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Litauens Kommunalordnung

von Dr. Andreas von Below, Raimundas Pilkis

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Litauens Kommunalordnung

 

 

Litauen hat insgesamt ca. 3,5 Mio. Einwohner. Die Fläche des Landes beträgt 65.300 qkm. Die Bevölkerungsdichte liegt dementsprechend bei ca. 54 Personen pro qkm.

 

Das Land besteht aus 10 Regierungsbezirken, die nach den größten Städten im jeweiligen Bezirk benannt sind. Das Oberhaupt in jedem Bezirk ist ein Regierungspräsident, der für dieses Amt auf den Vorschlag des Ministerpräsidenten von der Regierung des Landes bestellt und entlassen wird. Der Regierungspräsident ist gegenüber dem Ministerkabinett rechenschaftspflichtig. Seine wichtigsten gesetzlich festgelegten Aufgaben sind folgende:

 

1)Umsetzung der Regierungspolitik in Bereichen wie regionale Entwicklung, soziale Fürsorge, Bildung, Kultur, Gesundheitsschutz, Raumplanung, Bodenverwaltung, Umweltschutz etc..

 

2)Koordinierung der Aktivitäten der in seinem Bezirk befindlichen Regierungsinstitutionen insbesondere bei der Umsetzung von verschiedenen Programmen zur regionalen Entwicklung.

 

3)Weichenstellung und Erarbeitung von Programmen zur Entwicklung seines Verwaltungsbezirkes.

 

 

Die Amtszeit der Regierungspräsidenten ist zeitlich nicht beschränkt. Ihre Dauer hängt allerdings von den Schwankungen der politischen Konjunktur ab. Wenn sich nach den Parlamentswahlen die Mehrheitsverhältnisse geändert haben und eine neue Partei bzw. eine Koalition mit der Bildung der neuen Regierung beauftragt wurde, so werden kurz danach normalerweise auch die Regierungspräsidenten der Bezirke ausgewechselt. Aus diesem Grund werden die Ämter der Regierungspräsidenten entweder von den Mitgliedern der Regierungsparteien, oder von den ihnen nahe stehenden Personen bekleidet.

 

Die Regierungsbezirke gliedern sich auf der tieferen Ebene der litauischen Kommunalordnung in 60 kreisfreie Städte und Kommunalkreise, die ihrerseits aus insgesamt 526 Gemeinden und Ortschaften (in den Städten) bestehen. Die größten Städte sind die Hauptstadt Vilnius (ca. 550 000 Einwohner), die zweitgrößte Stadt Kaunas (ca. 370 000 Einwohner) und die Ostsee-Hafenstadt Klaipeda (Memel) mit ca. 190 000 Einwohnern.

 

Die Bürgervertretungsgremien heißen in Litauen Stadt- und Kreisräte. Ihre Wahlen finden alle vier Jahre statt. Die Mitglieder der Stadt- und Kreisräte werden über die von den politischen Parteien des Landes zusammengestellten Kandidatenlisten gewählt. Nach den jüngsten Änderungen des Wahlrechts dürfen nun auch die ausländischen Staatsangehörigen, die ihren ständigen Wohnsitz in Litauen angemeldet haben in die Bürgervertretungen gewählt werden. Die letzten Kommunalwahlen fanden am 22. Dezember 2002. Als Sieger ging daraus die regierende sozialdemokratische Partei mit 21 Prozent der Wählerstimmen und 332 Mandaten hervor.

 

Von den Mitgliedern der Stadt- und Kommunalräte werden die Stadtbürgermeister und Landräte gewählt. Sie haben zwar die hochrangigsten Posten in den Städten und Kreisen inne, sind aber für den täglichen Ablauf des Geschäftsbetriebes nicht direkt zuständig. Dies ist die primäre Aufgabe der Verwaltungsdirektoren der jeweiligen Kommune, die für dieses Amt auf den Vorschlag des Bürgermeisters bzw. Landrats von dem Stadtrat ernannt werden. Die Verwaltungsdirektoren sind wiederum gegenüber dem Bürgermeister oder Landrat rechenschaftspflichtig.

