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"Wir müssen die Ärmel hochkrempeln."

Podcast-Reihe der KAS Kongo: Prof. Joséphine Ntumba, stellv. Generaldirektorin der RASKIN

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Im Rahmen seiner Podcast-Reihe hat das KAS-Auslandsbüro in Kinshasa Joséphine Ntumba Nkankolongo interviewt, Professorin für Chemie an der Universität von Kinshasa und die stellvertretende Generaldirektorin der Stadtreinigungsbehörde von Kinshasa (RASKIN).  Im Interview spricht sie über das Problem der Müllentsorgung, die Koordinierung der Umweltpolitik für die 12-Millionen-Einwohner große Stadt und die Verschmutzung des Kongo-Flusses, der ein Symbol des Landes ist. Mit der Podcast-Reihe möchte das Büro trotz der Covid-19-Krise weiterhin die junge politisch interessierte Bevölkerung erreichen und mit ihr über aktuelle Fragestellungen der nationalen und internationalen Politik sprechen. Das Gespräch führte der Leiter des Auslandsbüros Benno Müchler. Hören Sie das Interview unter diesem Link nach.

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KAS DRK: Frau Professor, Kinshasa ist eine besondere Stadt, eine der größten Metropolen Afrikas, gefürchtet für ihr Chaos, geliebt und berühmt zugleich. Sie als „Kinoise“, welche Beziehung haben Sie zu Ihrer Stadt?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Die Beziehung, die ich zu meiner Stadt habe, ist besonders. Kinshasa ist mein Lebensmittelpunkt. Hier lebe ich, hier arbeite ich, hier leben ich und meine ganze Familie. Diese Beziehung ist für mich etwas ganz Besonderes, weil ich glaube, ich schulde der Stadt sehr viel. Sie hat viel für mich getan. Ich habe an der Universität von Kinshasa studiert. Außerdem bekleide ich heute für die Stadt ein öffentliches Amt. Sie sagten es in Ihrer Vorstellung. Die Tatsache, dass ich im Dienst der Stadt stehe und für die Bevölkerung arbeite, schafft eine ganz besondere Beziehung zwischen ihr und mir.

 

 

KAS DRK: Jeder kennt die Staus, die Situation in der Nachbarschaft, den Dreck bei Regen, die Pfützen, die sich in Seen verwandeln. Es tut manchmal weh, wenn man überall so viel Müll sieht. Ich frage mich, wie Sie als Umweltschützerin durch die Straßen von Kinshasa gehen? Stimmt Sie das manchmal hoffnungslos angesichts der Reihe von Problemen? Oder sagen Sie eher, lasst uns die Ärmel hochkrempeln?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Es ist klar, dass jeder, der in Kinshasa lebt, die Probleme kennt. Dafür muss man kein Umweltschützer sein. Viele umweltpolitische Bereiche funktionieren schlecht. Man sieht illegale Mülldeponien. Wir haben eine Stadt, die mangelhaft ausgestattet ist. Die Infrastruktur ist schlecht, die Stadtentwicklung hält nicht Schritt. An vielen Stellen sieht man sogar den Beginn von Erosion. All das führt dazu, dass die Stadt nicht sehr ästhetisch wirkt.

Aber verzweifelt mich das? Nein, es ist nicht hoffnungslos. Es ist wahr, dass es viele, viele Probleme gibt, aber Ja. Wir müssen die Ärmel hochkrempeln, wie Sie sagen, zusammenarbeiten. Wir können die Situation und das tägliche Wohl verbessern. Ich habe eine besondere Beziehung zu Kinshasa und deshalb nehme ich es mir sehr zu Herzen, dass ich durch meine Arbeit die Dinge verbessern kann. Ich habe die Hoffnung, dass wir es eines Tages schaffen, wenn wir Hand in Hand arbeiten.

 

 

KAS DRK: Lassen Sie uns über die RASKIN sprechen, die Sie stellvertretend leiten. Warum kam es vor einigen Jahren zum Namenswechsel von RATPK in RASKIN?

