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Veranstaltungsberichte

Migrationspolitik als euromediterrane Herausforderung

5. „SUD. SEC. MED.“- Konferenz

Vom 22. bis zum 23. April 2016 veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Tunis gemeinsam mit dem Zentrum für mediterrane und internationale Studien (CEMI) die 5. Ausgabe des Symposiums „SUD. SEC. MED.“. Die Aufmerksamkeit der Konferenz galt den europäischen Migrationspolitiken und deren Einfluss auf die Sicherheit.

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Das Symposium wurde mit den Grußworten von Ahmed Driss, Präsident des CEMI, und Edmund Ratka, Projektassistent im KAS-Auslandsbüro für Tunesien und Algerien, eröffnet. Die Einführung in die Thematik diente zur Sensibilisierung der Teilnehmer bezüglich der Multidimensionalität von Migration im euromediterranen Raum. „Die Migrationsfrage ist euromediterran und international; es ist daher unabdingbar, gemeinsame Lösungen zu finden“, betonte Ratka.

Die Konferenz bot den zahlreichen nationalen und internationalen Teilnehmern und anwesenden Experten die Gelegenheit, über die diversen politischen, ökonomischen, sozialen sowie sicherheitspolitischen Aspekte der Migrationskrise sowie über die daraus resultierenden Herausforderungen für die nördlich und südlich des Mittelmeers gelegenen Staaten zu diskutieren. Gemeinsam wurde überlegt, die Ergreifung welcher Maßnahmen sich zur Eindämmung der irregulären Migration anbietet und wie dabei die Achtung der Grundrechte von Migranten und Flüchtlingen sichergestellt werden kann.

Lorena Lando, Missionschefin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Tunesien, beschrieb in ihrer Einführungsrede auf exhaustive Weise die Werdegänge und Routen von Flüchtlingen sowie deren kritische Lebensbedingungen. Sie wies zudem auf das Problem der Schmuggler und Schlepper auf dem afrikanischen Kontinent hin. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Länder wie Tunesien, die früher als Emigrationsländer betrachtet wurden, inzwischen aber auch zu Zielländern für Migranten aus der entwickelten Welt sowie aus den Entwicklungsländern geworden sind, plädierte Lando für die Einrichtung strategischer Süd-Süd-Partnerschaften, um der irregulären Migration entgegenzuwirken und die Lebensbedingungen der Migranten zu verbessern.

In diesem Zusammenhang betonte Nouri Bourokba, Leiter des Instituts für Rechtswissenschaften von Gabès in seiner Rede „Die Immigration im Mittelmeer: vom Reichtum zum Massenmord“ die Notwendigkeit einer humaneren Verwaltung der aktuellen Migrationskrise durch eine effektive euromediterrane Zusammenarbeit. Nabil Benbekhti, ein Mitarbeiter des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, verwies seinerseits auf die Verantwortung der Staaten beim Schutz der Flüchtlinge auf der Basis von internationalen Konventionen, wie die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, und des Grundsatzes der Nichtzurückweisung. Luigi Achilli, Wissenschaftler am Europäischen Hochschulinstitut von Florenz, konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die irreguläre Migration. Diese charakterisiere sich durch zwei Akteure: den irregulären Migranten und den Schlepper. Um seinen Beitrag zur Ausarbeitung einer Politik der effektiven Eindämmung irregulärer Migration zu leisten, ging Achilli insbesondere auf die Rolle des Schleppers ein, präziser gesagt, auf dessen Modus Operandi. Vor dem Hintergrund der Heterogenität der Schlepper-Netzwerke hat der Sicherheitsansatz der Mittelmeerländer nur vorübergehende Effekte gezeigt. Achilli sprach sich für eine Flexibilisierung der Migrationspolitiken und des Asylrechts der jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten aus, um die Migrationsströme besser kontrollieren zu können und zu verhindern, dass flüchtende Personen aus Krisenregionen sich auf Geschäfte mit Schleppern einlassen und dadurch ihr Leben riskieren.

