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„Israelkritik“ – eine neue Antisemitismus-Variante?

Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung in Oldenburg über Antisemitismus

Dass diese Frage - leider – mit einem „Ja“ zu beantworten sei, darin waren sich die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion „„Alter“ Antisemitismus in neuen Schläuchen – Was tun gegen ein fast unausrottbares Phänomen?“ einig. Neben den allseits bekannten und erforschten Formen des Antisemitismus wiesen sie vor allem auf die Gefährlichkeit eines neuen Antisemitismus-Phänomens hin, der sich mehr oder weniger geschickt in einer z.T. perfiden Kritik am Staat Israel versteckt.

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In ihrer Einführung machte die CDU-Bundestagsabgeordnete Barbara Woltmann deutlich, dass die antisemitischen Vorfälle unser gesamtes demokratisches Wertesystem bedrohe und zeigte sich schockiert angesichts des latent vorhandenen antisemitischen Potenzials, das die Wissenschaft auf ca. 20 Prozent der Bevölkerung schätzt. Der Deutsche Bundestag habe hierauf richtig reagiert, eine Expertenrunde damit zu beauftragen, einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln, um diesem Phänomen besser entgegen treten zu können. Dieser Bericht ist inzwischen erschienen und umfasst ca. 50 Einzelmaßnahmen. Diese Arbeit soll kontinuierlich weitergeführt werden. Aber schon jetzt sei klar, dass das Problem nur durch eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung anzugehen sei.

Dr. Olaf Kistenmacher von der Gedenkstätte Neuengamme konzentrierte sich auf den zu oft verkannten Antisemitismus „der Linken“, der sich bereits im 19. Jahrhundert bei den französischen Frühsozialisten nachweisen lässt und sich dann explizit bei Karl Marx in seinem Aufsatz „Zur Judenfrage“ (1843) und entsprechenden Passagen in seinem Epos „Das Kapital“ wiederfindet. Eine besondere Wirkung entfaltete der linke Antisemitismus sich nach dem 2. Weltkrieg, als – in Analogie zum Antisemitismus der Nazis – in seiner spezifischen Kapitalismus- und Imperialismuskritik, der sich vor allem am „kleinen und großen Satan“, also an Israel und den USA, abarbeitete. Die arabische Niederlage im Sechstagekrieg von 1968 führte bei den Linken dann endgültig zu einer radikalen Abkehr von Israel. Die Besetzung des Westjordanlandes hatte im Bewusstsein der Linken aus dem israelischen David einen Goliath gemacht. Jetzt waren die Juden waren nicht mehr Opfer, sondern wurden plötzlich zu Tätern. Vor diesem Hintergrund erläuterte er das Phänomen, das als „sekundären Antisemitismus oder Schuldabwehr-Antisemitismus bezeichnet wird. Damit bezeichne man eine Form subtiler Judenfeindlichkeit, die nach dem Holocaust und in Reaktion auf ihn bei uns entstand. Dieser speise sich aus Gefühlen der Scham und der Abwehr eines Eingeständnisses der im Namen der eigenen Nation begangenen Verbrechen. Dazu wird oft Pauschalkritik am Staat Israel in Form von NS-Vergleichen geübt und als Antizionismus ausgegeben. Sekundärer Antisemitismus sei demnach ein „Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“.