 

Die Gemeindeebene in Litauen hat keine gewählte Bürgervertretung. Die Gemeinden und Ortschaften des Landes werden von den Gemeinde- bzw. Ortschaftsvorstehern regiert, die ihrerseits im Rahmen eines Ausschreibung-Verfahrens von den Verwaltungsdirektoren der Städte und Kreise bestellt und entlassen werden. Für die Erleichterung der Arbeit auf der Gemeindeebene ist die Bildung ehrenamtlicher Gemeinderäte als Beratungsorgan gesetzlich vorgesehen. Wegen des mangelnden oder manchmal auch gar fehlenden Selbstbewusstseins der Gemeindemitglieder wird es von dieser Möglichkeit allerdings bislang so gut wie nie Gebrauch gemacht.

 

 

Zuständigkeiten und Haushaltsverfassung der litauischen Kommunen

 

Die Zuständigkeiten und Funktionen der litauischen Kommunen lassen sich nach dem Freiheitsgrad ihrer Beschlussfassung in vier folgende Bereiche aufteilen:

 

1) Selbständige Funktionen. Dazu zählen die Aufstellung und Annahme des kommunalen Haushaltes, die Unterhaltung von Kindergärten und sozialen Einrichtungen, informelle Erwachsenenbildung, Beteiligung bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung etc.

 

2) Eingeschränkt selbständige Funktionen, die unter Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Umstände auszuüben sind. Dazu zählen die Organisation von Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene; Erbringung von sozialen Dienstleistungen und Sozialhilfe; Erarbeitung und Umsetzung von kommunalen Gesundheitsschutzprogrammen; soziale, wirtschaftliche und Infrastrukturplanung; Bewirtschaftung von Kommunalen Abfällen; Straßenbau und -pflege etc.

 

3) Von der Regierung delegierte Funktionen wie z. B. Erfassung von standesamtlichen Eintragungen, Verwaltung von öffentlichen Registern; Organisation der Feuerwehrbereitschaftsdienste; Beteiligung an der Organisation von Wahlen; Aufteilung der Quoten für Landwirtschaftsproduktion etc.

 

4) Anderweitige Funktionen wie z. B. die Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen bzw. die öffentliche Verwaltung wird von den Kommunen auf der Grundlage der mit den staatlichen Einrichtungen und Behörden abgeschlossenen Verträge ausgeübt.

 

Die wichtigsten Quellen für die Haushaltseinnahmen der Städte und Kreise bilden in Litauen ähnlich wie in Lettland und Estland die Einkommenssteuer, Vermögenssteuer und einige andere lokale Steuer sowie die staatlichen Zuwendungen. Die Aufteilung der Haushaltsausgaben lässt sich an dem unten angeführten Beispiel der Hauptstadt Vilnius aus dem Jahr 2003 am besten darstellen:

 

Bildung 50%

Gesundheitswesen und Soziales9%

Wohnungs- und Kommunalwirtschaft 12%

Verwaltung3,5%

Andere 25,5%

 

 

 

 

 

Die wichtigsten Probleme und ihre Lösungsansätze

 

Die wichtigsten Probleme in den litauischen Städten, Kreisen und Gemeinden sind denen in Lettland und Estland verblüffend ähnlich. Das Entwicklungsgefälle zwischen der Hauptstadt Vilnius und den restlichen Regionen des Landes, obwohl nicht so deutlich ausgeprägt wie in den anderen zwei baltischen Nachbarländern, weist steigende Tendenzen auf. Dies ist grundsätzlich durch ein größeres Investitionsvolumen, bessere Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu erklären. Deswegen versucht insbesondere die junge Generation nach dem Studiumsabschluss unbedingt in Vilnius oder in den anderen zwei größeren Städten wie Kaunas und Klaipeda Fuß zu fassen und kehrt nicht in ihre Heimatorte bzw. andere Regionen zurück wie es noch vor 1990 der Fall war.

