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Rückblick/Zusammenfassung der Veranstaltung 25.10.2008

"Integration durch Bildung"

Zu der Veranstaltung vom 25.10.2008 können wir Ihnen an dieser Stelle eine Zusammenfassung anbieten.

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Das Seminar eröffnete Christian Baldauf, MdL mit einem Grußwort zum Thema „Integration geht alle an!“, in dem er die vordringliche Wichtigkeit der Bildung, neben anderen Bereichen, im Zusammenhang mit Integration betonte. Die demografische Dimension der Problematik verdeutlichte der CDU-Vorsitzende an den Zahlen für Rheinland-Pfalz: von rund 4 Millionen Einwohner sind 300.000 Ausländer, von denen 100.000 einen islamischen Hintergrund haben. Insgesamt 800.000 rheinland-pfälzische Einwohner haben einen Migrationshintergrund. Vor allem in Ballungsräumen, in den größeren Städten entlang des Rheins, haben sich Parallelgesellschaften gebildet, so Baldauf. Die Begrifflichkeit „mit Migrationshintergrund“ hält er für problematisch und lehnt diese negative Konnotation ab. Vielmehr ist er der Überzeugung, dass, wer einen deutschen Pass hat, Deutscher ist und davon ausgegangen werden kann, dass Menschen mit deutschem Pass auch das Grundgesetz und die hieraus abgeleitete Ordnung befolgen. „Es ist notwendig“, so Baldauf weiter, „zu lernen, anders übereinander zu reden.“

Für die CDU Rheinland-Pfalz sei daher entscheidend, dass jedes Kind, das eingeschult wird, deutsch können muss. Nur auf dieser Grundlage sei es möglich nicht nur übereinander, sondern auch miteinander reden zu können. Weiterhin sollte der Auffassung Baldaufs zufolge das letzte 3. Kindergartenjahr als sogenannte „Starterklasse“ verpflichtend und Sprachtests obligatorisch werden, um entsprechend sprachlich vorbauen zu können und fehlende Deutschkenntnisse – bei allen Kindern – frühzeitig aufzuarbeiten. Erzieher wie Lehrer müssen besser bezahlt und besser ausgebildet sein, ihr Ansehen muss gesteigert werden, da sie heute nicht mehr bloß Wissensvermittler seien, sondern auch Psychologen und Erzieher außerhalb der Familie. Kinder sollten, so der CDU-Vorsitzende weiter, ihren individuellen Begabungen entsprechend gefördert und zu einem Ziel geführt werden, weswegen auch ein zentraler Bildungsabschluss notwendig sei, um die Ergebnisse vergleichbar zu machen.

Um Integration gelingen zu lassen ist es laut Christian Baldauf unabdingbar sich zunächst darüber bewusst zu werden, wo man selbst steht. Erst wenn dies gegeben sei, könne man sich entsprechend positionieren. Daher mahnte er auch für die eigene Partei und das eigene Umfeld eine verstärkte Selbstvergewisserung, die heutzutage vielfach verlorengegangen sei, und das Bewusstmachen der eigenen Wertvorstellungen an, denn „wer kein eigenes Wertegerüst hat, arbeitet nur mit Vorurteilen“. Auch dürfe Integration keine „Einbahnstraße“ sein: die aufnehmende Gesellschaft müsse immer auch auf den zu integrierenden Menschen zugehen. Allerdings müssen Fragen der Integration notwendigerweise im aufnehmenden, nicht aber im jeweiligen Herkunftsland, diskutiert werden, so Baldauf. In früheren Migrantengenerationen ging man über Jahrzehnte davon aus, dass eine Rückkehr ins Herkunftsland zur Diskussion stehe, weswegen beidseitig für die Integration nichts getan wurde. Da die für die Integration verlorene Zeit nicht aufholbar ist, muss diese Frage umso dringender vorangetrieben werden, meint Christian Baldauf.

