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Kabinettsumbildung in der Türkei

von Sven-Joachim Irmer

Am 19.07.2017 erfolgte eine schon lange erwartete Kabinettsum-bildung durch Staatspräsident Erdoğan.

Die schon lange erwartete Kabinettsumbildung, die durch den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan entschieden und durch den Ministerpräsidenten Binali Yıldırım verkündet wurde, brachte einige Überraschungen mit sich.

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Für Beobachter in der Türkei ist das neue Kabinett weniger ein politisches Kabinett als ein Kabinett von Technokraten. Der Zeitpunkt der Regierungsumbildung überraschte die Bevölkerung und die betroffenen Politiker gleichermaßen. Hakan Çavuşoğlu, einer von insgesamt fünf neuen stellvertretenden Ministerpräsidenten, berichtet, dass er von seiner Ernennung aus dem Fernsehen erfahren hat. So erfuhren auch die ausscheidenden Minister aus den Nachrichten von der Kabinettsumbildung. An den ausgewechselten Ministern gab es zuvor weder Kritik noch Rücktrittsforderungen in der Presse oder in den sozialen Medien. Präsident Erdoğan beklagte sich erstmals über die Ermüdung der AK Partei (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) bei seiner Wiederwahl als AK Partei Vorsitzender Ende Mai 2017. Beobachter vermuten, dass bis zur Präsidentschaftswahl 2019, bei der auch das Präsidialsystem eingeführt wird, es zu weiteren Kabinettsumbildungen kommen kann.

Überraschend kam für Viele, die Abberufungen der als erfolgreich geltende Minister und langjährige Wegbegleiter von Präsident Erdoğan, wie Akif Çağatay Kılıç (Jugend- und Sportminister) oder Faruk Çelik (Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Viehzucht). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Abberufung von Tuğrul Türkeş, der Sohn von Alparslan Türkeş, Gründer der Partei der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung). Türkeş hatte sich mit dem MHP-Parteivorsitzenden Devlet Bahçeli vor dem Wechsel zur AK Partei überworfen und entschied sich im November 2015 die MHP zu verlassen.

Dem neuen Kabinett gehören wie bisher 27 Minister an. Darunter sind nun zwei Frauen, was als Besonderheit gilt.

Technokraten dominieren das neue Kabinett – die sechs neuen Minister:

Hakan Çavuşoğlu, Stellvertretender Ministerpräsident

26.02.1972 in Komotini, Griechenland geboren. Er besuchte eine Imam Hatip-Schule (Berufsfachgymnasien für die Ausbildung zum Imam) und studierte Rechtswissenschaften an der Ankara Universität. Er arbeitete als selbstständiger Anwalt und ist ehemaliger Vorsitzender des Vereins für Thrakientürken in Bursa. Çavuşoğlu ist gewählter Abgeordneter für Bursa und Mitglied in der Justizkommission.

Abdülhamit Gül, Justizminister

Gül wurde 1977 in Gaziantep Nizip geboren. Er studierte an der Ankara Universität Rechtswissenschaften. Gül arbeitete als selbstständiger Rechtsanwalt in Ankara und ist Mitglied von HUDER, einer Forschungseinrichtung für Rechtswissenschaften.

Er war Mitglied des Jugendvorstands der Refah ve Fazilet Parti (Wohlfahrtspartei, RP), von 2003-2010 hatte er eine leitende Rolle in der Saadet Parti (Partei der Glückseligkeit) inne, die beide aus der Milli-Görüş-Bewegung entstanden, 2010-2012 war er Vorsitzender für Ankara der HAS Partei (Partei der Volksstimme).

Am 30.09.2012 wurde Gül zum Mitglied des AK Partei Parteivorstandes gewählt. 2014 wurde er stellv. Parteivorsitzender, verantwortlich für die Kommunalverwaltung in der Partei. Seit 2015 ist er Abgeordneter für Gaziantep, auf nationaler Ebene war er Generalsekretär in der AK Partei und Parteivorstandsmitglied. Weiterhin wirkte er bei den Grundgesetzänderungen mit, die er gemeinsam mit der MHP erarbeitete.

Jülide Sarıeroğlu, Ministerin für Arbeit und Soziales

Sarıeroğlu ist die zweite weibliche Arbeitsministerin seit 1991 in der Türkei. Sarıeroğlu wurde am 07.06.1979 in Adana geboren und ist nicht verheiratet. Seit 2008 ist sie in der AK Partei aktiv und seit 2015 als Abgeordnete für Ankara. Sie ist Arbeitsökonomin und Gewerkschafterin.

Sarıeroğlu hat ihren Abschluss in Arbeitsökonomie und Industrielle Beziehungen an der Ankara Gazi Universität gemacht. In diesem Fachbereich promoviert sie zur Zeit.

Sie wirkte an einigen Büchern mit, in denen es thematisch um den Schutz für arbeitende Frauen und Kinderrechte geht.