Besonders hart ging der israelische Deutschlandkorrespondent Daniel Dagan mit den deutschen Medien ins Gericht. Er warf ihnen vor, mit einer z. T. falschen oder zumindest irreführenden Berichterstattung über Israel dem wachsenden Antisemitismus Vorschub zu leisten und machte dies an einer ganzen Reihe von Beispielen deutlich. So sprächen z.B. die deutschen Korrespondenten, dass „der Gazastreifen hermetisch abgeriegelt“ sei, obwohl dies angesichts einer Grenze zu Ägypten von ca. 15 km offenkundig Unfug sei. Auch sei immer wieder vom „Nahost-Konflikt“ die Rede, wenn eigentlich der arabisch-israelische Konflikt gemeint sei. Auch sei verwunderlich, dass dieser in den deutschen Medien einen so hohen Stellenwert genieße, angesichts der dramatischen und weitaus blutigeren Konflikte in der Region, in Syrien, im Irak und im Jemen. Unabhängig davon hätten ihn die sommerlichen Demonstrationen in Berlin aufgeschreckt, die er selbst miterlebte. Die Sprechchöre „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ seien nicht nur allein von Arabern skandiert worden, sondern auch von vielen Linken. Und das unter den Augen und Ohren von hunderten von Polizisten, die nicht eingegriffen hätten. Das sei nur verständlich, wenn man davon ausgehe, dass das gesellschaftliche Umfeld es einfach zugelassen hätte.

Thomas Volk, Koordinator Islam und Religionsdialog der Konrad Adenauer Stiftung, verwies zunächst darauf, dass 98 % der Muslime ihre Religion vollkommen friedlich ausleben. Für die restlichen zwei Prozent Anhänger fundamentalistischer und islamistischer Ausprägung bilde der Antisemitismus ein Kernpunkt ihrer Religionsideologie. Schon der Gründer der Muslimbrüderschaft Hassan Al-Bann grub alles aus, was Mohamed jemals gegen die Juden gesagt hatte und dessen geistiger Ziehvater, der syrische Salafist Rachid Resa, sprach von einer Weltverschwörung, die die Juden angeblich planten. Von dort war es dann nur noch ein kleiner Schritt zum Schulterschluss des Muftis von Jerusalem Al-Husseini im 2. Weltkrieg mit den Nazis. Einen weiteren Schub erhielt der islamistische Judenhass dann 1950 durch die Schrift „Unser Kampf mit den Juden“ des Vordenkers der Muslimbrüder, Sayyid Qutb, in der er den Hass gegen die Juden in der arabischen Welt in eine neue Dimension steigerte. Schwerer verständlich – so Thomas Volk – sei der zunehmende Antisemitismus unter jungen Muslimen zu verstehen, die mit dem arabisch-israelischen Konflikt nichts zu tun hätten. Wenn auf deutschen Straßen – aber auch in London, Kopenhagen oder Malmö – die gleichen Jugendlichen antisemitische Vorurteile pflegten und von der Vernichtung der Juden träumten, dann zeigten diese, wie weit der Hass auf die Juden im Besonderen und „dem Westen“ im Allgemeinen gediehen sei.

Vor diesem Hintergrund – so Jehuda Wältermann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeine zu Oldenburg – sei es wenig verwunderlich, dass die antisemitischen Vorfälle in jüngster Zeit zunähmen. Dabei zeigte er sich enttäuscht von der vergleichsweise geringen Gegenwehr der deutschen Gesellschaft. Auch zeigte er sich sehr verwundert über einige Tendenzen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte, die z.B. einen Molotowcocktail-Angriff muslimischer Jugendlicher auf eine Synagoge einfach als legitime Kritik an Israel umdeuteten. Auf die Frage des Moderators, ob und wie unter den gegenwärtigen Umständen jüdisches Leben in Deutschland und auch in Oldenburg möglich sei, entgegnete Wältermann, dass dies natürlich „möglich“ sei. Das sei aber nicht die Frage, sondern die darnach, unter welchen Umständen dies möglich sei. Seit dem Jahr 2000 – dem Beginn der zweiten Intifada – hätten sich diese jedenfalls – auf niedrigem Niveau – nicht verbessert, im Gegenteil.

Am Ende waren sich die Diskutanten jedenfalls in der Einschätzung einig, dass die notwendige wenngleich noch nicht hinreichende Voraussetzung für Erfolge im Kampf gegen den Antisemitismus sei, eine umfassende und gründliche Analyse und Aufklärung aller Formen dieses Phänomens zu unternehmen und dabei vor allem die Jugend in die Pflicht zu nehmen.

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