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Länderberichte

Kardinal Bertone in Belarus

Der Besuch von Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone in Belarus war die erste hochrangige Visite eines Vertreters des Heiligen Stuhls im Land. Bei den Gesprächen in Minsk und in den Regionen ging es auch um ein bilaterales Abkommen zwischen dem Vatikan und Belarus. Staatspräsident Lukaschenko lud überraschend Papst Benedikt XVI. nach Belarus ein.

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Zu Beginn seines offiziellen fünftägigen Staatsbesuches in Belarus wurde Kardinal Bertone am Flughafen in Minsk mit militärischen Ehren begrüßt. Anschließend besuchte er ein von der Caritas betriebenes Zentrum für krebskranke Kinder in der Nähe der Hauptstadt. Während seines Aufenthaltes im Land traf Kardinal Bertone mit Präsident Lukaschenko, Außenminister Martynow, dem Regierungsbevollmächtigten für religiöse Fragen, Leanid Gulaka, sowie mit dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche in Belarus, Metropolit Filaret, zusammen. Weiterhin standen ein Vortrag an der Belarussischen Staatsuniversität sowie eine Messe in der katholischen Kathedarale der Heiligen Jungfrau Maria in Minsk auf dem Programm. Bertone besuchte auch Grodno und Pinsk, wo er Mitglieder der nationalen Bischhofskonferenz traf.

Ein wichtiges Gesprächsthema während des Besuches von Kardinal Bertone war ein mögliches Konkordat zwischen dem Vatikan und der Republik Belarus. Nach Polen wäre Belarus erst der zweite postkommunistische Staat, der ein Konkordat mit dem Heilgen Stuhl schlösse. Dass es gerade Belarus sein soll, überrascht, denn das Land ist in Europa weitestgehend isoliert. Belarus wird seit 1994 von Präsident Lukaschenko autoritär regiert, der die meisten demokratischen Grundrechte – inklusive Glaubens- und Gewissensfreiheit – außer Kraft gesetzt hat und die wenigen demokratischen Aktivisten verfolgen lässt. Belarus ist als einziges europäisches Land nicht Mitglied im Europarat, die diplomatischen Beziehungen zur EU sind angespannt, zwischen den USA und Belarus schwelt seit Monaten eine ernste diplomatische Krise. Zwar stritt Lukaschenko gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax strikt ab, dass der Besuch von Bertone „ein Versuch sei, mit Hilfe der katholischen Kirche das Ansehen von Belarus in Europa zu verbessern“, doch könnte dies in der Tat der Anfang einer Vermittlerrolle des Vatikans in den Beziehungen zwischen Belarus und dem Westen sein, die seit Jahren in einer Sackgasse stecken.

Die Einladung zu einem Besuch in Belarus, die Lukaschenko an Papst Benedikt XVI. aussprach, kam unerwartet. Ein Papstbesuch in Belarus scheint in naher Zukunft undenkbar. Da die belarussische orthodoxe Kirche zum Moskauer Patriarchat gehört, dürfte Metropolit Filaret einer solchen Einladung so lange nicht zustimmen, wie Alexej II. der Patriarch von Moskau ist. Dieser unterstellt der katholischen Kirche immer noch Proselytismus und hatte deshalb bereits Papst Johannes Paul II. den lang erhofften Besuch in Russland verwehrt. Auch der Vatikan dürfte von einer Reise Benedikt XVI. nach Belarus ohne Zustimmung des Metropoliten absehen, um die Spannungen mit der russisch-orthodoxen Kirche nicht noch zu verschärfen.

Gleichwohl ist der Besuch von Bertone in Belarus ein großer Schritt vorwärts, denn das Verhältnis zwischen Saat und katholischer Kirche im Land war jahrelang schwierig: Noch vor einigen Monaten schlossen die Behörden wiederholt katholische Kirchen, mehrere Geistliche wurden zur Ausreise gezwungen. Im Frühjahr verhängte ein Gericht gegen einen katholischen Priester eine Geldstrafe, weil dieser an einer Demonstration gegen die Regierung teilgenommen hatte. Das Vorgehen des staatlichen Sicherheitsapparates gegen Seelsorger und Gläubige hat seinen Grund: Die katholischen und protestantischen Gemeinden vorwiegend in den westlichen Regionen von Belarus sind gesellschaftlich aktiver als andere Bevölkerungsgruppen und engagieren sich nicht selten offen für eine demokratische Entwicklung des eigenen Landes. 14 % der Bevölkerung in Belarus sind Katholiken, etwa 2 % Protestanten.

Zu den Hauptstreitpunkten zwischen Staat und katholischer Kirche gehören nach wie vor die zahlreichen polnischen Priester im Land, 178 der insgesamt 181 ausländischen katholischen Geistlichen kommen aus Polen. Hintergrund ist hier ein seit Jahren bestehender Konflikt um die polnischen Minderheit in Belarus. Minsk wirft Warschau vor, mit Hilfe der Minderheit die Lage im Land destabilisieren zu wollen, Polen dagegen beklagt eine aktive Unterdrückung von Menschen mit polnischer Abstammung in Belarus. Ein weiteres Problem ist die noch nicht abgeschlossene Erstattung von kirchlichem Eigentum, das während der Sowjetzeit enteignet wurde.

Vor diesem Hintergrund sind der Besuch von Kardinal Bertone und die Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Belarus über ein Konkordat oder zumindest engere politische Beziehungen als positive Zeichen zu werten. Die Initiative dazu ging offenbar sowohl von der Regierung in Minsk als auch vom Erzbischof von Minsk-Mohilev, Tadeusz Kondrusiewicz aus. Die Gespräche zwischen dem Vatikan und Belarus dürften ein interessanter Testfall auch in Hinblick darauf sein, ob Lukaschenko zu einer liberaleren Politik in religiösen Fragen bereit ist. Anfang Juni hatte die Belarussische Christdemokratische Partei bei einem Treffen in Brüssel dem Präsident des Europaparlaments, Prof. Pöttering, eine Petition mit 50.000 Unterschriften übergeben, die für liberale Änderungen in dem 2002 verabschiedeten restriktiven „Gesetz über die Gewissensfreiheit und über religiöse Organisationen“ plädiert. Die Unterschriftenaktion war 2007 der mit Abstand erfolgreichste Versuch von unabhängigen Kräften, die belarussische Bevölkerung für eine Unterstützung demokratischer Reformen im Land zu mobilisieren.

Papst Benedikt XVI. lobte kürzlich das nach seinen Worten gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Belarus. Er sei sich sicher, dass die Regierung in Minsk die Kirche weiter in ihren Bedürfnissen unterstützen werde. Zugleich betonte er, der Heilige Stuhl werde nicht aufhören, Belarus in seinen "legitimen Bestrebungen" nach Freiheit und seinen Anstrengungen zur Demokratie zu fördern. Für Benedikt XVI. wurde in Luchai im Norden des Landes vor zwei Wochen ein drei Meter großes Denkmal geweiht.

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