Die nächsten drei Experten, Fouad Ammor, Leiter des Erasmus + Büros in Marokko, Ahmed Benantar, algerischer Professor an der Université Paris VIII, und Mokhtar Ben Nasr, Präsident des tunesischen Zentrums für globale Sicherheit, widmeten sich in ihren Vorträgen dem Sicherheitsaspekt der Krise. Fouad Ammor behandelte die Problematik der Sicherheit im Mittelmeer im Kontext des Arabischen Frühlings. Das weitgehende Ausbleiben demokratischer Transitionen und der ökonomischen Prosperität im arabischen Raum hätten die erneute Stabilisierung autoritärer Regime bewirkt und neue Migrationswellen ausgelöst. Die Migrationskrise und ihr Einfluss auf die Sicherheit in der Region würden, so Ammor, eine präzedenzlose Herausforderung für die nordafrikanischen Länder darstellen. Ahmed Benantar betonte in dieser Richtung die Rolle der algerischen Streitkräfte bei der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Schmuggel sowie den Stabilitätsfaktor, den Algerien in der nordafrikanischen Region darstellt. Er sprach sich allerdings angesichts der aktuellen geopolitischen Lage, der instabilen politischen Regime der Nachbarländer so wie der wachsenden terroristischen Bedrohung für die Revision der algerischen Politik der Nichteinmischung aus. Mokhtar Ben Nasr ging in seinen Ausführungen auf die Porosität der tunesisch-libyschen Grenze und ihre Auswirkung auf die Sicherheit in Tunesien ein.

Die Türkei, Ungarn, Frankreich und Deutschland sind allesamt Länder, die von der aktuellen Migrationskrise in besonderer Weise betroffen sind und in denen dieselbe heftige Debatten ausgelöst hat. Die türkische Position bezüglich des syrischen Bürgerkrieges und der Flüchtlingskrise wurde von Meliha Benli Altunisik, Professorin der Internationalen Beziehungen an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara expliziert. Die Registrierung syrischer Flüchtlinge in der Türkei soll Altunisik zufolge im März 2016 die Zahl von 2,9 Millionen überschritten haben. Die türkische Regierung habe seit 2011 über 7 Milliarden Euro für Flüchtlinge in Form von gesundheitlicher Verpflegung, Bildung, Lebensmittelsicherheit und soziale Absicherung etc. ausgegeben. Nichtsdestotrotz lebe die Mehrheit der syrischen, aber auch der irakischen und afghanischen Flüchtlinge außerhalb von Flüchtlingslagern, ohne registriert zu sein, in besonders schwierigen Lebensbedingungen. Mathieu Guidère, Professor an der Université de Toulouse II, stellte klar, dass die öffentliche Meinung zu Migranten die europäischen Migrationspolitiken signifikant beeinflussen. Er habe durch eine Feldstudie in Frankreich feststellen können, dass die meisten Menschen Migrant, Flüchtling, Araber, Muslim und sogar in manchen Fällen Terrorist miteinander vermengen. Er warnte vor der Gefährlichkeit solcher Vermischungen.

Der Vortrag von Katharina Senge, Migrations-und Integrationsberaterin in Deutschland, konnte zu einem besseren Verständnis der deutschen Migrationspolitik beitragen. Senge erinnerte daran, dass Deutschland im Jahr 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge empfangen hat. Die Gründe hierfür sind ihr zufolge hauptsächlich humanitärer Natur; das Asylrecht für Verfolgte und politische Flüchtlinge sei außerdem ein bedingungsloses und im Artikel 16 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verankertes Grundrecht. Eine geregelte Einwanderung soll für Senge mehr als Bereicherung denn als Bedrohung aufgefasst werden. Die Steigerung der Personenmobilität in Europe ermögliche die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit auf dem Kontinent und somit die Stärkung der europäischen Wirtschaft. Die Migrationsberaterin betonte darüber hinaus, dass Deutschland die Einwanderung brauche, um sein demographisches Defizit und seinen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu kompensieren. Sie akzentuierte allerdings, dass das Asylrecht keine Alternative zur Arbeitsmigration sei. Senge plädierte für die Ausarbeitung eines neuen Migrationsregimes in der euromediterranen Region für ein effizienteres Management der Flüchtlingskrise.

Laszlo Csicsmann, Professor am Institut für Sozialwissenschaften an der Universität Corvinus in Budapest, hat die „unerwartete“ Auswirkung der Flüchtlingskrise auf Ungarn erläutert. