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Das versprochene WM-Jobwunder ist ausgeblieben

von Frank Windeck
„Ke Nako", der Schlachtruf der WM, bedeutet übersetzt: ,,Es ist an der Zeit.“ An der Zeit, der Welt zu beweisen, dass Südafrika eine Fußballfeier dieses Ausmaßes bewältigen kann. Der Beweis wurde vor einem Monat mit der Schlusszeremonie eindrucksvoll zu Ende geführt. Mittlerweile ist das Land wieder im Alltag gelandet und der Aufprall ist alles andere als sanft, denn die Probleme Südafrikas sind ungelöst.

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Dies bekam auch die Familie Nelson Mandelas zu spüren. Ausgerechnet an seinem 92. Geburtstag, genau eine Woche nach dem Endspiel, wurden seine Tochter und deren Kinder überfallen. Die Kriminalität im Land ist weiter auf hohem Niveau, auch wenn die befürchteten Übergriffe auf Touristen weitgehend ausgeblieben sind.

Fast unmittelbar nach dem Turnier flammten auch die oft gewalttätigen Versorgungsproteste wieder auf. Das versprochene WM-Jobwunder ist ausgeblieben. Vetternwirtschaft und Korruption blühen, wirklich verdient haben nur die großen Firmen, und die Ärmsten der Armen gehen wieder einmal leer aus. Deren Wut richtet sich, und auch das ist nicht neu, anstatt die wirklich Verantwortlichen zu adressieren, oft gegen die Millionen von Flüchtlingen aus den afrikanischen Nachbarländern. Nicht nur sind diese Menschen unschuldig an den Problemen, die Gewalt gegen sie ist zutiefst absurd. Einerseits wurden die im Turnier verbliebenen afrikanischen Teams frenetisch von den lokalen Fans gefeiert. Das ghanaische Team wurde in Anlehnung an den südafrikanischen Teamnamen „Bafana Bafana" gar mit „BaGhana BaGhana“ bejubelt. Andererseits wurden Angehörige eben jener Fußballnationen nur wenige Tage nach dem Endspiel mit dem Knüppel in der Faust unmissverständlich zur Heimreise aufgefordert.

Auf der politischen Bühne ist nun ein offener Konflikt zwischen dem regierenden African National Congress (ANC) und den lokalen Medien ausgebrochen. Schon seit langem sind dem ANC allzu forsche Enthüllungen zu den zahllosen Verfehlungen seiner Parteioberen ein Dorn im Auge. Nun versucht die Partei, die Medien mit diversen Gesetzesvorhaben an die Leine zu nehmen. Unter anderem soll der Informantenschutz aufgeweicht und investigatives Arbeiten erschwert werden. Ein geplantes Medientribunal, welches an das Parlament und damit die erdrückende ANC-Mehrheit darin berichten soll, ruft neben Journalisten auch die Zivilgesellschaft auf den Plan. Man sieht die Medienfreiheit im Land akut gefährdet. Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzung: die Festnahme eines Journalisten, dessen letzte Story Unregelmäßigkeiten in höchsten Polizeikreisen thematisierte. Präsident Jacob Zuma verhält sich zu allem auffallend still. Seine Vorgänger dagegen verstanden es in der Vergangenheit immer wieder, solche Tendenzen zu unterbinden.

Dennoch hatte die WM auch positive Effekte auf Südafrika. Einige nun erreichte Standards werden erhalten bleiben. So sollen die tausenden extra für die WM eingestellten Polizisten im Amt bleiben und der Verbrechensbekämpfung neuen Schwung geben. Ebenso werden die Special Courts, die WM-Sondertribunale, ihre Arbeit fortführen, um die Wartezeit bei Strafverfahren zu verkürzen. Darüber hinaus scheint man aus den ausländerfeindlichen Übergriffen von 2008 gelernt zu haben. Diesmal war die Polizei schnell zur Stelle, dicht gefolgt von unterstützenden Militäreinheiten, und konnte ein Ausbreiten der Krawalle verhindern.

Es ist also nicht alles schlecht in Südafrika. Allerdings verdanken die Menschen das nicht der Führungskraft ihres Präsidenten. Selbst bei seinen Stadionauftritten, traditionell eine gute Möglichkeit zur Selbstdarstellung, machte Zuma einen schwachen Eindruck, während er stockend seine kurzen Ansprachen verlas. Soll aber der kleine, durch die Weltmeisterschaft ausgelöste Schub sein bisschen Kraft behatten, dann braucht Südafrika eine fokussierte Führung, die weiß, was sie will, die Probleme mit Schwung angeht und demokratieschädliche Entwicklungen ausgleichen kann. In diesem Sinne: „Ke Nako, Mr. President.“

Dieser Text ist als Gastkommentar in der Fuldaer Zeitung vom 10. August 2010 erschienen.

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