Asset-Herausgeber

von Rita Anna Tüpper

Asset-Herausgeber

Den Haag steht erstmals ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor einem Tribunal der Vereinten Nationen. Und so sehr Carla del Ponte auch auf die persönliche kriminelle Verantwortung Milosevics abheben muss, so deutlich tritt zugleich die Menschenverachtung eines diktatorischen Systems zutage, das jenes ungeheure Ausmaß der Verbrechen mit 250000 Todesopfern möglich machte.

Die persönliche Verantwortung des Diktators ist nicht zu trennen von der Tatsache, dass er der letzte kommunistische Machthaber Europas war, der seine Zuflucht in Nationalismus und ethnischen Säuberungen suchte. Das Verfahren gegen ihn könnte der Anstoß dazu sein, einen Internationalen Strafgerichtshof dauerhaft zu etablieren. Damit wäre es auch ein Übergang in eine Zeit, in der sich die politische Macht konsequent vor einer globalisierten dritten Gewalt institutionell zu verantworten hätte. Bei aller Problematik der weltweiten Vernetzung darf dieses wesentliche Movens, die allgemeingültige und strafbewährte Durchsetzungsfähigkeit von Menschenrechten und Freiheitsansprüchen, nicht aus dem Blick geraten.

Mit Milosevic steht neben der Menschenverachtung und ihrer totalitären Ausprägung in Kommunismus und Nationalismus die Realitätsverleugnung gegen über der „Einen Welt" am Pranger. Hinter sie führt kein Weg in die splendid isolation zurück, wie auch der erfolgreiche Kampf gegen die Taliban und EI Kaida deutlich macht.

Heinz Theisen zeigt auf, wie beschränkt der Blick auf die rein ökonomische Dimension des Vernetzungsprozesses ist. Die Erschließung von neuen Märkten und die Beschleunigung von Fusionen und Transaktionen sind vielmehr Teil eines immer schon angestrebten und heute in atemberaubendem Ausmaß möglich gewordenen und fortschreitenden Austausches in allen Lebensbereichen und über alle begrenzten Horizonte hinweg. Als transnationales Modell sollte Europa sich gestaltend an die Spitze dieses Prozesses stellen, der schließlich – so Norbert Walter – von ihm ausging und dessen maßgeblicher Nutznießer es ist. Eine umsichtige Deregulierung käme schließlich den Entwicklungsländern zugute, für die die Europäer Mitverantwortung tragen.

Das Gericht über die grausamen Relikte der letzten kommunistischen nationalistischen Herrschaft in Europa ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere heißt volle weltpolitische Verantwortung Europas für die Zukunft. Der Kontinent muss sich aus seiner Lähmung einer „Weltmacht im Wartestand“ (Friedbert Pflüger) befreien. Als gleichberechtigter Partner und Korrektiv der amerikanischen Außenpolitik ist er heute mehr gefragt denn je.

Indessen leistet sich die Bundesrepublik unter Bundeskanzler Schröder erneut eine egozentrische Europapolitik und mit der Duldung der Regierungsbeteiligung der PDS in der Bundeshauptstadt Berlin (insbesondere in Gestalt des Wirtschaftssenators und Globalisierungsgegners Gysi) einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Denkkategorien von „Basis" und „Überbau".

Insofern gehört auch das Thema PDS, ihre Programmatik, ihr Imagewechsel und ihre Verniedlichung im Westen in den Kontext der Wahrnehmung oder Leugnung der globalen Verantwortung Europas und der Auseinandersetzung mit seiner kommunistischen Vergangenheit.

-----

Rita Anna Tüpper, Redakteurin

comment-portlet