Gerd Schreiner, MdL referierte hieran anschließend zum Thema „Integration in Rheinland-Pfalz“. Als Leiter des Arbeitskreises Integration der Mainzer CDU, der sich aus der Beschäftigung mit sozialpolitischen Fragen heraus entwickelte, kennt er die Problemlagen der Integrationsarbeit in Mainz – mit einem Ausländeranteil von 18 Prozent - aus seiner täglichen Praxis. Der Begriff Integration, so Schreiner, setze immer auch voraus, dass es Desintegration gäbe. Und genau hier sei eine problematische Befindlichkeitslage festzustellen, da immer mehr Menschen das Gefühl hätten, unsere Gesellschaft drifte durch kulturelle Globalisierung, hohe Mobilität und die schwierige demografische Lage immer weiter auseinander.

In Rheinland-Pfalz, so führte Gerd Schreiner weiter aus, verlassen 7 Prozent (also fast jeder 12.) der Schüler die Schule ohne einen Abschluss. Auch wenn die Zahlen andernorts – wie beispielsweise in Berlin - höher (35 Prozent) sind, sollte dies bedenklich stimmen. Nach Ansicht Schreiners liegt dies vor allem auch daran, dass in der Regel nicht der hochqualifizierte „Greencard-Inder“ einwandere, sondern vornehmlich jene, die bereits in ihren Heimatländern wirtschaftliche Probleme hatten und einen zumeist anderen als in Deutschland üblichen Bildungshintergrund haben. Somit sei auch das Bildungsproblem bezüglich der Integration der Unkenntnis des deutschen Schulsystems geschuldet, da Kinder in aller Regel dort zur Schule geschickt werden, wo man wohnt und nicht dort, wo Begabungen am besten gefördert werden könnten. Laut Landesverfassung, so Schreiner weiter, sollen Schulen zudem nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, sondern eben auch zu Gottesfurcht und Nächstenliebe erziehen. Daher muss in der Bildung die Wertevermittlung als oberstes Gebot gelten. Schule mache sich nicht an dem aus, was als Schultyp deklariert sei. Vielmehr gehe es, unabhängig vom jeweiligen Schultyp darum, was in der Schule gelehrt wird. Der bestehende Schulzwang biete dem Staat hier die einzige Möglichkeit auf jene Kinder zuzugreifen, die anderweitig für eine Werteerziehung nicht greifbar wären. „Was in diesen Jahren nicht geleistet wird“, so der Referent, „ist nicht nachholbar“. Für den vorschulischen Bereich erachtet Gerd Schreiner es als besonders wichtig Kindertagesstätten personell besser zu versorgen. Ebenso denkbar wäre auch ein teilweiser Ausbau zu „Häusern für Familien“, die einen Raum für mehr ehrenamtliches Engagement bieten würden. Letztlich betrifft eine Integration durch Bildung nicht nur Migranten.

Abschließend appellierte Schreiner dafür immer wieder eine Lobby für Bildung und deren Finanzierung zu schaffen, jungen Menschen etwas zuzutrauen und die Vorbildfunktion von Lehrern und Ausbildern, die durchaus in der Lage sein sollten über Fächergrenzen hinweg lebensbegleitende Inhalte zu vermitteln, stärker in den Fokus der Betrachtung zu rücken. Dies könne aber nicht nur die Politik alleine leisten, diese könne lediglich zu mehr individueller Eigeninitiative ermuntern.

Faruk Ceran, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Self, schloss mit seinem Vortrag zum Thema „Integration in Deutschland“ an. Hierin betonte er den mehrdimensionalen Charakter der Integration und definierte diese als die „gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen“, wobei stets jedoch die jeweiligen Diversitäten Beachtung finden müssten. Die eigene Identität, so Ceran, entstehe immer erst durch Abgrenzung zu anderen Identitäten, was zwar notwendig sei, immer aber auch Gefahren mit sich bringen würde. Auf der Seite der Migranten führten Abgrenzungserfahrungen stets zu Erfahrungen des persönlichen Scheiterns. Dies bereite den Boden für eine Anfälligkeit gegenüber extremistischen Gedanken.

