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Veranstaltungsberichte

Zukunft der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union

von Dr. Wolfgang Sender

Internationale Konferenz in Minsk

Am 7. September 2017 befassten sich Parlamentsabgeordnete, Regierungsvertreter, Wissenschaftler, Diplomaten, unabhängige Experten und Regierungsexperten aus über einem Dutzend Ländern mit den Ergebnissen und Aussichten der Östlichen Partnerschaft in Minsk. Ein Fokus wurde dabei auf die Perspektiven der Republik Belarus gelegt.

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Die internationale Konferenz zum Thema "Zukunft der Östlichen Partnerschaft im Kontext der zunehmenden regionalen Turbulenzen" wurde durch die Minsk Dialogue Initiative, das Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung und die Botschaft der Republik Estland in Belarus durchgeführt. Estland hat bis Ende 2017 die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Bereits bei der Eröffnung der Veranstaltung gab der stellvertretende belarussische Außenminister Oleg Krawtschenko eine pragmatische Orientierung der Republik Belarus in Bezug auf die Östliche Partnerschaft zu Protokoll, in dem er die Einschätzung der Östlichen Partnerschaft und die Erwartungen an diese Initiative von Seiten der belarussischen Regierung zum Ausdruck brachte.

Dialog zwischen Belarus und der EU

Nach Meinung des stellvertretenden Außenministers spielte die 2009 gestartete Initiative der Östlichen Partnerschaft eine wichtige Rolle bei der Etablierung eines Dialogs zwischen der EU und Belarus. Auch bei der Stabilisierung der Situation in der Region betrachte man die Östliche Partnerschaft als hilfreich. Zugleich möchte Belarus „eine pragmatischere Östliche Partnerschaft“ nach dem Gipfeltreffen in Brüssel im November 2017 realisieren, meinte Krawtschenko und deutete die Bereiche für einen solchen Ansatz an: Verbesserung des Zugangs zu den europäischen Märkten, Vervollkommnung der Zollverhältnisse sowie eine weitere Entwicklung von Infrastrukturobjekten. Wichtig für Belarus ist, dass die Östliche Partnerschaft eine nicht konfrontative Initiative bleibe, die die Interessen ihrer Mitglieder respektiere, so Krawtschenko.

Den Ausführungen des Vize-Außenministers zufolge sieht Belarus seine Rolle in der Östlichen Partnerschaft auch in einem größeren Rahmen – als Mittler zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). So möchte Belarus „seine westliche Grenze nicht als Trennlinie zwischen zwei Integrationsprozessen in Europa sehen … und strebt einen direkten Dialog zwischen der EU und der EAWU an“. Als ersten Schritt auf diesem Wege schlägt Belarus vor, „einen technischen Dialog zwischen der EAWU und der EU über die Harmonisierung der Standards und über die Lösung von bestehenden Problemen einzuleiten“.

Es ist offensichtlich, dass sich Belarus durch seine Teilnahme an der Östlichen Partnerschaft auch Fortschritte bei der Vorbereitung eines Basisabkommens mit der EU verspricht, Oleg Krawtschenko hat den Abschluss eines solchen Abkommens als strategisches Ziel für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Belarus bezeichnet.

Länderspezifische Herangehensweise

Der Leiter des Auslandsbüros Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Wolfgang Sender, stimmte mit dem stellvertretenden Außenminister hinsichtlich des nicht konfrontativen Charakters der Östlichen Partnerschaft überein, indem er auf die Ziele der Initiative einging: Sicherheit und Stabilität in der Region zu gewährleisten, das Entstehen von neuen Trennlinien zu vermeiden, die politische Zusammenwirkung und die wirtschaftliche Integration zu intensivieren. Laut Dr. Sender ist und bleibt die Östliche Partnerschaft eine wertebasierte Initiative, das störe aber nicht die von Belarus gewünschte Respektierung der Interessen der Mitglieder der Östlichen Partnerschaft. Schon jetzt sehen immer mehr politische Akteure die Notwendigkeit länderspezifischer Ansätze innerhalb der Östlichen Partnerschaft.

Nach Meinung des Leiters des KAS-Büros Belarus werden die beteiligten Seiten auch durch die Realität zur Erarbeitung einer solchen Herangehensweise gezwungen - angesichts von sechs Mitgliedern, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage der EU annähern: Georgien, Moldau und die Ukraine auf der Basis der Assoziierungsabkommen, Armenien und Aserbaidschan auf Grund von neuen Basisabkommen, Belarus versucht erst im Rahmen einer Koordinierungsgruppe EU-Belarus seinen Dialog mit der EU zu intensivieren. Diese Einschätzung des Status quo veranlasste Dr. Sender zu zwei Schlussfolgerungen. Erstens wird die länderspezifische Herangehensweise der EU in der Östlichen Partnerschaft ggf. noch stärker ausgeprägt. Zweitens ist die multilaterale Dimension der Östlichen Partnerschaft von großer Bedeutung „insbesondere für die Länder, die für die Annäherung mit der EU mehr Zeit brauchen oder nur nach bestimmten Kooperationsprojekten Ausschau halten“.

