Asset-Herausgeber

Länderberichte

Zur politischen Situation in Tansania

von Richard Shaba

COUNTRY REPORT

Ehemals unter der Herrschaft des Einparteiensystems ist Tansania heute charakterisiert durch die Pluralität politischer Partien. Wenn auch nur langsam, so konnte die unabhängige Zivilgesellschaft eine Eigendynamik entwickeln.

Asset-Herausgeber

Zur politischen Situation in Tansania

Länderbericht

9. Juli 2009

Von Richard Shaba

(Leiter des KAS Büros in Tansania)

Einleitung

Es gibt eine weitreichende Übereinkunft, dass der Konsolidierungsprozess zu einem partizipatorischem politischen System in Tansania in den letzten 17 Jahren bemerkenswerte Erfolge erzielt hat. Ehemals unter der Herrschaft des Einparteiensystems ist Tansania heute charakterisiert durch die Pluralität politischer Partien. Wenn auch nur langsam, so konnte die unabhängige Zivilgesellschaft eine Eigendynamik entwickeln.

Das Land konnte ebenso Zeuge eines dramatischen Transformationsprozesses der Presse werden. Die staatlichen Medien, die faktisch für Jahrzehnte eine Monopolstellung innehatten, haben ihre Schwerpunkte geändert und wurden zum Sprachrohr verschiedener Meinungen und nicht nur der, der regierenden Partei. Dies ist ein großer Schritt zur Förderung der Demokratie. Dieser Paradigmenwechsel trug auch dazu bei, eine kritische Beziehung zwischen den freien Medien und der Regierung zu erzeugen, welche ein wesentliches Element einer wachsenden Demokratie darstellt.

Dennoch ist der Weg in eine demokratische Kultur weiterhin sehr steinig. Viele Vorbehalte bleiben bestehen. Auch siebzehn Jahre nach Abschaffung des Einparteienstaates führt der Weg durch ein Netz aus Altlasten, sowie kontextabhängigen, rechtsstaatlichen und funktionsbedingten Herausforderungen.

Dieser Bericht gibt eine kurze Einschätzung der jüngsten politischen Entwicklungstrends und der angewandten Praxis im Land. Angenommen dass die derzeitige Situation ein Resultat des Vergangenen ist, so kann man leicht die Zukunft davon ableiten, obwohl im nächsten Jahr wieder Wahlen anstehen.

Der Bericht geht sowohl näher auf die politische, ökonomische und soziale Situation ein, als auch auf die politischen Hauptakteure, namentlich, die regierende Partei, die Oppositionsparteien, die Zivilgesellschaft, die Medien, die zunehmenden fundamentalistischen Bewegungen und den Einfluss externer Faktoren, die die politischen Prozesse beeinflussen.

ZUR LAGE DER WIRTSCHAFT UND DER SOZIALLEISTUNGEN

Tansania befindet sich auf Platz 159 von 175 des Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen und ist somit eines der ärmsten Länder der Welt. Obwohl die Wirtschaft stetig wächst, ist Tansania, was die Deckung der Entwicklungsausgaben betrifft, zu 100 Prozent abhängig von ausländischen Gebern. Die eigenen Steuereinnahmen erreichen nicht das angestrebte Ziel von 18,5 Prozent der Wachstumsrate des Bruttoinlandproduktes. Dies bedeutet, dass Tansania noch hinter den Nachbarländern Kenia und Mozambique liegt, deren Steuereinnahmen mehr als 20 Prozent der Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes betragen.

Die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft, das Rückrat der tansanischen Ökonomie liegt unter der jährlichen Wachstumsrate von 7,3 Prozent. Des Weiteren leidet auch der Tourismus - eine weitere Deviseneinahmequelle – zusammen mit nicht traditionellen Landwirtschaftserzeugnissen, vor allem Blumen und Mineralien unter der weltweiten ökonomischen Krise. Mit einer Arbeitslosenrate von 13 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ist der nationale Traum von einer Millionen neu geschaffenen Arbeitsplätzen unrealistisch.

