wie beispielsweise im Falle der NPD, von der keine direkte Gefahr ausgehe. Die Partei nehme aufgrund weniger Wählerstimmen nicht ernsthaft am politischen Prozess teil. Zum Verbotsverfahren der NPD im Jahr 2003 wurde erläutert, dass aufgrund der Tatsache, dass damals höhere Positionen in der NPD mit Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes besetzt gewesen wären, das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren und eine inhaltliche Prüfung nicht habe aufnehmen können, weil die Zulässigkeit der Beweismittel fraglich gewesen sein. Für ein Verbotsverfahren in Deutschland müsse der Staat jedoch Beweise vorbringen, warum eine Partei verboten werden sollte.


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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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