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Veranstaltungsberichte

Vor den Wahlen: Frankreichs Aufgaben in Europa

Eine Bilanz des Wiesbadener Tischgesprächs 19. März 2012

„Die Härte der griechischen Krise hat viele Franzosen zum Nachdenken bewegt: Es gibt keine Alternative zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt.“ Vor 70 Teilnehmern erläuterte Dr. Hans Stark, Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen, seine politische Analyse wenige Wochen vor vier nationalen Wahlgängen. Deutschland – so der an der Sorbonne Geschichte der Europäischen Integration lehrende Politikwissenschaftler – habe sich erwiesen als „das einzige europäische Land, das dem Druck der Globalisierung standhält. Das wollen die Franzosen auch schaffen.“

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Dr. Hans Stark (Foto: Christine Leuchtenmüller)

Viele Franzosen, Bürger eines Landes, das „seit 1998 häufig nicht die Stabilitätskriterien einhielt“ und viele „schmerzlose Reformen“ erlebt habe, blickten mit großer Sorge auf ihre wirtschaftliche Zukunft: Während einige „industrielle Champions“ – etwa in der Automobil- und Luftfahrtbranche - sich auf den globalen Märkten behaupten, „fehlt in Frankreich, was Deutschland stark macht: Eine stabile Struktur kleiner und mittlerer Unternehmen sowie die duale Ausbildung.“ Das Defizit in der Handelsbilanz habe die Marke von 70 Milliarden Euro durchbrochen. Allein Deutschland erwirtschafte einen Überschuß in Höhe von 35 Milliarden Euro im Austausch von Waren und Dienstleistungen mit seinem westlichen Nachbarn. Während Stark sehr klar „das große Problem fehlender Wettbewerbsfähigkeit“ benannte, wies er aber ebenso eindeutig auf die Stärken des Landes hin: „Die Franzosen haben die meisten Kinder in Europa.“ Während der demographische Wandel während der nächsten beiden Jahrzehnte etwa die deutschen sozialen Sicherungssysteme starkem Veränderungsdruck unterwerfen werde, sei Frankreich gewappnet: „Dort gehören Kinder zum Bild. Frauen wollen Mütter werden und berufstätig bleiben.“

Hans Stark beurteilte sehr skeptisch alle Prognosen, die die Wahlen bereits für entschieden halten. Nicolas Sarkozy, 2007 angetreten als „Kaufkraft-Präsident“, habe in seiner Amtszeit viele Versprechen nicht einhalten können und habe in Stilfragen einige vielbeachtete Fehlleistungen gezeigt, erweise sich aber in dem aktuellen Wahlkampf erneut als „begnadeter Kandidat“. Im Gegensatz zu Francois Hollande, seinem sozialistischen Gegenüber, der nie ein staatliches Amt auf nationaler Ebene wahrgenommen habe, habe Sarkozy viele Jahre lang als Minister und Präsident politische Verantwortung übernommen: „Viele Franzosen fragen nun: Ist Hollande der richtige Mann für schwierige Zeiten?“

Während Präsident Sarkozy zu einem europäischen Fiskalpakt stehe, der staatliche Ausgaben und Einnahmen in Einklang bringen will, fordere Hollande neue Verhandlungen über diese bahnbrechende Vereinbarung, die er um ein „massives Wachstumspaket“ ergänzen möchte: „Das würden die Deutschen bezahlen. Es geht sehr heftig in die Richtung Transferunion, die auch für die SPD nicht annehmbar wäre.“ Hans Stark kommentierte verwundert Hollandes Initiative, einen neuen deutsch-französischen Vertrag auszuhandeln: „Das ist nicht notwendig. Im Elysée-Vertrag steht alles drin.“

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Dr. Thomas Ehlen

Dr

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Hessen

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