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Veranstaltungsberichte

Die bulgarische Politik nach den Wahlen - Stabilität und Reformen

Am 13 November fand in der Neuen Bulgarischen Universität, NBU, eine Diskussionsrunde zum Thema "Die bulgarische Politik nach den Wahlen: Stabilität und Reformen" statt. Diskutiert wurden in drei Panels die vergangenen Kommunalwahlen, das nationale Referendum sowie die aktuellen politischen Bedrohungen Bulgariens. An den Fokusgruppen beteiligten sich sowohl Wissenschaftler und Studenten als auch politische Berater und Journalisten.

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Die Veranstaltung wurde eröffnet durch ein einführendes Statement von Dr. Antonij Galabov zu der politischen Situation in Bulgarien. Er bezeichnete das politische System als „schwache Demokratie“ und begründete seine Einstufung mit einem Legitimitätsdefizit der Institutionen und einer geringen Bürgerbeteiligung u.a. bei den Kommunalwahlen. Zum anderen betonte er sein Unverständnis, dass es keine nationale Empörung und auch keine Reaktionen in Bezug auf die Cyberattacken auf den Internetseiten der Zentralen Wahlkommission ZIK und anderen nationalen Webseiten (Parlament, Präsidenten, Innen- und Außenministerium) am Wahltag und am Tag der Stichwahlen gab.

Im ersten Panel „Kommunalwahlen. Die Qualität der Demokratie und der regionalen Selbstre-gierung in Bulgarien“ sprach Prof. Ekaterina Michailova über die Missständen bei den vergan-genen Wahlen. Sie kritisierte vor allem, dass es äußerst wenig Wahlkampf seitens aller Parteien gab, dass es zu sehr vielen administrativen Missständen während der Durchführung kam und dass Wahlbetrug (Kauf von Wählerstimmen, Falsifizieren von Wahlprotokollen etc.) immer noch ein großes Problem für die bulgarische Demokratie darstellen. Herr Martin Tabakov, politischer Berater des Außenministers, umriss einige Besonderheiten dieser Wahlen wie z.B., dass BSP seit den Wahlen nicht mehr als große nationale Partei gelten kann oder dass kleine Parteien wie „Die Grünen“, „Nationale Stimme“ oder „Bewegung 21“ durch einen eher auf häusliche Probleme fixierten Wahlkampf und mit der Hilfe von Protestwählern insgesamt 5 Sitze im Gemeinderat von Sofia gewinnen konnten. Die anschließende Diskussion kritisierte sehr stark die Arbeit der Zentralen Wahlkommission ZIK und ihre schlechte administrative Organisation. So gibt es z.B. bis heute keine Auskunft darüber, wie viele Wählerstimmen insgesamt abgegeben worden sind. Dies ist unter anderem ein Grund dafür, dass die Mehrheit der Bulgaren nicht glaubt, diese Wahlen seien fair und unabhängig abgelaufen.

Das zweite Diskussionspanel thematisierte allgemein die Anwendung direktdemokratischer Methoden sowie konkret das nationale Referendum, ob zukünftig auch elektronisch gewählt werden kann. Dr. Borislav Mavrov vom Europäischen Institut sprach über den Ablauf des Re-ferendums. Er kritisierte, dass das Referendum nur eine der ursprünglichen drei Fragen gestellt hat, dass es fast keine Infokampagne gab und leider nicht die nötige Mehrheit erreicht wurde, um obligatorisch zu wirken. Dennoch habe das Referendum gezeigt, dass direkte De-mokratiemöglichkeiten motivierend auf die Bevölkerung wirken, weshalb er mehr direktde-mokratische Beteiligungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene forderte. Dr. Atanas Slavov, politischer Berater des Justizministers, kritisierte in diesem Kontext vor allem die hohen gesetzlichen Hürden für ein Referendum – mindestens 200 000 Unterschriften für ein nicht-obligatorisches und 400 000 Unterschriften für ein obligatorisches Referendum in nur 3 Monaten. Daher seien Reformen in der Gesetzgebung zur direkten Demokratie dringend. Nachfolgend entfaltete sich eine Diskussion darüber, wie Bürgerinitiative mehr gefördert und über die Form von Protesten hinaus konsolidiert werden kann.

Die letzte Gesprächsrunde fokussierte sich auf die politischen Risiken und Gefahren. Dr. Raina Nikova von NBU kritisierte, dass die aktuelle Koalitionsregierung zu sehr mit der Sicherung der Stabilität beschäftigt ist und daher kaum Reformen durchführt. Martin Lesenski vom Institut „Offene Gesellschaft“ legte dar, was EU Bürger als Bedrohung empfinden. Interessant ist, dass in Bulgarien vor allem die Wahrung der individuellen Freiheiten als große Sicherheitsbedrohung empfunden wird. Zum Schluss sprach Boiko Stanuschev, Sicherheitsberater des Ver-teidigungsministers. Er kritisierte die finanzielle Abhängigkeit der bulgarischen Medien von privaten und staatlichen Geldgeber, was eine unabhängige und kritische Berichterstattung erschwert. Er zeigte sich besorgt über die eher sporadische und zyklische Bürgeraktivität in Bulgarien. Die Veranstaltung endete mit einer Diskussion der aktuellen politischen Herausfor-derungen, so wie zum Beispiel die anstehende Justizreform oder die Flüchtlingskriese.

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