Verbessertes ökonomisches Management und ein Reformprozess haben die Belastbarkeit der tansanischen Ökonomie gestärkt. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes liegt bei über 5 Prozent seit der Jahrtausendwende. Dennoch hat das ökonomische Wachstum bisher nicht zur Armutsreduzierung in den normalen Haushalten beigetragen. Mehr als ein Drittel der tansanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze und kann die Grundbedürfnisse nicht befriedigen. Ein Fünftel der Bevölkerung hat Schwierigkeiten den notwendigen Nahrungsmittelbedarf zu decken.

28,6 Prozent der Bevölkerung kann in keiner Sprache lesen oder schreiben. Circa 53 Prozent der ländlichen Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 90 Prozent haben keinen Zugang zu elektrischem Strom oder Gas.

Tansania ist eines der Länder in Sub-Shara Afrika, die mit wenigen anderen Ländern zusammen für mehr als 50 Prozent der weltweiten Neugeborenen und Müttersterblichkeit verantwortlich sind. Es sterben 8000 Frauen jährlich bzw. 24 Frauen täglich während der Geburt oder durch Komplikationen, die mit Schwangerschaft und Geburt zusammenhängen. Teil des Problems ist es, das weniger als die Hälfte aller Geburten in einer Gesundheitseinrichtung stattfinden. Die Infrastruktur des Gesundheitswesens ist nahe am Zusammenbrechen und die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren stark gesunken. Die Zahl der Menschen, die mit HIV leben wurde Ende des Jahres 2008 auf 1,8 Millionen Menschen geschätzt. Dies macht die Pandemie zu einem Faktor, der die Gesundheit und die allgemeinen Möglichkeiten der Bevölkerung stark beeinflusst.

DIE SITUATION POLITISCHER PARTEIEN

Auch siebzehn Jahre nach Einführung einer liberalen Demokratie leidet Tansania ist der Einfluss des ehemaligen Einparteiensystems noch stark zu spüren. Die Indikatoren dafür sind zahlreich. Man kann Tansania noch immer als Einparteienstaat mit einem Mehrparteiensystem bezeichnen. Die Politik wird weiterhin von der einen Partei und der einen Generation von Parteifunktionären in ihren späten Sechzigern und Siebzigern dominiert. Die Parteiführung sowohl in der Regierungspartei, als auch in den Oppositionsparteien ist noch immer in den Händen der alten Herren, während die junge Generation am Rande auf die Übergabe der Führung wartet.

Der Entwicklungsprozess zu einer Mehrparteiendemokratie in Tansania wird weiterhin durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt. Das ist z.B. die institutionelle Schwäche in fast aller politischer Parteien durch das Fehlen einer Philosophie bzw. Parteienideologie, das Fehlen von Parteistrukturen und Prozessen, Mangel an partizipatorischer, parteiinterner Demokratie und Kommunikationsmangel zwischen Parteifunktionären, Parteimitgliedern und der allgemeinen Bevölkerung.

Der Mangel an Ressourcen, die Dominanz von Persönlichkeiten und der Einfluss wohlhabender Geldgeberwafadhili wa vyama, die die politischen Parteien vorrangig aus Selbstinteresse unterstützen, sind weitere Faktoren, die die politische Entwicklung in Tansania hemmen.

Ein weiterer oft ignorierter Faktor ist der Mangel an Forderungen der Bevölkerung nach politischen Veränderungen. Man muss dabei ins Auge fassen, dass alle politischen Parteien von oben herab strukturiert sind und in den urbanen Gebieten ihre Zentren haben. Die Parteinen haben bisher wenig getan, die ländlichen Bewohner zu erreichen, die immerhin 87 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Des Weiteren lässt das Wahlsystem winner takes all, kleinere Parteien außen vor und belohnt die regierende Partei mit unproportional vielen Parlamentssitzen und somit mehr finanziellen Mitteln. Ebenso könnte man das Verbot unabhängiger Kandidaten als weitere Einschränkung der Demokratie betrachten.

Es gibt so viele Hindernisse, die die Entwicklung zu einer konkurrenzfähigen politischen Kultur hemmen. Auf Grund all dieser Faktoren und der gegebenen Situation ist es leicht vorauszusagen, dass die nächsten Wahlergebnisse sicherlich wieder zugunsten der regierenden Partei ausfallen werden.

