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Veranstaltungsberichte

Delegationsreise des tunesischen Think-Tank ITES nach Brüssel und Berlin

von Olfa Béji
Mitarbeiter des tunesischen "Institut Tunisien des Etudes Stratégiques" (ITES) nahmen im Mai 2017 an einer Delegationsreise teil, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert wurde, um die europäische und deutsche Think-Tank Landschaft kennenzulernen.

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Der Think Tank „Institut Tunisien des Etudes Stratégiques“ (Tunesisches Institut für strategische Studien, ITES), der 1995 gegründet wurde, berät unter anderem das Kabinett des tunesischen Präsidenten. Seine Mission besteht in der strategischen Beratung und in der Erarbeitung zukunftsorientierter Strategien für Tunesien. Nach der Revolution 2011 und besonders seit Juli 2015 entwickelte sich ITES immer stärker zu einem Forschungsinstitut, das zu innen- und außenpolitisch relevanten Themen wie Stadtpolitik, Gesundheitswesen, Wasserversorgung und Sicherheit arbeitet. Dabei hat es sich insbesondere der Aufgabe angenommen, eine umfassende Studie zur Zukunft Tunesiens zu verfassen („Tunisie en 2025“). Mehr als 40 Experten wurden dafür einbezogen und über 700 Personen befragt. Die Studie entwirft Visionen, Reformen und Initiativen, die Tunesien aus der politischen und wirtschaftlichen Krise heraushelfen und es zu einem aufstrebenden, mit sich versöhnten und stabilen Land transformieren sollen.

Da die Europäische Union ein wichtiger Partner Tunesiens ist, strebt ITES die Ausweitung und Stärkung seiner Partnerschaften mit regionalen und internationalen Organisationen an. Die Konrad-Adenauer-Stiftung organisierte aus diesem Grund vom 14.-20. Mai 2017 eine Studien- und Dialogreise nach Berlin und Brüssel für fünf ITES-Mitarbeiter/innen. Ziel dieser Reise war es, deutsche und europäische Institutionen näher kennen zu lernen und ihre Rolle im politischen Leben zu verstehen. Darüber hinaus bot dies ITES die Möglichkeit, Kontakte mit anderen Think Tanks und Institutionen auf europäischem Terrain zu knüpfen.

Die Reise führte die Teilnehmer/innen für zwei Tage nach Brüssel und für drei weitere Tage nach Berlin. 15 Institutionen wurden besucht und zahlreiche Gesprächsrunden mit Diplomaten, Verantwortungsträger, Experten und Wissenschaftlern geführt – vor allem politisch und ideologisch unabhängige Organisationen waren für den Think Tank interessant. Unter den Delegationsteilnehmern waren neben dem Leiter der Abteilung "Strategischen Studien“ Mehdi Taje, ITES Mitarbeiter/innen aus den Abteilungen für Partnerschaften, politische Studien und der Kommunikation.

ITES und der Ausbau von Partnerschaften

Die Delegationsteilnehmer/innen diskutierten mit europäischen und deutschen Organisationen die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen Europa und Tunesien stehen. Vor allem in der Außen- und Nachbarschaftspolitik und zu Sicherheitsthemen wie Radikalisierung und Terrorismus gab es zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen ITES und möglichen europäischen Partnern wie dem European Policy Center und dem Egmont Institut.

Das Treffen mit dem German Marshall Fund, einer unabhängigen amerikanischen Stiftung mit Sitz in Brüssel, endete mit einem Kollaborationsversprechen des Repräsentanten der Stiftung. Der German Marshall Fund erstellt Studien und Programme mit regional und international relevanten politischen, wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Themen. ITES hofft, sich durch eine Partnerschaft mit der GMF zu einem Ansprechpartner für Initiativen im Mittelmeerraum zu entwickeln und für seine Studie „Tunisie en 2025“ zu werben.

Fragen zu Wirtschaft und Digitalisierung wurden mit dem European External Action Service (EEAS) und dem Centre des Etudes Politiques Européennes (CEPS) diskutiert. Colin Scicluna vom EEAS wies darauf hin, dass Tunesien ein wichtiger und enger Partner Europas bleibe und Europa weiter in die sozio-ökonomische Entwicklung Tunesiens investieren werde (die jährliche europäische Unterstützung für Tunesien liegt derzeit bei 300 Mio. EURO). Die Zukunft der Jugend und der Bildung sowie die politische und wirtschaftliche Dezentralisierung gehörten zu den dringendsten Herausforderungen, vor denen Tunesien stehe.

Das Treffen mit Michael Köhler, Direktor der EU-Nachbarschaftspolitik der Europäischen Kommission, gestaltete sich ähnlich reichhaltig und die Bedeutung eines verstärken Austausches zwischen Tunesien und der Kommission wurde von beiden Seite unterstrichen. Trotz erfolgreich durchgeführter Projekte der EU in Tunesien sei die Wahrnehmung des EU Büros in Tunis und seiner Tätigkeiten gering, so ITES.

