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Eine gewisse Mindestkompatibilität der Wirtschaft in Belarus und der EU muss erreicht werden

von Dr. Wolfgang Sender

Interview mit Dr. Wolfgang Sender in der Zeitung "Sowjetskaja Belarussia"

In einem Interview mit einer der auflagenstärksten Zeitung in Belarus, "Sowjetskaja Belarussia", hat der Auslandsmitarbeiter für Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Wolfgang Sender, Einschätzungen zu einem neuen Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu Belarus gegeben, das am 16. Februar 2016 durch die Arbeitsgruppe Außenpolitik der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Das Interview erschien am 18. Februar 2016.

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Sowjetskaja Belarussia: "Was bedeutet dieses Positionspapier? Welche Zeichen wollen die deutschen Abgeordneten damit setzen?"

Sender: Mit ihrem Positionspapier sprechen sich die außenpolitischen Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach meiner Interpretation ganz klar für eine Verbesserung der Beziehungen zur Republik Belarus aus. Der Hauptgrund dafür, dass diese Neupositionierung jetzt kommt, liegt in den politischen Entwicklungen in Belarus in den letzten Monaten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ja im Mai 2015 gesagt, dass Deutschland bereit sei, die Zusammenarbeit mit Belarus zu verbessern, wenn Belarus hierfür die Voraussetzungen schafft. Offenkundig wird dies in Berlin nun positiv bewertet und die neue Position der Bundestagsabgeordneten ist somit nur konsequent. Der Beschluss reiht sich ganz klar in die Position der EU-Außenminister von dieser Woche ein, die Sanktionen gegenüber Belarus aufzuheben.

Im Beschluss der Abgeordneten wird aber auch ein neues Element sichtbar, das von einer gewissen geänderten Sichtweise auf Belarus zeugt. Im Text steht klar, dass die Europäische Union ein besonderes Interesse an der Unabhängigkeit von Belarus habe. Hierin zeigen sich sicherlich jüngere sicherheitspolitische Lehren aus den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Wenn die deutsche Politik diese Lehren nun auch in ihrer Politik gegenüber Belarus aufnimmt, dann tut sie das übrigens in keiner Weise etwa gegen Russland, sondern betont nur die selbstverständlich bestehende Souveränität von Belarus. Gerade mit Blick auf unsere deutsche Geschichte ist es mir wichtig, an das Recht auf Souveränität und Unabhängigkeit von Belarus zu erinnern.

Sowjetskaja Belarussia: "Welche praktische Bedeutung hat das Positionspapier insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD?"

Sender: Die Unterstützung der belarussischen Wirtschaft nimmt in dem Positionspapier eine wichtige Stellung ein. Die Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion meinen, dass auch das Feld der wirtschaftlichen Zusammenarbeit noch zu gering entwickelt ist. Sie sprechen sich dafür aus, dass die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung auch stärker in den staatlichen Sektor in Belarus investieren kann. Aber die Forderungen der Abgeordneten gehen noch deutlich darüber hinaus: Sie fordern eine Prüfung, ob Belarus nicht sogar wieder in den Bereich der Allgemeinen Handelspräferenzen der EU aufgenommen werden könnte. Das wäre eine gute Perspektive für die belarussische Wirtschaft. Auch wünschen sich die Abgeordneten, dass Unternehmer leichter Visa erhalten.

Damit dies konkret gelingen kann, sollten nach Meinung der Abgeordneten wirtschaftliche Reformen in Belarus durchgeführt werden. Hier besteht sicher noch zu manchen Aspekten Gesprächsbedarf und wir müssen jetzt warten, welche Vorschläge die belarussische Regierung im Moment ausarbeitet. Generell muss jedoch die belarussische Seite im Auge behalten, dass es eine gewisse Mindestkompatibilität zwischen den Rahmenbedingungen der Wirtschaft in der EU und in Belarus geben muss, wenn man bessere Beziehungen erreichen will.

Ich möchte die von den Parlamentariern angeregten weiteren Schritte deutlich hervorheben: Sie sehen es im Falle der richtigen Reformen als möglich an, dass sie die Kreditvergabe durch den IWF und den WTO-Beitritt von Belarus unterstützen. Ich denke, dies wären sehr wichtige und nützliche Dinge für Belarus im Moment. Hinzu kommt: Die Abgeordneten sagen, dass die Einbindung von Belarus in die Eurasische Wirtschaftsunion nicht ausschließt, dass es auch eine engere Zusammenarbeit zwischen Belarus und der Europäischen Union geben kann. Ich glaube, dass auf dem Feld der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Eurasischen Wirtschaftsunion wirklich gearbeitet werden muss. Natürlich bleibt ein Frieden in der Ukraine eine wichtige Voraussetzung für solche Überlegungen. Aber man sollte nun wirklich auf Expertenebene konkrete Überlegungen für Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit anstrengen, dass man für den Fall, dass irgendwann die politischen Voraussetzungen erfüllt sind, dann auch vorbereitet ist. Diese Gespräche möchten wir als Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützen.

Sowjetskaja Belarussia: "Wie bewerten Sie die Aufmerksamkeit für Belarus in Europa, und welche neuen Veränderungen, neuen Prozesse können zu einer Veränderung der Wahrnehmung von Belarus führen?"

Sender: Das Papier der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten zeigt, dass sich vor allem die Aufmerksamkeit gegenüber Belarus ändert. Immer mehr Politiker anerkennen die Unterstützung, die Belarus bei den Verhandlungen zur Krise in der Ukraine geleistet hat, sowie bestimmte Entscheidungen der belarussischen Politik in den letzten Monaten. Natürlich drängt der Westen Belarus weiterhin auf Reformen. Das betrifft Fragen der Wirtschaft, des Umgangs mit politischen Kräften in Belarus und auch die Frage der Abschaffung der Todesstrafe in Belarus. Neu ist aber sicherlich, dass immer weniger Politiker im Westen mit erhobenem Zeigefinger argumentieren. Michael Georg Link hat als Direktor des ODIHR beispielsweise vor Kurzem in Minsk gesagt, dass die Wahlbeobachter keine Lehrer oder Feinde seien. Dies alles sind wichtige Signale.

Damit aus den Vorschlägen der CDU/CSU-Abgeordneten nun auch konkrete Politik werden kann, braucht es zweierlei: Erstens benötigen die Politiker im Westen weitere klare Zeichen aus Belarus, dass man hier bereit ist, zu Fragen der Wirtschaft, der Menschenrechte und auch der Arbeitsbedingungen für verschiedene politische Kräfte im Land zu sprechen und die Lage zu verbessern. Zweitens müssen diese Signale noch stärker als bisher in Westeuropa wahrgenommen werden. Wissen Sie: Aufgrund verschiedener anderer Themen ist die Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in Belarus leider in der EU noch zu gering. Das möchten wir ändern, auch dies ist ein Ziel der Konrad-Adenauer-Stiftung. Belarus ist ein EU-Nachbarstaat und muss daher insgesamt höhere Aufmerksamkeit erhalten als bisher.

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