Dennoch bescheinigen aktuelle Studien von Afrometer einen positiven Trend. Während der Umfrage der Nyalali Kommission 1991 befürworteten 77 Prozent die Beibehaltung des Einparteiensystems. Eine Umfrage im Jahre 2003 ergab, dass sich die Meinung der Bürger drastisch zugunsten einer liberale Demokratie geändert hat. 68 Prozent der Befragten betrachteten das Mehrparteiensystem als sinnvoll. Ebenso wichtig ist zu erwähnen, dass nur 28 Prozent der Bevölkerung politischen Parteien nicht nahe stehen, während 72 Prozent eine starke Nähe zu Parteien bestätigten. Dies ist Indikator dafür, dass die Parteien eine große Anhängerschaft haben.

Politische Parteien formen insbesondere den demokratischen Veränderungsprozess. Um jedoch effektiv arbeiten zu können, sollten die Parteinen vier Kriterien erfüllen. Dies ist Kontinuität und die Anforderung die Dominanz der Gründerpersönlichkeit zu überdauern, eine landesweite Organisationsstruktur, der Wunsch an die Macht zu gelangenkushika hatamu or dola und die ständige Bemühung die notwendige Unterstützung der Bevölkerung zu erlangen.

Diese vier Faktoren wurden benutzt, um das Wachstum politischer Parteien in Tansania zu messen. Nach diesen Kriterien können nur vier Parteien in Tansania den Titel „Partei“ für sich in Anspruch nehmen. Allein die Parteien „Popular national Party“(PONA) und „Tanzania Peoples Party“ TPP brachen mit dem Tod des Vorsitzenden im Fall von PONA und mit dem Ausscheiden des Vorsitzenden im Fall von TPP auseinander. Das Streichen aus dem Parteienregister war reine Routinesache.

Ebenso gibt es Parteien, die man eher als politische Plattform für einzelne Individuen bezeichnen kann. Sie haben Strukturen, die jederzeit verändert werden können, um den Wünschen des Gründers zu entsprechen, deren Geld und Charisma Hauptantrieb der Partei sind. Die war der Fall der „United Democratic Party“ UDP von John Cheyo, der „National Democratic League“ NDL von Emmanuel Makaidi, der „Democratic Party“ von Christopher Mtikila, der “Tanzanian Labour Party” von Augustine Mrema und der “Tanzanian Democratic Alliance” von Lifa Chipaka.

Die meisten politischen Parteien können auch das zweite Kriterium -eine landesweite Organisation zu sein- nicht erfüllen. Die UDP ist sehr an den Magu Bezirk gebunden, welches der Heimatbezirk des Vorsitzenden ist. Des Weiteren agieren die DP, die NLD und TADEA von den Häusern der Parteigründer aus.

DIE REGIERUNGSPARTEI

Seit der Einführung des Mehrparteiensystems hat die regierende Partei Chama Cham Mapinduzi (CCM) nicht nur abgelehnt, die öffentliche Verwaltung von der Partei loszulösen, sondern hat weiterhin Immunität genossen und außergewöhnliche Unterstützung durch die staatlichen Strukturen. CCM nutzt weiterhin den Service der regionalen und Bezirksverwaltungen, der Polizei und der staatlichen Sicherheit (Usalama wa Taifa). Somit nutzt die CCM Staatsgelder für reine Parteizwecke einschließlich des Wahlkampfes.

Besonders signifikant ist es, dass die CCM diese staatlichen Strukturen nutzt, um Parteibotschaften und Weisungen weiterzuleiten und auch um gewichtige Parteifunktionäre einzuladen, die ebenfalls hohe staatliche Funktionen erfüllen, was auf Regional- und Distriktkommissare zutrifft, als auch auf Kabinettminister. Dies soll deutlich machen, dass viele der kostenintensiven Parteiaufgaben durch den Staat getragen werden. Die Arguments sind häufig ähnlich: “Hii ni Serikali ya CCM” Das ist die Regierung der CCM or “Hiki ni Chama chenye Dola” Das ist die Partei, die an der Macht ist..