Während ihres Aufenthaltes in Brüssel hatte die Delegation zudem die Möglichkeit, jüngere Think Tanks kennen zu lernen: Das Wilfried Martens Center besteht seit 10 Jahren und gehört der Europäischen Volkspartei an. Es unterstützt die Partei in ihrer politischen Arbeit durch Wahlkampagnen und Berichte zu Europa-Themen. Zudem beschäftigt sich das Martens Center mit Entwicklungsprojekten auf regionaler Ebene.

In Berlin

In Berlin besuchte die Delegation die Zentrale der Konrad-Adenauer-Stiftung und traf sich mit verschiedenen Experten der Themen Radikalisierung und MENA Region. Das Phänomen der „Foreign Fighters“ und die damit verbundenen Gefahren wurden mit Andreas Jacobs, Koordinator für Islam und religiösen Extremismus, diskutiert. Vor allem die Strategie Deutschlands und die Initiativen deutscher Organisationen zum Umgang mit Extremisten, die aus Konfliktregionen zurückkehren, waren von Interesse. Jacobs stellte heraus, dass Extremismus und politischer Islam in Deutschland wie im Ausland wichtige und aktuelle Forschungsthemen bleiben.

Hans Maria Heyn, Leiter der Strategieentwicklung und Planung der KAS, wies bezüglich der Gefahrenbewertung auf die Wichtigkeit der Daten- und Informationsanalyse hin. Die Konrad-Adenauer-Stiftung habe aus diesem Grund einen „Seismographen“ in verschiedenen Auslandsbüros geschaffen, durch den es der Hauptniederlassung der KAS in Berlin möglich ist, über die vorrangigen regionalen Krisen auf dem Laufenden zu sein. Ein ähnliches System für Tunesien zu entwickeln, könnte auch für ITES von Interesse und Bedeutung sein.

Aktuelle Entwicklungen in Nordafrika und die deutsche Nordafrikapolitik waren Gegenstand des Treffens mit Frank Pries, stellv. Leiter für europäische und internationale Zusammenarbeit, und Malte Gaier, Referent im Team Naher Osten und Nordafrika. Die deutschen Experten betonten die Notwendigkeit, die Union des Arabischen Maghreb (UMA) wieder ins Leben zu rufen und gemeinsam an einer Vision für die Region zu arbeiten.

Bei einem Besuch bei der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft (DAFG), einem unabhängigen Verein zur Förderung des Austausches und Dialoges zwischen Deutschland und den arabischen Ländern, lernte die Delegation die strukturelle Organisation der Think Tanks in Deutschland kennen. Die DAFG, mit mehr als 500 Mitgliedern und 10.000 Kontakten, versteht sich als überparteiliche deutsch-arabische Plattform. Am Ende des Gesprächs stand der Vorschlag, ITES in das Netzwerk aufzunehmen, um die bilaterale Zusammenarbeit weiter auszubauen und gemeinsame Maßnahmen bezüglich der Studie „Tunisie en 2025“ durchzuführen.

Karoline Tippelt Wohl von der deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol) stellte der Delegation Finanzierungsmodelle deutscher Think Tanks vor. Informationen zur inhaltlichen Arbeit bot ein Besuch des German Institut of Global and Area Studies (GIGA). Neben ihrer analytischen Tätigkeit zu politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Nahost nimmt das GIGA eine Beraterrolle beim Auswärtigen Amt und der Bundesregierung ein.

Fazit und Ausblick

Die Reise war bestimmt von angeregten und tiefgreifenden Diskussionen zur Rolle und Verantwortung von Think Tanks in Politik und Gesellschaft sowie zu Entwicklungen in Europa und Nordafrika, besonders Deutschland und Tunesien.

ITES sieht in den europäischen Think Tanks und politikwissenschaftlichen Beratungsinstitutionen ein passendes Modell für seine eigene Organisationsstruktur und inhaltliche Arbeit. Ziel ist es zum einem die Qualität seiner Programme und Studien sicher zu stellen und zum anderen seine beratende Rolle in Tunesiens Politik und Gesellschaft auszubauen. Diese Rolle müsste es jedoch auch stärker in den Regionen im Landesinneren Tunesiens einnehmen. Die Organisationsstruktur und inhaltliche Arbeit der europäischen Think Tanks zeigte ihnen auch die Notwendigkeit auf, sich eine zukunftsgewandte Strategie mit klarer wissenschaftlichen Spezialisierung und Zielen zu geben.

ITES erkannte während der fünf-tätigen Reise zudem, dass vor allem die Bereiche Kommunikation und Transparenz bei ihm noch verbessert werden können. Die europäischen Beispiele halfen den ITES Mitarbeitern auch, ihr eigenes Finanzierungsmodell neu zu denken, um in der Zukunft unabhängige und hochwertige Forschung und Beratung anbieten zu können.

Darüber hinaus konnten dank der Delegationsreise zahlreiche europäische Organisation die Tätigkeit von ITES kennen lernen und wichtige Kontakte für spätere Kooperationen, vor allem im Bereich Sicherheitspolitik und Radikalisierung geknüpft werden.

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Kontakt

Dr. Holger Dix

Dr. Holger Dix

Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Subsahara-Afrika, Interimsleiter des Auslandsbüros Südafrika

holger.dix@kas.de +27 11 214 2900 +27 11 214 2914

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