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Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf die Europäische Union - Auf der Suche nach der richtigen EU Politik

Am 16 und 17 November fand in Sofia eine internationale Fachkonferenz zum Thema „Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf die Europäische Union - auf der Suche nach der richtigen EU Politik“. Hierbei wurden die aktuelle Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf die Europäische Union analysiert.

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Das erste Diskussionspanel wurde moderiert von Vessela Tcherneva, Direktorin des European Council on Foreign Relations, und fokussierte sich auf die institutionelle Bereitschaft der EU mit einer Flüchtlingskrise dieser Ausmaße fertig zu werden. Der erste Vortrag hielt Lubomir Kotschukov, der Direktor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen. Er kritisierte die aktuelle Politik der Abschottung und Grenzziehung und betonte den Fakt, dass globale Probleme, wie die Flüchtlingskrise, nicht durch nationale Handlungen gelöst werden können. Deshalb forderte er mehr Kooperation in der Staatengemeinschaft sowie, dass nicht nur die Symptome der Krise angegangen werde, sondern auch ihre Ursachen, nämlich die gewaltsame Konflikte im Nahen Osten. Danach folgte ein Statement seitens Vit Novotny vom Wilfried Martens Centre for European Studies. Herr Novotny äußerte seine Meinung, dass die EU nicht die nötigen institutionellen Kapazitäten hat, um die Krise zu lösen. Zudem kritisierte er, dass auch gemeinsam getroffene Entscheidungen entweder nicht erfüllt oder auf unterschiedlichsten Weisen in den einzelnen Ländern implementiert werden. Dies stehe einer gemeinsamen Lösung im Weg. Der dritte Gastredner, Herr Daniel Smilov, Direktor des Zentrums für liberale Strategie, machte ebenfalls auf die strukturellen Schwächen der EU aufmerksam. Er warnte davor, dass die aktuelle Flüchtlingskriese zu mehr Nationalismus und mehr rechtsextreme Bewegungen führen könnte und meinte, um die Krise zu lösen brauche Europa jetzt vor allem eine starke Führung. In der nachfolgenden Diskussion wurde betont, dass die Flüchtlingskrise nicht nur für die EU eine riesige Herausforderung darstellt, sondern, dass Länder wie Marokko oder Libanon schon länger und noch viel stärker betroffen sind. Deshalb wurde auch die Forderung nach mehr „burden-sharing“ auch außerhalb der EU laut. Als größte Gefahr in der aktuellen Krise wurde das mögliche Entzweien der Union identifiziert.

Im zweiten Panel, wo die Moderation von Herrn Jordan Bojilov, Vorsitzender des Sofia Security Forums, übernommen wurde, wurde die Suche nach einer gemeinsamen Lösung thematisiert. Er machte vor allem auf das Fehlen einer klaren Führung, eines klaren Plans bei der Lösung der Krise aufmerksam und kritisierte auch die schlechte Informationslage, die Freiraum für Spekulationen lässt. Als erster Gastredner sprach Nikola Kovacevic vom Belgrads Zentrum für Menschenrechte. Er legte die Situation der Flüchtlinge dar und erklärte, dass Serbien sie zwar auf ihrer Durchreise dulde, sie jedoch nicht langfristig integrieren will. Dr. Radu Musetescu, Leiter des Instituts für International Business and Economics in Bukarest, ging nochmal auf die Ursachen der Krise ein. So machte er zum Beispiel auf die großen sozialen und ökonomischen Unterschiede zwischen der EU und den Ländern, wo die meisten Flüchtlinge herkommen – Syrien, Afghanistan, Irak. Als Lösung der Krise sieht er daher die Ausbildung und Finanzierung junger Menschen, die die wirtschaftliche Lage in ihren Ländern selbst verbessern. Shaun Riordan, ehemaliger britischer Diplomat, äußerte sich sehr skeptisch und forderte die sofortige Schließung der EU Grenzen sowie der strikten Trennung zwischen Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten, wobei letztere abzuweisen seien. Sollte die EU die Krise nicht unter Kontrolle kriegen, könnte Großbritannien sogar aus der Union austreten. Die nachfolgende Diskussion analysierte unterschiedliche nationalstaatliche und supranationale Lösungen ebenso wie die Rolle Russlands und die Abhängigkeit der EU von der Türkei.

Am zweiten Tag der Konferenz beschäftigte sich die dritte Diskussionsrunde mit der Frage, ob die Flüchtlingskrise nicht auch eine Chance für Europa bietet, gerade auch vor dem demographischen Wandel. Das Panel wurde von der Journalistin Krassimira Temelkova von Standart News moderiert. Als erster äußerte sich zu dem Thema Boris Stanimirov, Abgeordneter im bulgarischen Parlament. Er warnte vor der Doppelmoral der EU, das sogenannte „cherry picking“: einerseits will man nur Flüchtlinge und nicht Wirtschaftsmigranten akzeptieren, anderseits will man mit gut ausgebildeten und jungen Experten den demographischen Wandel und den Expertenmangel lösen. Er warnte zudem davor, dass man Migranten und Terrorismus nicht strikt trennen kann, da man nicht die Möglichkeit hat, alle die in Europa ankommen zu überprüfen. Mariyana Stoyanova vom bulgarischen Roten Kreuz erklärte dagegen wie die aktuelle Lage der Flüchtlinge in Bulgarien ist. Sie erläuterte die Nationale Flüchtlingsstrategie, die es seit Juli 2015 gibt und kritisierte die fehlende Gesetzgebung vor allem was den Schutz unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge betrifft sowie das Fehlen eines effektiven Integrationsprogramms. Dagegen äußerte sich John M. Nomikos, der Direktor des Instituts für europäische und amerikanische Studien RIAS in Athen, äußerte sich sehr skeptisch und meinte die Mehrheit der in Europa ankommenden seien Wirtschaftsmigranten und keine politischen Flüchtlinge. Die anschließende Diskussionsrunde drehte sich daher vor allem um die Definition, wer ein Flüchtling ist.

Das vierte Panel konzentrierte sich auf die mediale Darstellung und die öffentliche Meinung zu der Flüchtlingskriese. Das Panel wurde moderiert durch Irina Nedeva vom bulgarischen Nationalradio. Hier sprach zuerst Marta Szpala vom Zentrum für Osteuropastudien in Polen. Sie erklärte, dass die aktuelle EU Flüchtlingspolitik in Polen eher negativ aufgenommen wird, da die Entscheidung zu der Quotenverteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten nicht einstimmig getroffen wurde. Sie betonte, dass man zuerst die Öffentlichkeit überzeugen muss, um solche in die Gesellschaft weitreichende Entscheidungen erfolgreich implementieren zu können. Danach folgte ein Vortrag von dem Politologen Dr. Ognyan Minchev, Dozent an der Universität “St. Kliment Ohridski“. Er warnte vor den neuen Gefahren, wie den Terrorismus, die aus der aktuellen Lage im Nahen Osten ausgehen und forderte unter anderem eine stärkere Militarisierung der EU zwecks besseren Grenzschutzes. Zudem solle man in Zukunft mehr Kontrollen einführen und freiwillig auf individuelle Freiheitsrechte im Namen der Sicherheit verzichten. Die anschließende Gesprächsrunde diskutierte die Konsequenzen einer solchen Versicherheitlichung der EU und wie diese die Werte Europas ändern würden. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern, dass die EU aktuelle auf einem Scheideweg steht und ihre Flüchtlingspolitik entscheidend dafür sein wird, ob eher die nationalstaatliche oder eher die supranationale Richtung gewählt wird.

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