Auf der anderen Seite haben die Partei und ihre Regierung sich geweigert Staatsbürgerkunde, wie von der Nyalali- Kommission empfohlen; anzubieten. Es wird befürchtet, dass eine informierte Bevölkerung zum Nachteil der CCM bzw. der Regierung werden kann. So ist es nicht erstaunlich, dass 4 von fünf Nachwahlen seit 2000 von der Regierungspartei gewonnen wurden. Im Wahlkreis Tarime, in dem die CCM verlor, war der Parlamentssitz bereits vorher in Händen der Opposition, der Chama cha Demokrasia na Maendeleo CHADEMA.

Trotz dieser Vorteile befindet sich die regierende Partei in einer Krise. Hauptgrund dafür ist die politische Korruption, insbesondere im Wahlprozess innerhalb der Partei, in den nationalen Wahlen, aber auch im Bezug auf Partner. Im Gegensatz zu früher, als die Wahlkampagnen durch die Parteien selbst finanziert wurden – unabhängig von Gebern mit ökonomischer Macht-, hat der Liberalismus nun eine Tür für private Wahlkampffinanzierung geöffnet. Die, die bisher als politische Saboteure wahujumu gebrandmarkt waren, sind nun wieder zurück in der politischen Gemeinde als Geldgeber für die Parteien wafadhili.

Mit dem Wachsen einer extrem reichen Gesellschaftsklasse, haben scharfsinnige Politiker schnell die Gelegenheit wahrgenommen die Unternehmer, die bereit sind die Parteiwahlen zu finanzieren und einen Vorteil für ihr Unternehmen heraus zu schinden, für sich zu gewinnen. Das Resultat ist, dass nur die für die CCM nominiert und gewählt werden, die genug Geld haben, um die ausreichende Anzahl an Wählerstimmen zu kaufen. Die, denen das nicht gelingt, haben nur die Wahl zur Opposition überzutreten oder sich von der gigantischen Partei abzuspalten in eine CCM-A oder CCM-B. Politikanalytiker sind sich einig, dass dies ein verschleierter Segen für die politische Landschaft Tansanias wäre, da es das politische Ungleichgewicht zu Gunsten der Opposition verschieben würde.

Das Versagen der Regierung eine Regelung für die Wahlkampffinanzierung in Kraft zu setzen, führt schon jetzt zu Löchern in der Staatskasse, da Bündnisse von Unternehmern und Politikern die Bürokratie untergraben, um öffentliche Gelder in die eigenen Tasche zu wirtschaften.

Ein weiteres charakteristisches Merkmal der regierenden Partei ist der Kampf zwischen der alten Generation vertreten durch Yusuf Makamba – den derzeitigen Parteisekretär und der jüngeren Generation vertreten durch Nape Nnauye. Der Kampf ist so stark, dass er droht die Partei zu zerbrechen. Die älteren Herren – einige von Ihnen sind seit der Unabhängigkeit an der Macht- wollen die Führungsmacht nicht abgeben, während die jüngere Generation sie aus ihrer Positionen herausdrängen will.

DIE ANGESCHLAGENE OPPOSITION

Eine Gemeinsamkeit der Oppositionsparteien ist, dass es keinen bemerkenswerten Unterschied zur Regierungspartei gibt. Die Opposition wird von derselben politischen Schicht geführt, die sich während des Einparteiensystems herausgebildet hat. Man kann annehmen, dass deshalb die Oppositionsparteien dieselben politischen Kategorien, Instrumente, Strukturen und Terminologien im Kampf gegen die Vorherrschaft der regierenden Partei übernommen haben. Dies führt dazu, dass der Durchschnittsbürger keinen Unterschied zwischen Regierungspartei und den Oppositionsparteien sieht.

Dies erklärt auch, warum fast alle Oppositionsparteien mit internen Machtkämpfen und mit Überläufern, die zurück zur CCM überlaufen, hadern. Dies hat nur dazu beigetragen, dass das Vertrauen der Wähler in die Oppositionsparteien geschwächt ist.

Die Beliebtheit der Parteien in der Bevölkerung unterliegt ständigen Schwankungen. Während der ersten Wahlen im Mehrparteiensystem 1995, war die NCCR-Mageuzi und der Führung von Augustine Mrema die beliebteste Oppositionspartei nach der regierenden CCM und der Civic United Front (CUF) unter der Leitung von Professor Ibrahim Lipumba und der United Democratic Party (UDP) und der Führung von John Cheyo.