Die Schaffung eines Lebensmittelpunkts in Deutschland setzte bei den Migranten erst sehr spät ein, schilderte Ceran weiter. Bis zum Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre kümmerte man sich zuvorderst um die Versorgung der Familie im Herkunftsland. Allein aus Eigennutz (u.a. angesichts der schwierigen demografischen Situation und dem Mehrwehrt von Migranten für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft) müsste der aufnehmenden deutschen Gesellschaft daran gelegen sein die brachliegenden Potentiale der Migranten im Land zu reaktivieren und zu mobilisieren. Wie aber sind diese Menschen zu erreichen? Faruk Ceran mahnte diesbezüglich an, nicht nur über, sondern auch mit den betroffenen Menschen zu reden, wobei sekundäre und tertiäre Bedürfnisse wie Respekt und Anerkennung ein größere Rolle spielen müssten, um eine emotionale Bindung zu erzielen. „Nur die Sprache macht keine Integration aus.“, so der Referent. Notwendig sei hierfür auch das Zulassen eines differenzierteren Bildes vor allem in den deutschen Medien, die zumeist ein sehr negatives Bild des Islams und von Muslimen zeichneten. Ceran weiter: „Befindlichkeiten innerhalb einer Gesellschaft müssen immer auch entsprechend abgebildet werden“ und gegebenenfalls sollte auch die aufnehmende Gesellschaft auf fremde Befindlichkeiten eingehen, solange dies nicht in gravierendem Maße den eigenen widerspricht, um Kompromisse finden zu können. So gehe beispielsweise der Wunsch nach islamischem Religionsunterricht dem natürlichen Bedürfnis des Menschen nach Glauben nach, weswegen ein entsprechendes Unterrichtsfach für muslimische Kinder auf jeden Fall wünschenswerter sei, als Unterricht in einer „Hinterhofmoschee“. Insofern könne nur dann von einem repräsentativen Charakter gesprochen werden, wenn eine Gesellschaft alle die in ihr lebenden Subjekte in die Verantwortung nimmt und diese auch zulässt (z.B. im Rahmen von politischen Ämtern). Auch sprach Faruk Ceran das Problem der ethnozentristischen Betrachtungsweise an: was für den einen Kulturkreis richtig und wünschenswert erscheine, müsse nicht notwendigerweise in gleicher Weise auch für andere gelten. Zudem gäbe es genügend Problembereiche, die man auch ohne „Kuschelkurs“ diskutieren und lösen könne, wenn man sich an jene wende und mit jenen zusammenarbeite, die die jeweilige „Basis“ repräsentierten.

Der Referent hob abschließend das integrationsfördernde Moment der Religion hervor: „Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen allen Religionen. Religion kann aber integrationsfördernd wirken, wenn man die Gemeinsamkeiten herausstellt.“

Jun.-Prof. Dr. Hawa Engin vom Institut für deutsche Sprache und Literatur an der pädagogischen Hochschule Karlsruhe merkte eingangs ihres Referats zu Thema „Integration durch Sprache“ an, dass der mittlerweile politisch gereifte Grundsatz vom Fordern und Fördern viel früher hätte durch institutionelle Strukturen abgesichert werden müssen. Auch gab sie zu bedenken, dass die herrschende Diskussion sich nicht auf Migranten im Hochleistungsbereich beziehe, sondern stets auf bildungsferne Migranten, die zumeist einen islamischen Hintergrund haben.

Desweiteren verdeutlichte die Referentin die quantitativen Gegebenheiten, denen sich Deutschland als Einwanderungsland gegenübergestellt sieht: in Deutschland leben insgesamt 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, von denen 7,3 Millionen Ausländer sind und 8 Millionen deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. in der Diskussion aber, so Engin, werde meist nur auf die Gastarbeiter geschaut, wogegen die große Zahl der Spätaussiedler beispielsweise kaum berücksichtigt werde. „Den Migranten“ gäbe es nicht und man müsse sich stets im Klaren darüber sein, über wen gesprochen werde.