Seit 2008 hat sie in der AK Partei zahlreiche Aufgaben übernommen, arbeitete lange Jahre in einer Oberorganisation der Gewerkschaften namens HAK-İŞ zum Arbeitnehmerschutz und war Vorsitzende der Öz Sağlık-İş Sendikası (Gewerkschaft für Gesundheit).

Dr. Osman Aşkın Bak, Jugend- und Sportminister

Bak wurde am 11.10.1966 in Istanbul geboren. Er studierte an der Technischen Universität Istanbul Maschinenbau sowie an der Nottingham Universität Betriebsleitung und Industrieingenieurwesen. Bak promovierte in Industrieingenieurwesen an der Technischen Universität Istanbul.

Bak nahm verschiedene Positionen als Vorsitzender oder Generalsekretär von zahlreichen Sportclubs und der türkischen Föderation ein.

Er war Mitglied der türkischen Gruppe der parlamentarischen Versammlung der NATO. Des Weiteren war er Kommissionssprecher für auswärtige Beziehungen und Vorsitzender der Forschungskommission im Kampf gegen Drogen im türkischen Parlament.

Ahmet Eşref Fakıbaba, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Viehzucht

Fakıbaba wurde 1951 in Şanlıurfa geboren. Er studierte Medizin an der Atatürk Universität in Erzurum. Nach einigen Jahren Arbeitserfahrung in Istanbul kehrte er zurück in seine Heimatstadt Şanlıurfa, wo er 11 Jahre als Chefarzt gearbeitet hat.

2004 wurde Fakıbaba zum Bürgermeister gewählt und verschaffte sich eine vielbeachtete Reputation im Bereich der Landwirtschaft.

Ahmet Demircan, Gesundheitsminister

Demircan wurde am 03.07.1954 in Samsun geboren. Er studierte Medizin an der Atatürk Universität in Erzurum und profilierte sich als erfolgreicher Chirurg.

Demircan, der in der 54. türkischen Regierung von Necmettin Erbakan (Wohlfahrtspartei) Staatsminister war, verfügt über langjährige Erfahrung in der Politik und der Verwaltung. Er war zwei Legislaturperioden Abgeordneter für Samsun.

Das neue Kabinett in der Gesamtübersicht

Ministerpräsident Binali Yıldırım

Stellv. Ministerpräsident Bekir Bozdağ: Regierungssprecher, Parlament, Staatsrat, nationales Fernsehen (TRT), Staatliche Nachrichtenagentur der Türkei (Anadolu Ajansı).

Stellv. Ministerpräsident Mehmet Şimşek: Koordination für Ökonomie und Banken.

Stellv. Ministerpräsident Fikri Işık: Generalsekretariat für Nationale Sicherheit (MGK), Hoher Rat für Radio und Fernsehen (RTÜK), Atatürk Institution für Kultur, Sprache und Geschichte, Personal Data Protection Authority (KVKK).

Stellv. Ministerpräsident Recep Akdağ: Zypern-Angelegenheiten, bessere Möglichkeiten für Investitionen, Katastrophenschutzbehörde der Türkei (AFAD) und Investment Support and Promotion Agency.

Stellv. Ministerpräsident Hakan Çavuşoğlu: The Alliance of Civilizations Initiative, Vorbereitung zum 100-jährigen Jubiläum, Stiftungsamt, Präsidium für Auslandstürken (YTB), Generaldirektion für Presse und Information, Präsidium für internationale Kooperation und Koordination.

Minister für Justiz: Abdülhamit Gül

Ministerin für Familie und Sozialpolitik: Fatma Betül Sayan Kaya

Minister für EU-Angelegenheiten: Ömer Çelik

Minister für Wissenschaft, Industrie und Technologie: Faruk Özlü

Ministerin für Arbeit und Soziale Sicherheit: Jülide Sarıeroğlu

Minister für Umwelt und Stadtentwicklung: Mehmet Özhaseki

Außenminister: Mevlüt Çavuşoğlu

Minister für Wirtschaft: Nihat Zeybekçi

Minister für Energie und natürliche Ressourcen: Berat Albayrak

Minister für Jugend- und Sport: Osman Aşkın Bak

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Viehzucht: Ahmet Eşref Fakıbaba

Minister für Zoll und Handel: Bülent Tüfenkçi

Minister für Inneres: Süleyman Soylu

Minister für Landesentwicklung: Lütfi Elvan

Minister für Kultur und Tourismus: Numan Kurtulmuş

Minister für Finanzen: Naci Ağbal

Minister für Bildung: İsmet Yılmaz

Minister für Nationale Verteidigung: Nurettin Canikli

Minister für Forst- und Wasserwirtschaft: Veysel Eroğlu

Minister für Gesundheit: Ahmet Demircan

Minister für Verkehr-, Schifffahrt- und Kommunikation: Ahmet Arslan

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19. April 2017
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