Im Jahr 2005 hatte sich das Blatt zu Gunsten der CUF gewendet, welche nun an zweiter Stelle hinter der CCM lag. Gefolgt wurde sie von der Chama cha Demokrasia na Maendeleo CHADEMA unter Führung von Freeman Mbowe. Die Tanzania Labour Party TLP, Partei von Mrema lag weit dahinter. Während der Zuspruch von CUF weiterhin angestiegen ist, nahm der von NCCR-Mageuzi, UDP und TLP stetig ab. Die einzige Ausnahme ist CHADEMA, die gerade in letzter Zeit stetig an Zuspruch gewinnen konnte.

Der Druck von Seiten der CHADEMA gegen Bestechung und Korruption innerhalb des Machtapparates hat sich als effektive Stütze im Kampf gegen die Regierungspartei erwiesen und hat die CHADEMA befähigt viele Anhänger zu mobilisieren. Die CHADEMA ist die einzige Partei, von der erwartet wird, dass sie für die CCM in den nächsten Wahlen eine echte Herausforderung auf dem Festland Tansanias darstellt.

Weitere Oppositionsparteien existieren häufig nur dem Namen nach ohne eine Parteiführung oder ein Büro. Es gibt zahlreiche Gründe für die Instabilität der politischen Parteien in Tansania. Dies kann erklärt werden, durch die selektive Verbundenheit des Staates mit der regierenden Partei und der damit verbundenen Ungerechtigkeit in Bezug auf Chancengleichheit und Ressourcen. Die Oppositionsparteien haben noch viele Hürden zu überwinden, wenn sie sich in der Politik des Landes etablieren wollen. Insbesondere die Qualität der Führungskräfte müsste bedeutend verbessert werden. Die internen Faktoren, die das Wachstum der Opposition zurückhalten sind u.a. interne Parteienkonflikte, Mangel finanzieller Ressourcen, organisatorische Schwäche, Verwaltungsdefizite und Führungsschwäche.

Es ist natürlich, dass jeder Parteiführer die Ambition hat, zukünftiger Präsident Tansanias zu werden. Dieser Ehrgeiz motiviert zur Anwendung des gesamten Könnens und Wissen und zur Bereitstellung vorhandener Ressourcen, um der Partei ein gutes Image zu geben. Das Problem beginnt dann, wenn organisatorische Standards für den persönlichen Ehrgeiz aufgegeben werden. Dann beginnt eine Kultur, die die Unentbehrlichkeit des Parteiführers fördert und die Anhängerschaft damit erpresst, dass die Partei zusammenbricht, wenn die Parteispitze ersetzt wird.

Die Krise der TLP und die der UDF rühren beide von diesem Problem her. Obwohl interne Parteiwahlen stattfanden, blieb die Besetzung der Parteiposten gleich. Dies hat die Parteien und deren Beliebtheit stark geschwächt. Gleiches gilt für die NCCR- Mageuzi und in gewissem Maß auch für die CUF.

Man wehrt sich gegen das Ersetzen der Parteispitze oder zieht es gar nicht erst in Betracht. Falls das Ersetzen der Parteispitze doch einmal ernsthaft versucht wird, hat dies häufig die Spaltung der Partei zur Folge. Die TLP hat z.B. dieses Problem, da sie durch interne Machtkämpfe geschwächt ist und versucht wird Mrema durch interne Wahlen zu ersetzen.

Diese Herangehensweise der politischen Parteien schafft ein Problem für jegliches institutionalisieren der Demokratie. In diesem System ist es guten und fähigen Politikern oft nicht möglich aufzustreben und Führungspositionen zu besetzen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Opposition vorrangig durch folgende Faktoren geschwächt wird: interne Parteienkonflikte, Mangel an Organisationsfähigkeiten, Ressourcenmangel, Infiltration durch Spitzel der Regierungspartei mamluki und der Mangel an parteiinterner Demokratie. Die Kombination dieser Faktoren mit einem einengenden Rechtssystem, charakterisiert durch die Tyrannei der staatlichen Verwaltung, erschweren es erheblich parteiliche Strukturen in den ländlichen Regionen aufzubauen und die Unterstützung einer breiten Bevölkerung zu erlangen

