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Symposium

Podiumsdiskussion zum Streikrecht in Marokko

Gemeinsam mit der „Association Nationale des Gestionnaires et Formateurs des Ressources Humaines“ (AGEF) organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung am 9. August in Casablanca eine Podiumsdiskussion zu aktuellen Fragen des Streikrechts in Marokko.

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Gemeinsam mit der „Association Nationale des Gestionnaires et Formateurs des Ressources Humaines“ (AGEF) organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung am 9. August in Casablanca eine Podiumsdiskussion zu aktuellen Fragen des Streikrechts in Marokko. Zwar ist dieses Recht grundsätzlich in der marokkanischen Verfassung verankert (Artikel 29), jedoch in seiner Geltung und Anwendbarkeit noch sehr umstritten: In welchem Umfang gilt es zum Beispiel in bestimmten Arbeitsfeldern und in welchen gar nicht? Welche Verfahren sind vorgegeben und welche Auswirkungen kann ein Streik auf die Gehälter oder das Arbeitsverhältnis haben?

Wie Hicham Zouanat, Vize-Präsident der Commission sociale bei der Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM), berichtet, gibt es zwar in Marokko bereits 33 Gewerkschaften, ihnen gehören allerdings nur 10 % der Beschäftigten an und nur ein Drittel der Unternehmen stellt Delegierte frei. Der Respekt vieler Arbeitgeber ist gering, soziale Nachteile oder der Verlust von Zulagen sind die Folge. Der tatsächliche Verhandlungsspielraum von Gewerkschaftsvertretern im Falle eines Streiks ist ebenfalls gering. Darüber hinaus müsse man davon ausgehen, dass nur in jedem fünften Konfliktfall die gesetzlichen Regelungen zum Tragen kämen.

Amal Elamri, Leitungsmitglied der Gewerkschaft UMT und Vizepräsidentin des internationalen Gewerkschaftsverbandes, wurde noch deutlicher: Nur drei von elf Millionen Arbeitnehmern seien in Marokko steuerlich registriert, während die übrigen acht Millionen informell beschäftigt seien und deshalb auch nicht in den Genuss aller Schutzbestimmungen kommen. Dieses Problem könne, so Frau Elamri, jedoch nicht durch ein detailliertes Streikrecht gelöst werden, sondern verlange nach strengeren Kontrollen der Beschäftigungsverhältnisse. Nur so könne das geltende Arbeitsrecht einheitlich angewendet werden. Der Hauptverantwortliche für die Instabilität des Arbeitsmarktes sei aus ihrer Sicht der marokkanische Staat. In diesem Kontext beklagte sie zudem auch, dass Staatsbedienstete grundsätzlich nicht streiken dürfen und dass noch immer der Artikel 288 des marokkanischen Strafrechts in Kraft sei, der für den Aufruf zum Streik gravierende Haftstrafen vorsieht.

Besonders deutlich wurde in dieser Diskussion die Nähe der marokkanischen Gewerkschaften zur Streikpraxis in Frankreich. Hierzu bildete der Vergleich zu Deutschland eine gute Folie. Auch hier ist das Streikrecht (vgl. Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes) geschützt, aber es schützt zugleich auch den Staat und die öffentliche Ordnung, weil es Streiks nur nach Einhaltung einer Friedenspflicht erlaubt! Dies ermöglicht sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern Planungssicherheit.

Die Teilnehmer der Diskussion stimmten darin überein, dass es drei Möglichkeiten gibt, das Streikrecht zu regeln: entweder über den Markt, über den Staat oder über kollektive Verhandlungslösungen. In Deutschland hat man sich für die dritte Option entschieden, und dies ermöglicht einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten. Diese haben ein gemeinsames Interesse daran, die Tarifautonomie (d. h. Vertragsfreiheit) aufrechtzuerhalten und Streiks solange wie möglich zu vermeiden, und zwar in einer Atmosphäre des inneren Friedens und zum Wohle der Gesellschaft als ganzer. Der Vergleich unterstreicht die Vorteile: in keinem anderen europäischen Land sind in den letzten 60 Jahren so wenige Arbeitsstunden durch Streik ausgefallen wie in Deutschland. Speziell im Vergleich zu Frankreich – und eben auch zu Marokko – muss betont werden, dass es in Deutschland kein politisches Streikrecht gibt. Es war Konrad Adenauer, der dies 1948/49 verhindert und den Gewerkschaften im Gegenzug ein hohes Maß an betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung zugestanden hat.

Zweifellos ist das deutsche Beispiel nur begrenzt übertragbar. Dennoch bezeichneten es mehrere marokkanische Teilnehmer als bemerkenswert, dass sich auch die Gewerkschaften in Deutschland in der Regel an die Grundregel gehalten haben, dass nur Löhne vereinbart werden können, die durch die Produktivität gedeckt sind. Im Gegenzug für moderate Lohnforderungen müssen dann aber auch Arbeitsplatzsicherung, Bestandsgarantien, gute Beschäftigungsbedingungen, flexible Arbeitszeiten und vor allem eine weitreichende Mitbestimmung stehen.

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Casablanca

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Dr. Helmut Reifeld

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