Asset-Herausgeber

Forum

Die marokkanisch-afrikanischen Beziehungen

Herausforderungen für Wirtschaft, Diplomatie und Migrationspolitik

Am 3. Oktober organisierten die KAS in Partnerschaft mit dem Centre Jacques Berques (CJB) ein internationales Forum in Rabat zu den marokkanisch-afrikanischen Beziehungen.

Asset-Herausgeber

Details

Nicht erst seit der von Marokko offiziell unterstützten französischen Mali-Intervention 2012 lässt sich ein stärkeres geopolitisches wie geoökonomisches Interesse und Engagement Marokkos in Afrika feststellen. Bereits in der neuen marokkanischen Verfassung von 2011 wird das Ziel der verstärkten Süd-Süd-Zusammenarbeit mit Subsahara-Afrika festgeschrieben. Marokko ist seit längerem bemüht, sein außen- und wirtschaftspolitisches Profil in Afrika zu schärfen und seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen auf dem afrikanischen Kontinent (v.a. im frankophonen Westafrika) auszubauen.

 

Am 3. Oktober 2014 organisierten die KAS und das Centre Jaques Berque (CJB) in Kooperation mit dem Centre d'Etudes Sahariennes der Universität Mohammed V Rabat-Agdal und dem Conseil National des Droits de L´Homme (CNDH) ein internationales Forum in Rabat zu den marokkanisch-afrikanischen Beziehungen.

Ziel des Forums war es, das "neue Interesse" Marokkos in Afrika sowie die afrikanischen Interessen in Marokko näher zu beleuchten. Eingeladen waren Akteure aus Politik (Diplomaten), Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, um über die marokkanisch-afrikanischen Beziehungen in den Bereichen Sicherheitspolitik, Wirtschaftskooperation und Migrationspolitik zu diskutieren.

 

Eröffnet wurde das Forum durch den Präsidenten des Conseil National des Droits de l´Homme (CNDH), Driss El Yazamim, den Leiter des KAS-Büros in Marokko, Helmut Reifeld, sowie die Projektkoordinatorin des CJB, Yousra Abourabi. Sie wiesen auf das wachsende Interesse und die zunehmende Notwendigkeit hin, die Themen rund um die Migrationspolitik, die außenpolitischen Beziehungen Marokkos und dem Wirtschaftswachstum Afrikas zu sprechen und mit Hilfe dieses Think Tanks gemeinsam Lösungsansätze zu finden.

 

Die Thematik der diplomatischen Beziehungen Marokkos in Afrika wurde vom früheren marokkanischen Botschafter Khalil Haddoui eingeleitet. Er ging in seinen Ausführungen vor allem auf die Beziehungen Marokkos mit der Afrikanischen Union (AU) ein. Dabei stellte Haddoui mit Hilfe einer historischen Zusammenfassung dar, warum Marokko seine Mitgliedschaft in der AU (früher OAU) aufgab und die Beziehungen bis heute kritisch geblieben sind. Die panafrikanische Organisation befände sich seiner Meinung nach in einer kritischen Situation. Marokko, das wegen der Aufnahme der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) 1984 aus der Vorgängerorganisation der Afrikanischen Union (OAU) ausgetreten ist, sei aktuell für Verhandlungen einer Wiederaufnahme bereit und habe bilaterale Verhandlungen forciert. Auf Seiten der AU, die sich seiner Meinung nach in einer Krise befände, fehle es allerdings an Vorschlägen und notwendiger Kompromissbereitschaft. Man könne Marokko nicht weiter ignorieren, da es sich geopolitisch zu einem entscheidenden Akteur entwickelt habe.

 

Auch Janette Joubert, Botschafterin von Südafrika in Marokko, ging auf die angespannten Beziehungen zwischen Marokko und der AU ein. Der 1975 initiierte „Grüne Marsch“, der von Marokko im Rahmen des Westsaharakonflikts veranlasst wurde und Spanien zur Übergabe der Kolonie an Marokko bewegen sollte, bewertet Joubert als illegale Besetzung und Grund für das angespannte Verhältnis zwischen Südafrika und Marokko. Die Tatsache, dass Südafrika die Seite der Sahara unterstützte, bedeute nicht zwangsläufig, dass Südafrika jegliche Gespräche mit Marokko ablehne. Sie betonte, dass in der heutigen Zeit der regionale und kontinentale Friedensprozess (auch mit Marokko) forciert werden müsse und man sich auf die Gemeinsamkeiten der Länder beziehen solle. Auch wenn politisch nicht immer ein Konsens gefunden werden könne, so sei Südafrika heutzutage viel an einer Kooperation mit Marokko gelegen. Beide Länder teilen gemeinsame Themen wie kulturelle Vielfalt, Wassermanagement, und nachhaltige Energien und könnten mit Hilfe bilateraler Gespräche voneinander profitieren.

 

Bezüglich des wachsenden Bedürfnisses der marokkanischen Sicherheits- und Außenpolitik äußerte sich zum einen der frühere marokkanische Botschafter in Mali, Mustapha Cherqaoui. Er skizzierte anhand des Beispiels der Jihadistengruppe Boko Haram in Nigeria, wie Marokko den zunehmenden religiösen Extremismus bekämpfen könne. Marokko, das über weitreichende Erfahrungen verfüge, könne mit Hilfe bilateraler Gespräche ökonomisch als auch politisch ein Kooperationspartner Nigerias darstellen und als Vorbild im Zusammenspiel von Religion und Politik genutzt werden.