DIE SITUATION DER SOZIALGESELLSCHAFT

Die Rolle der Zivilgesellschaft im politischen Geschehen ist ebenso hervorzuheben. Sie ist Übungsplatz für demokratische Partizipation und fördert die Entwicklung politischer Kompetenzen. Aus der Zivilgesellschaft werden neue politische Führungskräfte rekrutiert und über die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen können breite Bevölkerungsschichten erreicht werden. Des Weiteren hat die Gesellschaft neben der Presse eine Aufpasserfunktion. Sie wacht über die staatlichen Tendenzen die Macht zu zentralisieren und somit der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und deren Kontrolle zu umgehen.

Auf Grund von Passivität und Selbstinteresse, einer schlechten Wirtschaftslage, des Mangels organisatorischer Kompetenzen und des Mangels an öffentlichem Interesse, sollte Tansania von der dynamischen Zivilgesellschaft profitieren können. Auch wenn sich Tansania an zahlreichen zivilen Organisationen in vielen Bereichen erfreuen kann, so sind doch viele von ihnen geschwächt, eliteorientiert, stadtbezogen und überleben nur durch externe Spendengelder. Die Gefahr einer solchen Abhängigkeit ist, dass sie sich sofort auflösen sobald die Spendengelder versiegen und sich nach den Vorgaben der Geldgeber richten müssen.

Des Weiteren ist die Zivilgesellschaft durch die Gesetzgebung geschwächt, die es ihnen verbietet sich in die Politik einzumischen, da dies ausschließlich politischen Parteien vorbehalten ist. Interessanterweise haben selbst die Politiker, die viele Vorteile durch die Zivilen Organisationen erlangen keinen Mut, dieses Gesetz zu ändern. Tansania hat die Tradition, Wirtschaftsverbände, Kooperativen, Studentengruppen, Frauenverbände und Fachverbände von der Politik auszuschließen. Die Abwesenheit solcher Interessengruppen im politischen Kontext macht es einfacher Entscheidungen auf der Parteienebene zu treffen. Ein typisches Beispiel ist die Möglichkeit der Parlamentarier ihr Gehalt und andere Zuschläge selbst zu erhöhen.

DIE UNION

Obwohl während der letzten 20 Jahre viele Kommissionen gebildet wurden, die sich mit der Krise der Union beschäftigten, konnte noch keine Lösung gefunden werden. Faktisch gibt es zurzeit mehr Beschwerden, als jemals bevor. Während es zuvor immer um die Struktur der Union ging, so geht es nun um die Verteilung der Ressourcen.

Sansibar beschwert sich, dass die Unions-Regierung alle externen Hilfsgelder für sich behält. Des Weiteren beklagt sich Sansibar, dass alle durch den Mineralienabbau gewonnenen Steuergelder auf dem Festland verbleiben. Dieses Problem löste eine große Debatte im Repräsentantenhaus, als auch außerhalb dessen aus. Dem wird entgegengestellt, dass Sansibar alles Einkommen aus Öl- und Gasvorkommen auf der Insel gehört, wenn das Festland alle durch den Mineralienabbau eingenommenen Steuern einbehält. Diese Aussage behauptet, dass Öl- und Gasvorkommen auf Sansibar keine Angelegenheit der Union seien.

Ein weiteres fortbestehendes Problem ist die Position des Präsidenten von Sansibar. Während dem Präsidenten von Sansibar automatisch das Amt des Vizepräsidenten zusteht, machte die Unionsregierung Änderungen, um die Strukturen an das Mehrparteiensystem anzupassen, in dem die Kandidaten Partner habe müssen, was den Präsidenten von Sansibar zu einem einfachen Kabinettminister degradiert. Die Politiker in Sansibar sehen dies als verfassungswidrig.

Sansibar und auch Festlandstansania sind sehr lautstark, wenn es um die Frage der Einrichtung eines Verfassungsgerichtes geht. Dies ist seit der Unabhängigkeit im Jahr 1964 nicht geschehen. Man hofft, dass dadurch viele Probleme der Vergangenheit und auch der Gegenwart gelöst werden können.

