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Veranstaltungsberichte

„Geschichtenerzähler der Deutschen“

von Annika Berszick

Walter Kempowskis Erbe

Vor fast zehn Jahren, am 05. Oktober 2007, starb der Schriftsteller Walter Kempowski im Alter von 78 Jahren. Aus diesem Anlass lud die Konrad-Adenauer-Stiftung am 30. August 2017 ein zu einem Vortrag mit Kempowskis Biograf PD Dr. Dirk Hempel und anschließendem Gespräch mit Dr. Katrin Möller-Funck vor ausgebuchtem Saal mit etwa 120 Gästen.

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Zur Begrüßung blickte Ralf Altenhof, Leiter des Politischen Bildungsforums Bremen, auf die letzten Veranstaltungen über Walter Kempowski zurück und erinnerte unter anderem an einen Literaturnachmittag im Haus Kreienhoop. Altenhof bedauerte sehr, dass Hildegard Kempowski krankheitsbedingt nicht kommen konnte, und begrüßte stattdessen Katrin Möller-Funck, Geschäftsführerin der Kempowski-Stiftung Haus Kreienhoop.

Dirk Hempel, Biograf und ehemaliger Mitarbeiter Kempowskis, führte in seinem Vortrag durch das Leben Kempowskis mit seinen wichtigsten Stationen.

Einführend sagte er, dass viele Bremer Kempowski sicherlich gekannt oder kennengelernt haben, der Autor lebte bei Bremen. Geboren wurde Walter Kempowski 1929 in Rostock, sein Vater war Reeder. Da seine Eltern den Nationalsozialisten ablehnend gegenüber standen, orientierte auch er sich im Gegensatz zu der von dem NS-Regime propagierten Kultur, an der amerikanischen Jugendkultur.

Seine Kindheit endete jäh im Jahr 1945, als die Heimatstadt Rostock von britischen Bombern zerstört wurde und der Vater an der Front fiel. Die Demontage der Russen in der Sowjetischen Besatzungszone missfiel ihm, sodass er Material über die, die Absprachen überschreitenden, Demontagebemühungen sammelte und 1947 in Wiesbaden den Amerikanern übergab. Kempowski war in den Westen gegangen, da die Jugendopposition, der er angehörte, zerschlagen werden sollte. Um die Übersiedlung seiner Mutter und seines Bruders zu organisieren, reiste er 1948 zurück in die Sowjetische Besatzungszone, wo er am 08.03.1948 festgenommen und wegen Spionage zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.

Die Zeit im Zuchthaus beschrieb Dirk Hempel als entscheidend für seinen weiteren Lebensverlauf, hier entwickelte er Schuldgefühle, weil Mutter und Bruder wegen ihm ebenfalls festgenommen worden waren. Er trauerte dem Leben der Vorkriegszeit hinterher und versuchte sich zurückzuerinnern, „hier wurde er zum Schriftsteller“. Als der Autor 1956 frühzeitig entlassen wurde, war er am „Tiefpunkt seiner Existenz“. Nach seinem Studium in Göttingen zog es Kempowski 1960 als Dorfschullehrer in den Landkreis Rotenburg / Wümme bei Bremen. Sein erstes Buch „Im Block“ verkaufte sich schlecht, da die Zeichen, laut Hempel, zu dieser Zeit auf Aussöhnung mit dem Osten standen. In seinem folgenden Roman „Tadellöser und Wolff“ wollte Kempowski mit seinen Schilderungen über seine Familie in Rostock exemplarisch und stellvertretend für eine ganze soziale Schicht schreiben. Dies gelang ihm, sodass das Buch ein Erfolg wurde. Doch erst viel später wurde Kempowski als Schriftsteller auch von Literaturkritikern ernst genommen.

Kempowski baute in Nartum Haus Kreienhoop, wo er Literaturseminare veranstaltete, die besonders durch die Fernsehaufnahmen von Radio Bremen Tausende erreichten. Als begeisterter Tagebuchschreiber kam die Idee für ein Tagebuch-Archiv, das er 1980 als „Archiv unpublizierte Autobiografien“ gründete. Es umfasst 8.000 Materialien in 250 laufenden Metern aus Dokumenten, Fotografien, Briefen, Tagebüchern, Biografien. Der 1993 erschienene erste Teil des „Echolots“ wurde als „eine der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts“ gefeiert und Kempowski selbst als „Geschichtenerzähler der Deutschen“, so beschreibt ihn auch Dirk Hempel. Das „Echolot“, erschienen zwischen 1993 und 2005, umfasst 10 Bände mit 7.000 Seiten und ist als eine „Collage“ zusammengestellt

Im anschließenden Gespräch erläuterte Katrin Möller-Funck, dass die Haftzeit in Bautzen für sein Schreiben prägend gewesen sei und zitierte: „Ich habe die Familie zerstört, jetzt versuche ich sie auf dem Papier wieder zusammenzufügen“, die Aufarbeitung dieser Schuldgefühle sowie der Verlust der Heimat bis 89/90 standen im Vordergrund seines Schaffens. Kempowski meinte, er habe durch die Haft zu viel Zeit verloren, dies wird durch seinen enormen „Produktivitäts- und Arbeitsausstoß“ deutlich, so Möller-Funck.

Dirk Hempel sah Kempowskis Bücher vor allem auch als eine „Erklärung sich selbst gegenüber“ und „Erklärung der westdeutschen Gesellschaft“. Den Erfolg des Autors erklärte Hempel damit, dass die Werke „einen Nerv getroffen“ haben, denn Kempowski habe immer versucht seine Erlebnisse exemplarisch für seine Generation zu erzählen. „Das spricht ein breites Publikum an“, so Hempel.

Zum Abschluss gab Ralf Altenhof noch einen Ausblick auf den nächsten Literaturnachmittag im Haus Kreienhoop mit der Konrad-Adenauer-Stiftung im nächsten Jahr, dann, so hoffte er, mit Hildegard Kempowski.

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Kontakt

Dr. Ralf Altenhof

Dr

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

ralf.altenhof@kas.de +49 421 163009-0 +49 421 163009-9
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