 

Die Finanzierungsprobleme der Kommunen sind ebenfalls nicht zu übersehen. Die Finanzmittel für Städte und Kreise werden von diesen nicht selbständig eingenommen, sondern aus dem öffentlichen Haushalt zentralisiert überwiesen, daher kommen sie nicht immer rechtzeitig an. Darüber hinaus reichen sie meistens auch nicht aus, insbesondere wenn die Kommunen mit der Ausübung von zusätzlichen Funktionen von der Landesregierung beauftragt werden, deren Finanzierung im Voraus nicht gesichert ist.

 

Des Weiteren ist auf eine spürbare Distanzierung zwischen den Bürgern und den kommunalen Verwaltungsbehörden hinzuweisen. Besonders deutlich kommt es auf der Gemeindeebene zum Vorschein, wo es keine gewählte Bürgervertretung gibt. In diesen Zusammenhang wird es bereits seit einigen Jahren über die Einführung von direkten Wahlen der Stadtbürgermeister, Landräte und Gemeindevorsteher diskutiert, für die Unternehmung von konkreten Maßnahmen in diesem Bereich ist aber der politische Wille nach wie vor nicht gegeben.

 

Nicht zuletzt sind die unzureichenden administrativen Kapazitäten zu erwähnen, die in dem jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission vor dem Beitritt Litauen zur Europäischen Union als ein gravierendes Problem hervorgehoben wurde. Teilweise dadurch ist der verhältnismäßig große Nachholbedarf bei einem Großteil der kleineren litauischen Regionen zu erklären, deren lokale Regierungen nicht imstande sind eine qualifizierte Lösung der aktuellen Verwaltungsaufgaben beizubringen und dadurch ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität der Bürger zu leisten.

 

Eine Rechtsgrundlage für die Lösung der o.e. Probleme der litauischen Regionalpolitik ist bereits seit einigen Jahren ins Leben gerufen worden. Ungeachtet dessen sind ihre Umsetzungsmethoden noch nicht endgültig beschlossen. Die nationale Regionalpolitik ist in die anderen Bereiche der öffentlichen Politik nicht ausreichend integriert worden, so dass es bei ihrer Umsetzung an Inhalt, Komplexität und Konsequenz mangelt. Die Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Selbstverwaltungsinstitutionen und den zuständigen Behörden der zentralen Landesregierung funktioniert bei der Implementierung der öffentlichen wirtschaftlichen und sozialen Politik bei weitem nicht einwandfrei.

 

Alle diese Aspekte sind im Zusammenhang mit der Auswirkung der künftigen Investitionen aus den EU-Strukturfonds auf die Reduzierung der Entwicklungsgefälle zwischen den einzelnen litauischen Regionen als besonders wichtig zu betrachten. Eine lobenswerte Vorbereitungsarbeit wurde auf diesem Gebiet unter anderem auch mit Hilfe der Bundesrepublik Deutschland geleistet. Deutsche Experten waren im Rahmen des TRANSFORM-Programms nicht nur an den allgemeinen Beratungen des litauischen Kommunalverbandes (= litauischer Städtetag) beteiligt, sondern nahmen an der Umsetzung einer Reihe weiterer PHARE- und GTZ-Projekte teil, die sich auf kommunalpolitisch relevante Themen bezogen.

 

Es ist durchaus sinnvoll und gar notwendig eine solche Zusammenarbeit auch nach dem Beitritt Litauens zur EU aufrecht zu erhalten. Die kommunalpolitischen Fragen sollen auch für die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. bei der Entfaltung ihrer weiteren Aktivitäten in der baltischen Region eines der Schwerpunktthemen bleiben.

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