Auch die Stellung Sansibars in der East African Community (EAC) ist umstritten. Die Vertreter der Inseln fühlen sich unterrepräsentiert und beschweren sich, dass die meisten Entscheidungen in Dar es Salaam getroffen werden, ohne vorherige Konsultation mit Sansibar. Die Vertreter von Festlands Tansania, beschweren sich unterdessen über die Minister Sansibars in den Ministerien, die nicht die Union betreffen und behaupten, dass dies nicht richtig sei, da auch keine Minister von Festlands Tansania im Kabinett von Sansibar seien.

Es ist vorauszusehen, dass diese Streitpunkte zu einer politischen Krise führen werden, wenn nicht die bestehenden 1964 Artikel der Union als Grundnorm geltend gemacht werden oder in einer freien Wahl entschieden wird, welche Form einer Union die Tansanier wollen. Offenbar haben jedoch die Unionsregierung und die Führung von Sansibar beschlossen erst einmal passiv zu bleiben, um Zeit zu gewinnen.

FUNDAMENTALISTISCHE FAKTOREN

In Tansania kann man derzeit eine starke Zunahme verschiedener Fundamentalistischer Bewegungen beobachten. Dies schließt den islamischen Militarismus, christliche Erweckungsbewegungen und auch den traditionellen Hexenglauben mit ein. Diese Entwicklungen sind Indikatoren einer sozialen Krise und kann aus zwei verschiedenen Perspektiven erklärt werden.

Auf der einen Seite ist der Anstieg islamischen Fundamentalismus und christlicher Erweckungsbewegungen ein Ergebnis der Freiheit, die den Liberalismus begleitet. An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass unter der Ein-Parteien Herrschaft alle potentiellen Organisationen von der Regierungspartei kooptiert, unterdrückt oder reglementiert wurden. Im Bezug auf religiöse Organisationen, geschah dies durch den Christian Council of Tanzania (CCT) und den nationalen muslimischen Rat Tansanias (BAKWATA). Durch den Liberalismus gibt es nun die Freiheit sich zusammenzutun und u.a. gegen die etablierten Regeln zu protestieren.

Auf der anderen Seite sind die christlichen Erweckungsbewegungen ein Ergebnis der mangelnden Kompetenzen von Seiten des Staates, die vorhandenen Ressourcen allen sozialen Gruppen zukommen zu lassen. Während die wirtschaftliche Krise immer intensiver zu spüren ist und der Wettlauf um Ressourcen immer drastischer wird, haben die Menschen alte und traditionelle Strukturen wiederbelebt, um in der Krise einen Halt zu haben. Dies erklärt warum fundamentalistische Bewegungen solchen Zulauf haben. Zusätzlich beginnen diese Bewegungen auch das politische Geschehen zu durchdringen und die Politik zu beeinflussen. Traditioneller Hexenglauben und die Hexenjagd haben wieder an Bedeutung gewonnen. Insbesondere in den Regionen um die Seen, wo alte Frauen als Hexen und Albinos aus geschäftlichen und politischen Motiven getötet werden. Ebenso wichtig sind ethnische Symbole, die Sprache und Verbindungen, die politisch signifikant sind und somit zu einer Quelle ethnischer Solidarität werden. Es sind diese Strukturen, durch die, die Vorzüge der Modernität zu Lasten anderer ethnische Gruppen gefestigt werden können.

Das Erstarken des Tribalismus und des religiösen Militarismus sind Zeichen für das Versagen politischer Aktionäre auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere im Bezug auf die Bereitstellung von sozialen Diensten, einzugehen. Dies führt dazu, dass politische und soziale Beziehungen immer mehr durch fundamentalistische Strukturen beeinflusst werden und den Menschen Unterstützung, Zugang zu Ressourcen und Sicherheit bieten.

Unter diesen Umständen ist die Rolle des Staates als Beschützer, die Legitimität des Staates und das Konzepte des Staatseigentums in Gefahr. Der Staat und all das wofür er steht werden zu Opfer dieser Prozesse und Entwicklungen.

