Das US-Außenministerium hat nun auch die Generalstaatsanwältin von Guatemala, Consuela Porras, sowie ihren wichtigsten Mitarbeiter, den Sekretär des Justizministeriums, Ángel Pineda, auf die Liste korrupter Akteure im Nördlichen Dreieck (Guatemala, Honduras, El Salvador) gesetzt. Das als „Engel-Liste“ bekannte Register schließt die dort aufgeführten Personen von Reisen in die USA aus und friert gegebenenfalls in den USA vorhandenes Vermögen ein. Bereits vor rund zwei Monaten, nach der Entlassung des Sonderstaatsanwalts gegen die Straflosigkeit, Juan Francisco Sandoval, hatten die USA die Zusammenarbeit mit Justizministerium und der dazu gehörigen Generalstaatsanwaltschaft veingestellt. Damit verbunden waren auch indirekte finanzielle Verluste für Guatemala, da die Unterstützung der Amerikaner vor allem in der technischen und personellen Zusammenarbeit bestand. Inzwischen lässt sich dieser Verlust auch beziffern, denn damit das Ministerium im kommenden Jahr andere Experten zur Unterstützung engagieren kann, soll sein Budget um 28 Prozent steigen: in absoluten Zahlen um 747 Millionen Quetzales, das sind umgerechnet rund 83 Millionen Euro.
Mit Porras und Pineda setzte die Biden-Administration auch fünf Oberste Richter aus El Salvador auf die Korrupten-Liste, ein Signal, dass sie nicht bereit ist, die autoritären Tendenzen und die Aushöhlung des Rechtsstaates in den drei Ländern des nördlichen Mittelamerika zu ignorieren.
Guatemala hat auf die Maßnahme der USA äußerst verschnupft reagiert. Neun Stunden nach deren Bekanntwerden sprach Präsident Giammattei in einer Stellungnahme von Respektlosigkeit, von einer politisch-motivierten Aktion und einem Mangel an Beweisen, schließlich sogar von einer Verletzung der Menschenrechte. Zwei Tage später nutzte er praktisch seine gesamte Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, um die USA sowie andere Geberländer, eigentlich sog. befreundete Staaten, zu beschimpfen. Er bezichtigte sie der Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, warf ihnen vor, die Gewaltenteilung zu ignorieren, und sprach erneut von einer politischen Agenda zum Nachteil der Staaten des Nördlichen Dreiecks. Zugleich forderte er deren „bedingungslose“ finanzielle Unterstützung, ein Ende der angeblichen Benachteiligung beim Zugang zu Corona-Impfstoffen und die Aufnahme Guatemalas in die Liste der vom Klimawandel besonders betroffenen Länder der Erde.
In einem Interview mit der Tageszeitung Prensa Libre hat der Vizepräsident von ASIES (Asociación de Investigación y Estudios Sociales) und ehemalige Vizepräsident und Außenminister Guatemalas, Eduardo Stein, eine der wenigen verbliebenen gesamtgesellschaftlich anerkannten Autoritäten des Landes, das Vorgehen der USA analysiert. Er betont, dass der amerikanischen Entscheidung eine gewissenhafte Bewertung der Fakten und Beweise, die gegen Porras und Pineda vorliegen, vorausgegangen sei; der Regierung nahestehende politische Akteure hatten versucht, dies in Zweifel zu ziehen. Stein wies außerdem darauf hin, dass die Maßnahme das ohnehin schwache Vertrauen von Unternehmern und Investoren in die Verlässlichkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen in Guatemala weiter untergraben und es daher zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen könne, wenn Porras weiter im Amt bleibe. Auf eine solche Entwicklung hatten auch andere Beobachter bereits hingewiesen. Die Äußerungen von Giammattei vor den VN kommentierte Stein so: „Indem er sie (Porras) verteidigt, verteidigt er sich selbst.“
Ganz anders, wenn auch nicht weniger erstaunlich, war der Auftritt des Präsidenten von Honduras, Juan Orlando Hernández, vor der Vollversammlung. Er nutzte die Gelegenheit fast ausschließlich für den Versuch, die seit Langem gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Verstrickung in den Drogenhandel zu entkräften. Er ging sogar soweit, während seiner Rede Kopien angeblicher Transkripte von Telefongesprächen hochzuhalten, in denen Drogenbosse sich darüber ausgetauscht haben sollen, dass sie mit ihm keine Geschäfte machen können, weil er sie bekämpfe. Er behauptete, die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seien nichts weiter als das Produkt der Verärgerung dieser Drogenbosse. In Honduras selbst wurde der Auftritt von Hernández mit Befremdung aufgenommen, da er es versäumt habe, die Interessen und Bedürfnisse des Landes und seiner Bevölkerung zu thematisieren.