Bezüglich der Bildungsbeteiligung von Migranten lässt sich, den Ausführungen Engins folgend, für den frühkindlichen und vorschulischen Bereich feststellen, dass im Krippenalter (0-3 Jahre) signifikant weniger Kinder mit Migrationshintergrund erreicht werden, was entwicklungspsychologisch als bedenklich zu erachten ist. Zudem lässt sich empirisch nachweisen, dass Kinder mit dreijährigem Kindergartenbesuch später häufiger höher qualifizierende Schulen besuchen. Beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule sei auffällig, dass die sogenannte fehlende Schulreife bei Kindern mit Migrationshintergrund viel häufiger attestiert werde und in der Regel mit fehlenden Deutschkenntnissen zu dechiffrieren sei. Beim Übergang von der Grundschule zu den allgemein bildenden Schulen ist zudem speziell der Anteil der türkischen Schüler an Hauptschulen bemerkenswert höher, als jener an Gymnasien, und signifikant höher in der Relation zu Schülern aus anderen Migrationshintergründen. Weiter stellte die Referentin dar, dass zum Zeitpunkt des Eintritts in die Berufsbildung die Zahl derer, die ohne Hauptschulabschluss in Übergangssysteme (z.B. PC-Kurse, Vorbereitungsjahr) rutschen, bei rund 84 Prozent liegt. Ein weiterer Problembereich im Bildungskontext liege für Schüler mit Migrationshintergrund in der Unterrichtssprache. Hier mangele es vor allem an sprachlicher Richtigkeit des Gesprochenen, aber auch an dem Vermögen mit sprachlicher Komplexität (z.B. bei mathematischen Textaufgaben) umzugehen.

Dr. Engin zufolge müsse der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten als Gradmesser für die Herstellung einer Chancengleichheit - im Sinne von gleichen Bildungs- und Lebenschancen - im deutschen Bildungssystem fungieren. Auch die Politik habe mittlerweile erkannt, so Engin weiter, dass die Entwicklung des Spracherfolgs in allererster Linie von den Eltern ausgehen muss. Daher sähe der nationale Integrationsplan der Bundesregierung auch ein Programm „Deutsche Sprache von Anfang an fördern“ vor. Es sei aus wissenschaftlicher Sicht unabdingbar die Sprachentwicklung und den Spracherwerb durch die Eltern zu unterstützen, aber auch die Sprachförderung in Betreuungseinrichtungen, um eine durchgängige sprachliche Bildung vom Kindergarten bis hin zur Grundschule zu gewährleisten. Auch müsse die Kinderarmut in Deutschland bekämpft werden, damit der soziale Status der Eltern nicht länger Auswirkungen auf die Bildung der Kinder hat und die strukturelle Benachteiligung von Kindern aus Migrantenfamilien aufgebrochen werden kann. Daher plädierte Dr. Hawa Engin abschließend vor allem dafür im Bildungsbereich mehr Personal zur Verfügung zu stellen, das die kulturelle und sprachliche Vielfalt im pädagogischen Bereich widerspiegelt, sowie Sprachkurse, Nachhilfeangebote und Informationen über frühkindliche Erziehung anzubieten, um sprachlichen Problemen frühestmöglich entgegensteuern zu können.

Zur gelungenen Abrundung des Seminars fasste der Moderator Nathanael Liminski die Hauptaspekte des Tages noch einmal zusammen. Christian Baldauf betonte in seinen Ausführungen die Gleichzeitigkeit von Integrations- und Bildungsproblemen, denen bereits im Bereich der Frühbildung begegnet werden müsse. Als vordringlich notwendig beurteilte er zudem einen allgemeingültigen Werte- und Integrationskanon. Wie auch sein Vorredner stellte Gerd Schreiner im Rahmen seines Vortrags die Problematik eines fehlenden Wertegerüsts heraus, welches in zunehmendem Maße die Gefahr des Auseinanderdriftens der Gesellschaft in sich berge. Überdies hob er die Vorzüge des dualen Ausbildungssystems und die Möglichkeiten für eine gelingende Integration vor allem auf kommunaler Ebene hervor. Faruk Ceran mahnte eindringlich an, dass, sollte Integration gelingen, die bestehenden Gegensätze nicht aufgelöste werden dürften, sondern in verstärkter Weise anerkannt werden müssen. Das Entgegenkommen beider Seiten sollte zudem von gegenseitigem Respekt und Anerkennung geprägt sein, da sich nur so Integration als gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen lassen werde. Integration durch Bildung ist Dr. Hawa Engin zufolge nur dann möglich, wenn die Notwendigkeit der Elternbildung stärker fokussiert, mehr pädagogisches Personal mit Migrationshintergrund eingebunden und die soziale Schlechterstellung von Migranten aufgehoben wird.

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