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Der Blick auf Belarus aus Russland

von Dr. Wolfgang Sender

Medienspiegel, Folge 4/2018

2018 bietet die KAS Belarus einen Informationsservice zu den Beziehungen zwischen Belarus, Russland und der Region.

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Der ausgewählte Blickwinkel – Belarus „mit russischen Augen“ anzusehen – bietet Informationen über die teils impliziten Spannungen in den Beziehungen zwischen Belarus und seinem engsten Verbündeten Russland. Diese Spannungsfelder bestimmen häufig den außen- und innenpolitischen Spielraum für Belarus.

Im März widmeten sich die russischen Medien bei der Berichterstattung zu Belarus vor allem dem 100. Gründungsjahrestag der Belarussischen Volksrepublik (BVR). Jeder Schritt der Belarussen in der Richtung der nationalen Selbstidentifizierung wird von der nationalistisch eingestellten russischen Presse als Nationalismus eingestuft. Das Begehen des BVR-Jubiläums ist hier keine Ausnahme. Die Pro-BVR-Aussagen der belarussischen Regierungsvertreter – der Leiterin der Präsidialadministration, mehrerer Minister und einzelner Parlamentsabgeordneten – und die Genehmigung einer feierlichen Massenveranstaltung aus dem Anlass des Jahrestags im Zentrum der belarussischen Hauptstadt verursacht ein wahres Entsetzen bei den propagandistischen Ressourcen wie Eurasia Daily. Diese Quelle interpretiert Aussagen der belarussischen politischen Führungskräfte und die Massenfeier in Minsk als eine Abkehr von der „allrussischen Einheit“ und als „Verwässerung der sowjetischen Grundlagen der offiziellen Ideologie“ in Belarus aus. Dies veranlasst die Verfasser von Eurasia Daily zu dem Schluss, dass „die 25-jährige Epoche von Alexander Lukaschenko ihrem Ende naht“. Die Stiftung für strategische Kultur setzt gar ein Gleichzeichen zwischen der BVR und dem Faschismus. Die Ressource Segodnia.ru deutet das Begehen des BVR-Gründungsjubiläums als „Schleimerei vor dem Westen“.

Die russische nationalistische Ressource Regnum greift katholische und orthodoxe Kirchenvertreter in Belarus an, die sich mit dem BVR-Jubiläum solidarisieren.

Eine objektive Betrachtung der Situation um den BVR-Jahrestag lieferte die russische Zeitung „Nesavisimaja Gaseta“: „Lukaschenko habe verstanden, dass die Unterdrückung von allem Belarussischem zur Popularisierung der „Russki Mir“ führe und somit die Unabhängigkeit bedrohe, andererseits wenn seine Gegner zu viel Freiheit erhalten, können sie ihn entmachten“.

Überraschend objektiv ist der Bericht des russischen propagandistischen TV-Senders Russia Today zu dem Thema, der das Vorgehen der politischen Staatsführung und der Opposition als Versuch der nationalen Versöhnung einstuft.

Der Medienbericht hierzu.

Einschätzung des Leiters des Büros Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Wolfgang Sender: Dass die russischen nationalistischen Medien den Belarussen das Recht auf die eigene nationale Identität, die mit der Konzeption der „Russki Mir“ nicht übereinstimmt, absprechen, ist nichts Neues. Das BVR-Jubiläum lieferte dazu nur noch einen weiteren Anlass. Neu in dieser Situation ist die teilweise öffentliche Solidarisierung der belarussischen politischen Entscheidungsträger mit einer nicht sowjetischen und Belarus-zentrierten Fassung der belarussischen Geschichte. Diesen vorsichtigen Kurs auf den Aufbau einer nationalen Identität führt die Regierung in Minsk auch weiterhin durch, bemüht sich dabei zugleich, sich wegen der Förderung der nationalen Identität den Angriffen seitens Russlands nicht auszusetzen. Die obigen Medienausschnitte illustrieren, dass jeder Schritt in Richtung der nationalen Selbstidentifizierung durch bestimmte russische Medien sofort als nationalistisch oder gar als faschistisch eingestuft wird.

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Dr. Wolfgang Sender

Bild von Sowetskaja Belorussia zur Bebilderung von Belarus-Beiträge Frei verwendbar

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