Es wird sehr deutlich, dass die politische Stabilität in Tansania durch die Aufsplittung der Gesellschaft in verschiedene Interessengruppen stark gefährdet ist. Gerade Jugendliche, die nichts zu verlieren haben und breit sind, ihre Arbeitskraft jedem zu verkaufen, der sie bezahlen kann, tun dies ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Die Gefahr, die vom Fundamentalismus ausgeht und die Stabilität des Landes bedroht ist erheblich.

Ahmed Gaillan, ein junger Mann aus Sansibar, der der Drahtzieher für das Attentat auf die Amerikanische Botschaft in Dar es Salaam und Nairobi 1998 war, steht nun vor amerikanischen Gerichten, nachdem er in Pakistan gefasst wurde.

DER EINFLUSS AUSLÄNDISCHER GEBER

Mit einer beinahe einhundertprozentigen Abhängigkeit von ausländischen Gebern, was das Entwicklungsbudget Tansanias angeht, ist die Unabhängigkeit Tansanias stark eingeschränkt. Der Präsident hält sich häufig im Ausland auf (7 Reisen in die USA in zwei Jahren), um Kontakte zu pflegen und um Hilfsgelder erbitten. Der Einfluss ausländischer Kräfte auf das politische System Tansanias ist so groß, dass dem Land in seinem Tun stark eingeschränkt ist und sich nach den Vorgaben der Geberländer und Geberorganisationen richten muss. Dieser Faktor trifft nicht nur den Staat, sondern auch gesellschaftliche Organisationen die versuchen müssen die Vorgaben der unterstützenden Partnerorganisationen zu erfüllen.

Dies hat zur Folge, dass die Zukunft des Landes nicht durch interne Dynamik gesteuert wird, sondern durch externe Faktoren, was auch als Management durch die Krise bezeichnet wird. Offensichtlich wurde in Tansania die Wende zum Liberalismus durch Druck von Außen eingeleitet. Dies bedeutet nicht, dass das Land immun gegen politische Krisen ist. Deshalb Tansania externe Beratung und evtl. Interventionen, um das Land zu stärken und die Freiheit und Stabilität des Landes auszubauen.

DIE ZUKUNFT (AUSBLICK)

In Tansania werden im nächsten Jahr die fünften freien Wahlen erfolgen. Berücksichtig man die vorausgehenden Entwicklungen, so ist eindeutig, dass die Regierungspartei an der Macht bleiben wird, nicht wegen ihres politischen Programms, sondern wegen ihrer Stärke und ihren bereits vorhandenen Strukturen. Durch den aktuellen Aufschwung der CHADEMA wird sich die Anzahl ihrer MPs verringern, aber sie wird weiterhin an der macht bleiben.

Wenn die CCM an der Macht bleibt, wird die Politik Tansanias weiterhin von externen Geldgebern beeinflusst werden. Die CCM verfügt nicht über genügend Kapazitäten, um die Staatsangelegenheiten bei der vorhandenen schwachen Wirtschaftlage zu managen. Die interne Demokratie der CCM wird weiterhin durch Intrigen geprägt sein. Die politische Korruption ist auf allen Ebenen der Partei verbreitet und ohne, dass die Partei die Fähigkeit hat, die Korruption zu bekämpfen.

Während sich die Gesellschaft immer mehr in Interessengruppen zersplittert, entwickeln sich neue Gruppierungen, die nicht länger mit den aktuellen Gegebenheiten zufrieden sind. Dies könnte die Stabilität Tansanias gefährden und den Mythos eines friedlichen und stabilen Tansanias zunichte machen. Das Emporsprießen von islamisch-fundamentalistischen Gruppen und evangelischen Erweckungsbewegungen, Hexenglauben, Raubüberfällen, Korruption und das Plündern öffentlicher Gelder durch Verwaltungsangestellte sind eindeutige Indikatoren für Gesetzeslosigkeit und das Überleben des Stärkeren.

Frage der Union ist eine weitere schwierige Angelegenheit, die weiterhin -ins besondere von Sansibar aus- die politische Stabilität gefährden wird. Teil des Problems ist die momentane Regierung, die jedoch kein Interesse an einer dauerhaften Lösung zeigt, solange sie nicht durch externe Geber dazu gezwungen wird.

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