Prof. Ntumba Nkankolongo: RATPK war die Abkürzung für „Régie d’Assainissement et des Travaux Publics de Kinshasa“. Die RATPK wurde ganz einfach zu RASKIN, weil der Teil für „öffentliche Arbeiten“ wegfiel, der TP-Teil von RATPK. Die Abteilung für „Öffentliche Arbeiten“ wurde verlegt und es blieb nur der Teil der Stadtreinigung. Deshalb heißt die RATPK seit 2017 RASKIN. Diese Behörde befasst sich hauptsächlich mit der Bekämpfung von Krankheitsübertragung, der Verschönerung der Stadt, dem Kampf gegen Erosion, Abwasserreinigung, Müllentsorgung und -wiederverwertung sowie grundlegenden Reinigungsarbeiten. Dazu gehören das Straßenkehren, der Anschluss der Stadt ans Versorgungsnetz, die Pflege der Grünflächen und so weiter, alles keine öffentlichen Arbeiten mehr, deshalb ist die RATPK jetzt zur RASKIN geworden.

 

 

KAS DRK: Kinshasa ergriff jüngst Maßnahmen, um die Sauberkeit zu verbessern. Es gab das „Bopeto-Projekt“. Was ist die Fortsetzung dieses Projekts? Sind weitere Projekte in der Pipeline?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Das ist eine sehr interessante Frage, weil sie uns immer wieder gestellt wird. So will ich heute die Gelegenheit nutzen und klarstellen, dass „Kinshasa Bopeto“ ein Projekt ist, das völlig unabhängig von der RASKIN ist, deren Stellvertretende Generaldirektorin ich bin. Daher wäre es mir sehr unangenehm, über “Kinshasa Bopeto“ zu sprechen, da es nicht in meiner Zuständigkeit liegt. Aber soweit ich weiß, ist „Kinshasa Bopeto“ mehr für die Sensibilisierung der Bevölkerung, die Sensibilisierung für Umweltbewusstsein und ökologisches Verhalten verantwortlich, während RASKIN ein technisches Gremium ist, zuständig für das, was ich gerade aufzählte. Aber natürlich arbeiten wir mit „Kinshasa Bopeto“ zusammen, wenn sie gelegentlich Unterstützung bei Maßnahmen brauchen, zum Beispiel mit Lastwagen oder Schaufeln. Dann rufen sie uns an und wir helfen mit Logistik. Aber es ist wirklich eine separate Führung, die nichts mit unserer zu tun hat.

 

 

KAS DRK: Vielen Dank für diese Klarstellung. Ich denke, das ist eine wichtige Information. Lassen Sie mich Ihnen eine allgemeinere Frage stellen. Ich denke, wir können sagen, dass die öffentliche Hand für Naturschutz und Umwelt maßgeblich ist. Aber natürlich gibt es auch eine gewisse Verantwortung der Bürger. Es gab und gibt in Kinshasa mehrere private Initiativen. Gibt es zwischen diesen und der Stadtverwaltung eine Kooperation? Arbeitet die RASKIN mit diesen zusammen?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Der RASKIN sind leider nicht alle privaten Initiativen bekannt, die existieren. Warum? Weil oft die Menschen sich von heute auf morgen sagen, dass sie eine NGO gründen wollen und in einem Bereich der Umwelt tätig werden, ohne sich jedoch vorher bei der RASKIN zu registrieren. Die privaten Initiativen, die wir kennen, sind diejenigen, die zu uns kommen, um eine Genehmigung zu erhalten. Wir erteilen ihnen eine Genehmigung, damit sie in dem Bereich arbeiten können. Es sind diese Strukturen, die wir kennen, es sind diese Strukturen, die wir gelegentlich logistisch unterstützen. Leider gibt es aber viele unter unserem Radar. Daran müssen wir arbeiten. Wir haben bei der RASKIN eine Einheit, die „Grüne Brigade“, die genau dafür verantwortlich ist, die vor Ort tätigen Initiativen zu registrieren, sie zu identifizieren und zu sehen, ob sie ihre Arbeit richtig machen. Die Organisationen müssen sich ausweisen können. Können sie das  nicht, werden sie sanktioniert. Jene, die akkreditiert sind, mit denen arbeiten wir zusammen.

