Veranstaltungsberichte
Roman Grafe brachte zahlreiche Beispiele von Menschen, die unter dem SED-Regime gelitten hatten bzw. von Menschen, die die Thematik des Mitläufertums in der DDR aus ihrer Perspektive als Zeitzeugen schilderten. Man habe immer die Möglichkeit gehabt, „ja oder nein zu sagen“, so Grafe.
Grafe berichtete zudem über die Prozesse gegen die DDR-Grenzschützen und ihre Befehlshaber. Neben seiner Kritik an der Verklärung des SED-Staates und der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Mitläufertum in der DDR, erläuterte er den „Hype der Medien“, die aus ehemaligen Grenzsoldaten „Helden der Mauer“ machten. In seinen eigenen Worten, die er mahnend an die Teilnehmer richtete, fragte er: „Wo sind die Befehlshaber heute? (kurze Pause) Im Fernsehen!“. Ebenso verwies Grafe auf den Oberbürgermeister der Hansestadt Stendal in Sachsen-Anhalt, welcher trotz seiner Vergangenheit als Stabsoffizier der DDR-Grenztruppen bei den letzten Wahlen von 70% der Wähler zum Oberbürgermeister gewählt wurde (bei einer Wahlbeteiligung von um die 30%).Als weiteres Beispiel nannte er Gregor Gysi, welcher sich auf einem Sonderparteitag der SED 1989 für den Fortbestand der Partei stark gemacht hatte. Trotz sämtlicher Umbenennungen seit 1989 bestehe die SED noch heute, so Grafe.
In einer abschließenden Frage- und Diskussionsrunde äußerte sich ein Teilnehmer kritisch über den Begriff des Mitläufers, da man immer Konsequenzen zu riskieren hatte. Dem erwiderte der Referent, dass immer die Möglichkeit bestanden habe, „sich soweit wie möglich herauszuhalten“ und folgerte: „Man musste nicht, sondern man sollte“ z.B. das Kreuzchen bei Wahlen für die SED machen. Darüber hinaus sei die Frage der Anpassung „keine Frage des Überlebens“ gewesen, so Grafe weiter. Ein jüngerer Teilnehmer, dessen Vater ehemals Grenzsoldat war, sieht sich nun in der Pflicht, ihn auf seine DDR-Vergangenheit intensiver als bislang anzusprechen. Auch wurde die Bitte deutlich, mehr Aufklärungsarbeit durch solche Veranstaltungen zu leisten. Diese können Gespräche wie jene zwischen Vater und Sohn anstoßen.
Ricardo Hoffmann