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Fachkonferenz

Politische Partizipation und Bürgergesellschaft

Rechte und Pflichten in einer Bürgergesellschaft

Am 24. und 25. Mai organisierten die KAS zusammen mit der rechts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universtität Mohammed V Rabat-Agdal in Rabat eine Fachkonferenz zu "Politische Partizipation und Bürgergesellschaft - Rechte und Pflichten".

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Details

Das Konzept des Bürgers bzw. der Bürgergesellschaft („citoyen“, „citoyenneté“) spielt eine wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Schutz der Menschenrechte und für die aktive Teilnahme in einer Demokratie. In Marokko und in der MENA-Region kommt dem Begriff eine zunehmend wichtige Bedeutung zu. Die marokkanische Verfassung von 2011 erwähnt den Begriff über zwanzig Mal und hat gleichzeitig das Prinzip der „partizipativen Demokratie“ festgeschrieben.

 

Ziel der Veranstaltung war es, den Begriff einer Bürgergesellschaft und seine verschiedenen ideengeschichtlichen Grundlagen zu beleuchten sowie die konkreten Rechte und Pflichten eines Bürgers zu diskutieren.

Für einen erfolgreichen Demokratisierungsprozess in Marokko ist das Ausüben von bürgerlichen Rechten, Freiheiten, Partizipationsmöglichkeiten, aber auch die Übernahme von bürgerlichen Pflichten und bürgerlicher Verantwortung unerlässlich.

 

Folgende Punkte wurden auf der Veranstaltung u.a. behandelt:

 

-ideengeschichtliche Grundlagen einer Bürgergesellschaft

 

-der juristische Status des Bürgers in Marokko

 

-politische Partizipation und Teilhabe in Marokko

 

-Zivilgesellschaft, politische Parteien und soziale Netzwerke als Vektoren für Partizipation und Meinungsbildung

 

-der neue Status von Migranten und Flüchtlingen in Marokko

 

-Bürgergesellschaft im geopolitischen Kontext der arabischen Transformationsprozesse

 

Teilnehmer waren Professoren, Studenten und Nachwuchswissenschaftler, Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie Vertreter von staatlichen Institutionen.

 

Helmut REIFELD, Leiter des KAS-Büros in Marokko, erläuterte die Entstehung des Begriffs des „Bürgers“ bzw. des „citoyen“. Laut Reifeld gebe es keine deckungsgleiche Übersetzung für „citoyen“ im Deutschen, der Begriff „Bürger“ käme diesem aber am nächsten. Dieser bezeichnete im Mittelalter einen Nicht-Adeligen mit bestimmtem Rechten und Pflichten. Im Laufe der Zeit machte das Konzept des Bürgers einige Veränderungen durch, wurde einerseits vermehrt mit Integrität, Verantwortung und einer bestimmten moralischen Dimension in Verbindung gebracht, wurde andererseits von bestimmten politischen Strömungen wie dem Kommunismus oder Faschismus abgelehnt oder gar zum Feindbild erklärt. Trotz dieser Entwicklung in Europa zeigte sich Reifeld überzeugt, dass dieses Konzept nicht auf diesen Kontinent beschränkt ist und es ähnliche Konzepte auch im MENA-Bereich gebe. Die Fachkonferenz würde eine Erfahrungsaustausch ermöglichen und es somit erlauben, „citoyenneté“ besser zu erfassen.

 

Mohammed BRAHIMI von der „Faculté des Sciences Juridiques, Économiques et Sociales Rabat-Agdal“ sah die Ursprünge dieses Konzepts schon bei Aristoteles, der über die Bedeutung gesellschaftlichen Engagements geschrieben habe. In den griechischen Republiken habe es Aristoteles als nötig gesehen, dass die Bürger sich im öffentlichen Leben engagieren, wenn sie Teil eines funktionierenden und nutzbringenden Gemeinwesen sein wollten. Damals seien aber nicht alle Einwohner der Stadt als Bürger angesehen worden, Frauen beispielsweise wurde dieser Status nicht zugestanden. Heute, in Marokko, sie das Konzept der Bürgergesellschaft, zu der alle Marokkanerinnen und Marokkaner gehören, in der Verfassung festgeschrieben. Das Wort „citoyen“ komme alleine 47-mal in der neuen Verfassung von 2011 vor, womit die Bürgergesellschaft als Konzept endgültig in Marokko angekommen sei.

