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"Die Menschen fordern eine Regierung nach mitteleuropäischen Maßstäben"

Marco Arndt im Interview mit "Radio Stimme Russlands"

Seit Februar liegt das politische Leben des EU-Landes Bulgarien still. Grund sind Dauerproteste gegen die konservative Regierung Borisov und deren sozialistischen Nachfolger Orescharski. Im Interview mit "Radio Stimme Russlands" sprach Dr. Marco Arndt, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia, über die aktuelle Lage in Bulgarien.

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Nach zwölf Wochen waren die Dauerproteste im Zentrum Sofias zuletzt abgeflaut. Grund war die parlamentarische Sommerpause. Nach deren Ende kündigt sich nun ein umkämpfter Herbst an. Am Mittwoch dieser Woche versammelten sich rund 2.000 Oppositionelle zu einem „Großempfang“ der Abgeordneten anlässlich ihrer Rückkehr aus den Ferien. Begonnen hatte alles im Februar mit Protesten gegen die konservative Regierung Borisov.

„Die Proteste richteten sich im Wesentlichen gegen eine drastische Erhöhung der Strompreise, weil viele Bulgaren mit Strom heizen müssen und Bulgarien eines der ärmsten Länder der EU ist“, erklärt Dr. Marco Arndt. Vor allem einkommensschwache Bulgaren traf die Preiserhöhung daher empfindlich und trieb sie auf die Straße, so der Leiter des KAS-Büros Bulgarien. Ende Februar trat die Regierung nach anhaltenden Demonstrationen zurück. Nach vorgezogen Parlamentswahlen wurde Plamen Orescharski Ende Mai neuer Ministerpräsident in Sofia.

Der Grund für die erneuten Proteste Ende Juli liegt Arndt zufolge in einer falschen Personalentscheidung der Regierung. „Sie haben begonnen, als die sozialistische Regierung einen umstrittenen Medienoligarchen zum Chef des Inlandsgeheimdienstes machen wollte. Als Reaktion auf die Prosteste wurde diese Entscheidung zwar zurückgenommen, in anderen Bereichen kamen jedoch ehemalige Mitarbeiter der kommunistischen Staatssicherheit auf wichtige Posten.“ Dies habe nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen.

Für Arndt besteht jedoch ein entscheidender Unterschied zwischen den Protesten am Anfang des Jahres und den derzeitigen. „Ich würde die momentanen Proteste als ‚Werteproteste’ bezeichnen, weil die Demonstranten eine Regierung nach mitteleuropäischen Maßstäben einfordern.“ Dies werde von der jetzigen Regierung nicht erfüllt. „Die jetzigen Demonstranten verdienen für bulgarische Verhältnisse relativ gut und zahlen Steuern. Es sind vor allem junge Leute und Akademiker der Mittelschicht, die den Staat tragen.“

Der EU sind angesichts der Proteste die Hände gebunden, kann sie doch in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates der Union nicht eingreifen. Somit bleiben nur indirekte Hebel, um auf die Situation in Sofia einzuwirken. „Bulgarien und Rumänien werden von der Europäischen Union noch immer überwacht, was die Entwicklung des Justizsystems oder die Bekämpfung von Korruption angeht und diese Entwicklungen finden ihren Niederschlag in Berichten“, so Arndt. Darin bestehe ein gewisser Hebel, denn in beiden Ländern führe Kritik aus der EU wahrscheinlich zu weiteren Reformen, etwa wenn Justizkommissarin Reding vor wenigen Wochen in Sofia deutlich macht, dass sie die Proteste und die Forderung der Demonstranten unterstütze.

Den Audio-Mitschnitt des Interviews mit Dr. Marco Arndt finden Sie als Link in der rechten Spalte.

Mit freundlicher Genehmigung von "Radio Stimme Russlands".

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