 

KAS DRK: Es gab ein Projekt der EU zur Unterstützung der Stadtreinigung von Kinshasa (Parau), welches die Müllabfuhr finanzierte und zum Deponiezentrum von Mpasa organisierte. Nach dem Auslaufen des Projekts sammeln sich Hausmüll und andere Abfälle auf den Straßen wieder an und bleiben liegen. Wie erklären Sie das Problem?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Das ist leider sehr einfach zu erklären. Es ist wahr, dass "Parau" eine große Reichweite hatte. Wir konnten neun Gemeinden verwalten. Es gab damals 61 Sammelstationen. Heute gibt es vielleicht noch 15. Uns fehlten die Mittel, um "Parau" auf seinem damaligen Niveau zu halten. Es gibt Rückstände bei den Personalgehältern. Der Zustand des Deponiezentrums hat sich verschlechtert. All das trägt dazu bei.

Tut die Stadt das jedoch aus bösem Willen? Nein. Doch weil wir die Mittel nicht haben, spüren wir den Unterschied zu damals, als "Parau" noch lief, heute sehr deutlich. Unsere materiellen und finanziellen Mittel sind wirklich völlig unzureichend.

 

 

KAS DRK: Auf technischer Ebene möchte ich Ihnen die Frage stellen, ob es eine Koordinierung zwischen den vielen verschiedenen Stellen gibt? Für Bürger ist das von außen vielleicht schwer nachzuvollziehen. Aber es gibt mehrere staatliche Stellen, die zuständig sind, zum Beispiel das Umweltministerium, das Gesundheitsministerium und das Amt für Straßenbau und Abwasserentsorgung (OVD), das Nationale Reinigungsprogramm (PNA). Gibt es eine Koordination zwischen diesen Einrichtungen, gibt es Interaktion?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Zugegeben ist die Interaktion sehr schwach. Es gibt sie, wenn die OVD zum Beispiel eine Maschine besitzt, die wir brauchen, dann können wir sie anrufen, uns zu helfen. Aber das passiert wirklich sporadisch. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stellen der Stadt bei der Umwelt ist wenig ausgeprägt. Es besteht hier wirklich Verbesserungsbedarf.  

 

 

KAS DRK: Sie sprachen von den Schwierigkeiten, insbesondere von den finanziellen. Sollte der Bereich der Abfallsammlung in Kinshasa privatisiert werden?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Privatisierung würde zu weit gehen. Aber ich denke, die Unterstützung Dritter wäre allgemein sehr interessant. Man kann an öffentlich-private Partnerschaften denken. Das Feld der Stadtreinigung ist riesig und die Stadt kommt nicht alleine zurecht. Wir sind auf private Investitionen angewiesen. Die Aufsicht muss jedoch bei der Stadt bleiben, im Bereich der Regulierung, der Kontrolle, der Koordinierung der Maßnahmen. Sonst wird es Unordnung geben. Aber die Unterstützung privater Unternehmen wäre interessant und wichtig.