 

Mohammed SASSI, Professor an der Universität Rabat-Agdal, betrachtete die rechtliche und gesellschaftliche Position von religiösen Minderheiten in Marokko und stellte die Frage nach den bürgerlichen Rechten und Pflichten von marokkanischen Juden sowie zur Garantie der Religionsfreiheit im Königreich. Sassi stellte fest, dass die marokkanische Verfassung zwar nur die freie Religionsausübungsfreiheit garantiert, dass ein Religionswechsel und ein theoretischer Abfall vom muslimischen Glauben nach dem marokkanischen Strafrecht jedoch nicht verboten und damit rein rechtlich möglich sind. Diese Möglichkeit gelte daher ungeachtet des im letzten Jahr erlassenen Glaubensgutachtens (fatwa) des Obersten Ulama-Rats des Königreichs, in dem der Abfall vom muslimischen Glauben religiös kriminalisiert und (rein theoretisch) unter Todesstrafe gestellt wurde.

 

Yamine YAMANI von der Universität Mohammed V Rabat-Souissi betonte, dass einem Bürger nicht nur Rechte zustehen, sondern auch Pflichten mit diesem Status verbunden sind. Erst wenn er letztere erfüllt, wird er wirklich zum Bürger. Generell muss in Marokko die Teilnahme am öffentlichen Leben und gesellschaftliches Engagement mehr als Pflicht verstanden werden. Gerade an den Schulen sollte diese Sichtweise stärker vermittelt werden, so Yamani.

 

Der Leiter des KAS-Rechtstaatsprogramms Naher Osten/Nordafrika in Beirut, Peter RIMMELE, betonte, dass politische Partizipation in einer Demokratie mehr als nur die Teilnahme an Wahlen bedeute. Am Beispiel von Deutschland zeigte er verschiedene Möglichkeiten der aktiven Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben auf. Dazu zählen das Ehrenamt, die Vereinskultur, Bürgerinitiativen und für junge Leute insbesondere das Freiwillige Soziale Jahr. Darüber hinaus werden auch Armee und Polizei durch das Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“ eng in die Gesellschaft eingebunden. Im privatwirtschaftlichen Bereich bietet das Konzept der „Corporate Social Responsibility“ Unternehmern die Möglichkeit, bürgerliche Verantwortung im öffentlichen Raum zu übernehmen.

 

Für die arabische Welt empfahl Rimmele einerseits den Abbau von Berührungsängsten zwischen Staat und Zivilgesellschaft, andererseits die Stärkung des rechtlichen und institutionellen Rahmens für ziviles Engagement.

 

Taoufiq GAZOULIT, Berater am Conseil Royal Consultatif des Affaires Saharienne (CORCAS), wies auf den Bedarf eines „globalen Citizenships“ hin. In Zeiten der Globalisierung und transnationaler Migration müsse beispielsweise Auslandsmarokkaners vom marokkanischen Staat die Möglichkeit gewährt werden, ihre bürgerlichen Rechte (bspw. ihr Wahlrecht) auch von außerhalb ihres Staatsgebiets wahrnehmen zu können. Bislang ist es Auslandsmarokkanern mit doppelter Staatsbürgerschaft nicht möglich, über ihre marokkanische Botschaft im Ausland an nationalen Wahlen teilzunehmen.

 

Insgesamt beschäftigten sich 7 Panels mit Themen wie verfassungsrechtliche und ideengeschichtliche Grundlagen von Bürgergesellschaft, Religion und Bürger, der internationalen und transnationalen Dimensionen von Bürgergesellschaft, wirtschaftliche und soziale Aspekte von bürgerlicher Partizipation sowie Herausforderungen und Perspektiven von Bürgergesellschaft in der arabisch-muslimischen Region. Dies ermöglichte es, die Thematik umfangreich zu beleuchten und einen umfassenden Eindruck davon zu gewinnen, welche Rolle Bürgergesellschaft in Marokko und der MENA-Region spielt und wie diese in Zukunft gestärkt und inhaltlich gestaltet werden kann.

 

 

 

Die Veranstaltung war ein Projekt im Rahmen der deutsch-marokkanischen Transformationspartnerschaft des Auswärtigen Amtes.

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Veranstaltungsort

Université Mohammed V Rabat-Agdal, Rabat

Kontakt

Dr. Helmut Reifeld

Kontakt

Dr. Ellinor Zeino

Ellinor Zeino

Leiterin des Regionalprogramms Südwestasien

ellinor.zeino@kas.de
Citoyenneté 24-06-2014 Rabat KAS Marokko
Citoyenneté 24-06-2014 Rabat KAS Marokko
Citoyenneté 24-06-2014 Rabat KAS Marokko
Citoyenneté 24-06-2014 Rabat KAS Marokko

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