 

Youssef Ait Akdim, Redakteur des Zeitschrift Jeune Afrique, machte in seinen Ausführungen deutlich, dass auch Marokko nicht vor religiösem Extremismus gefeit ist. Ideen des religiösen Extremismus und der Gewalt, die derzeit im Sahel-Sahara-Raum und in Westafrika stärkeren Zulauf fänden, können bis nach Marokko gelangen. Marokko habe daher eine neue Strategie der „religiösen Diplomatie“ für Afrika entwickelt, um stärker gegen die religiöse Radikalisierung in Afrika vorzugehen. Darunter fällt zum Beispiel die im September 2013 von Marokko initiierte Ausbildung von malischen Imamen nach den Grundätzen eines moderat-toleranten Islams malikitisch-sufischer Prägung. Auch wenn das Königreich dies mitunter als Mittel eines „religiösen Marketings“ in Afrika benutzt, könnte diese Strategie helfen, gegen radikale Strömungen und intolerante Islam-Interpretationen in der weiteren Region vorzugehen.

 

Julien Durand de Sanctis, Doktorand und Dozent an der Universität Jean Moulin in Lyon, beleuchtete primär die französisch-marokkanische Sicherheits- und Verteidigungskooperation und warf die Frage auf, ob es sich um eine Partnerschaft oder Konkurrenz der beiden Länder innerhalb ihrer Einflusszonen in Afrika handle. Er argumentierte, dass sich die marokkanisch-französische Partnerschaft stabilisiert habe. Frankreich habe in den Bereichen der Wirtschaft und Rüstungsindustrie in Marokko einen engen Bündnispartner gefunden und baue somit auf die lang verwurzelten bilateralen Beziehungen.

 

Diese Meinung teilte auch der frühere marokkanische Botschafter Mimoun Mehdi, der argumentierte, dass Marokko für Frankreich ein strategisch wichtiger Bündnispartner sowie ein wichtiger Partner innerhalb der afrikanischen Sicherheitsarchitektur sei. Umgekehrt müsse Marokko sich als Teil Afrikas verstehen und gegenseitiges Vertrauen schaffen, um weiter ökonomisch expandieren zu können und ein führender wirtschaftlicher Akteur in Afrika zu werden. Der universitäre Austausch Marokkos mit vielen westafrikanischen Staaten sowie zunehmende marokkanische Investitionen Marokkos Westafrika im Banken-, Telecom- und Logistiksektor seien deutliche Anzeichen für Marokkos neu forcierte Afrikastrategie.

 

Kamel Fahmi, Personalleiter beit Managam, gab ein Beispiel, wie sein Unternehmen in Afrika investiert. Managem ist ein führendes marokkanisches Unternehmen der Metall-Bergbau-Branche und verfügt über 30% der Ressourcen weltweit.

 

Ein weiteres grundlegendes Thema, das während des Forums thematisiert wurde, ist die marokkanische Migrationspolitik.

 

Rudolph Anich, Programmbeauftragter der International Organization for Migration (OIM) in Marokko, erklärte, dass für Marokko die Auseinandersetzung mit dem Thema Migration noch relativ neu sei. Die politische Auseinandersetzung mit dem Thema werde allerdings immer wichtiger für Marokko. Neben den ca. 550 syrischen Kriegsflüchtlingen und den zahlreichen Migranten aus dem Subsahara-Raum, hielten sich derzeit mittlerweile ca. 8000 ausländische Studenten (vor allem aus dem Senegal und Westafrika) in Marokko auf, die teilweise nach ihrem Studium das Interesse haben, sich auf dem marokkanischen Arbeitsmarkt zu etablieren.

Zudem sprach Anich das zunehmende Problem von Rassismus und Diskriminierung schwarzafrikanischer Migranten in Marokko an, das nun auch öffentlich diskutiert werde. Wenn Marokko sich als integraler Teil Afrikas und „afrikanischer Akteur“ verstehen will, so Anich, müsse es auch einen neuen Umgang mit transnationaler Migration in Afrika finden.

 

Fatima Ait Ben Lmadani, Wissenschaftlerin des Institut d´Études Africaines, konzentrierte sich in ihren Ausführungen vor allem auf die senegalesischen Migranten und kritisierte, dass diese Thematik in der marokkanischen Politik oftmals außer Acht gelassen wird, da es, ihrer Meinung nach, niemanden gebe, der dieses Problem aktiv lösen wolle.

 

Der Soziologe Mehdi Alioua kritisierte die oftmals undifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Migration sowie mit dem Begriff „Migrant“. Er betonte, dass jeder, der nicht in seinem Geburtsland lebe, Migrant sei. Was die marokkanische Flüchtlingspolitik betrifft, so seien die marokkanischen Behörden seiner Meinung nach derzeit bemüht, neue Lösungen zu finden. Jedoch sei das Thema in der aktuellen politischen Debatte noch stark unterrepräsentiert und vernachlässigt.

 

Ein abschließendes inhaltliches Résumé des Forums sowie eine Einordnung und Perspektive der marokkanischen Afrikapolitik wurde von Ellinor Zeino-Mahmalat, Projektkoordinatorin der KAS, gegeben.

Asset-Herausgeber

Zum Kalender hinzufügen

Veranstaltungsort

Rabat, Hotel Golden Tulip Farah

Kontakt

Dr. Helmut Reifeld

Kontakt

Dr. Ellinor Zeino

Ellinor Zeino

Leiterin des Regionalprogramms Südwestasien

ellinor.zeino@kas.de
CJB 03-10-2014 Marokko-Afrika KAS
CJB 03-10-2014 Marokko-Afrika KAS

Asset-Herausgeber

Partner

Centre Jacques Berque
Universität Mohammed V

Bereitgestellt von

Auslandsbüro Marokko