 

 

KAS DRK: Lassen Sie uns den Bereich der Stadtreinigung etwas verlassen und über ihre Rolle als Umweltschützerin sprechen. Kinshasa ist durch seinen Fluss, den Kongo, geprägt, er ist ein Symbol für das Land, er ist ein Rückgrat des Landes. Die Bevölkerung Kinshasas nimmt rapide zu. Entstehen dadurch Probleme für den Fluss, für die Natur, für das Wasser? Sind diese sichtbar? Was muss getan werden und gibt es vielleicht schon Projekte?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Ganz offensichtlich besteht ein Risiko für die Umwelt. Besonders für unseren Kongo. Die Umweltrisiken sind wirklich enorm. Warum? Jeden Tag werden Abwässer und Müll in den Fluss geleitet. Es besteht die Gefahr der Kontaminierung der Gewässer. Krankheiten können übertragen werden. Die Atemkraft des Flusses wird regelrecht erstickt. All die Plastiktüten und sonstigen Kunststoffe bedrohen die Wasser-Fauna. Die Risiken sind sehr, sehr groß. Was ist also zu tun? Es bräuchte einen Stadtreinigungsmasterplan. Doch leider hat die Stadt noch keinen solchen. Und selbst wenn wir ihn hätten, fehlten uns die Mittel, ihn umzusetzen. Doch das bräuchten wir, um in der Lage zu sein, auf konsequente Weise unseren Reichtum, den wir mit dem Kongo haben, zu erhalten. Abfälle dürfen nicht mehr in den Fluss geworfen werden. Doch wir sehen regelmäßig Lastenfahrer, die ihre Abfälle in den Fluss kippen, weil sie nicht wissen, wohin. Es gibt viele illegale Mülldeponien. Wir wissen nicht, wie wir all das koordinieren sollen.

 

 

KAS DRK: Wir haben viel über Probleme gesprochen. Jetzt möchte ich ein wenig über die positiven Dinge und die Zukunft sprechen. Sie sind Akademikerin, Intellektuelle, beschäftigen sich mit der Welt und neuen Trends, mit Fragen der Entwicklung.  Wie eingangs genannt, ist Kinshasa eine besondere Stadt, aufgrund ihrer Größe auch im Bereich der Verwaltung. Gibt es Dinge, die andere Städte in Afrika, auch global von Kinshasa lernen können?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Nun, ich würde da vor allem über die Kultur und Kunst sprechen, die Musik. Wir haben großartige Kunstwerke, Sehenswürdigkeiten. Vor allem zeichnet sich Kinshasa aber durch seine Gastfreundschaft aus. Das ist eine große Stärke der Stadt-Bevölkerung. Und vielleicht ist es das, was andere Städte, insbesondere in Afrika, von Kinshasa lernen können.

 

 

KAS DRK: Das kann ich unterstreichen, Frau Professor. Meine letzte Frage an Sie heute: Was ist Ihre Vision für die Stadt?

Prof. Ntumba Nkankolongo: Ich als Einzelperson habe natürlich eine Vision. Aber vielleicht wird sie nicht befolgt, weil ich nicht die Nummer Eins in der Stadt bin. Die Nummer Eins in der Stadt ist der Gouverneur, daher sollten wir lieber über seine Vision sprechen, zumal sie eine sehr gute ist, die ich voll und ganz teile. Und in dieser Vision, seinem Fünfjahresplan, findet sich unter anderem auch „Kinshasa Bopeto“. Bopeto ist ein Wort aus der Sprache Lingala, was auch mit „Verbesserung“ übersetzt werden kann. Das ist die Vision. "Kinshasa: Verbesserung in allen Bereichen". Im Bereich der Sicherheit, der Stadtreinigung, im Umweltschutz, der Qualitätskontrolle, die Verbesserung des Zugangs zu grundlegenden sozialen Diensten, Modernisierung, die Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitäten, die Schaffung von Arbeitsplätzen für eine attraktive, strahlende und standhafte Metropole, die ihren Bürgern ein gutes Lebensumfeld bietet. Das ist eine Vision, die sehr gut für die Stadt wäre.

 

 

KAS DRK: Joséphine Ntumba Nkankolongo, Professorin für Chemie an der Universität von Kinshasa und Stellvertretende Generaldirektorin der Stadtreinigungsbehörde von Kinshasa. Vielen Dank für dieses Interview.

Prof. Ntumba Nkankolongo: Ich habe zu danken.

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