Die Beachtung der Länderspezifika seitens der EU sollte aber keinesfalls zur Institutionalisierung einer Zwei-Geschwindigkeiten bzw. einer Östlichen Partnerschaft mit zwei Qualitäten führen, denn gerade dies würde das Hauptziel der Östlichen Partnerschaft verfehlen: Gewährleistung der Souveränität und der Stabilität in der Region – beides Werte, die gerade gegenwärtig wie nie zuvor gefährdet sind.

Erfolge und Herausforderungen

Nach den Eingangsstatements setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in drei Sitzungen mit den Erfolgen und Herausforderungen der Östlichen Partnerschaft in den acht Jahren nach ihrer Gründung auseinander. Ebenso kam die Einflussnahme der jüngsten geopolitischen Entwicklungen auf die Östlichen Partnerschaft zur Sprache. Als Referenten sprachen unter anderem Experten und Politiker aus der Republik Moldau, Aserbaidschan, Armenien, Georgien, der Ukraine, Frankreich, Estland, Lettland, Polen, Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Konferenz hob sich vorteilhaft dadurch hervor, dass sie einerseits Vertreter aus der Region und der EU ein Podium bot, aber auch Teilnehmer aus Russland und den USA einbezog. Ein starker Dialogcharakter ergab sich durch Auftritte von Regierungsvertretern wie auch von Parlamentsabgeordneten. Zu letzteren zählte auch die parlamentarische Opposition in Belarus in Person von Anna Kanopatskaja - sie nahm neben einer Vielzahl weiterer Parlamentsabgeordneter aus Belarus und der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Tatjana Korotkewitsch teil.

Erkenntnisse zu Belarus

Die Ergebnisse der Diskussionen zur Rolle der Republik Belarus in der Östlichen Partnerschaft sind ambivalent. Während die Regierung in Minsk gegenwärtig vor allem auf die wirtschaftliche Komponente der Östlichen Partnerschaft sowie multilaterale Infrastrukturprojekte setzt, bestehen oppositionelle Kräfte in Belarus darauf, dass der Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation mit der EU mit einer noch stärkeren politischen Liberalisierung in Belarus einhergehen sollte. Diese kontradiktorischen Ansätze der belarussischen Zivilgesellschaft und der belarussischen Regierung verhinderten nach der Meinung der unabhängigen Experten, dass Belarus die Vorteile der Östlichen Partnerschaft in vollem Maße genießen kann. Auch eine stärkere Anpassung der belarussischen Wirtschaft an marktwirtschaftliche Regeln wird durch unabhängige Experten gefordert und als Hindernis für eine vollwertige Teilnahme von Belarus an der Östlichen Partnerschaft gesehen.

Die belarussische Regierung will – auch dies kam auch auf der Konferenz zum Ausdruck – eine „Connectivity in Wider Europe“ fördern: So heißt das Motto der belarussischen Präsidentschaft in der Central European Initiative 2017. Diesen Ansatz versucht die Regierung auch im Rahmen der Östlichen Partnerschaft auszuüben. Diese Bemühungen von Belarus werden international positiv wahrgenommen. Für den Erfolg dieses Ansatzes ist jedoch ein gewisser Grad an Kompatibilität erforderlich. Die Konferenz brachte eine Reihe von Anregungen und Ideen für die Herstellung einer solchen Vereinbarkeit.

Im Rahmen von Folgeveranstaltungen wollen das Auslandsbüro Belarus der KAS und die Minsk Dialogue Initiative diese Erkenntnisse als Grundlage für die Erarbeitung von politischen Empfehlungen für das kommende Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft in Brüssel im November 2017 nutzen.

Hintergrund der Minsk Dialogue Initiative

Die Minsk Dialogue Initiative wurde im März 2015 als Track-II (Nichtregierungs-) Diplomatie-Plattform mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Sicherheit eingeleitet. Die Beweggründe für diese Initiative waren, eine Plattform für offene Diskussionen über die paneuropäischen Herausforderungen auf Expertenebene zu schaffen. Die bisher in Minsk durchgeführten Fachkonferenzen sammelten sowohl Spitzenexperten aus der EU, den USA, Russland, als auch Vertreter der internationalen Organisationen und der diplomatischen Gemeinschaft.

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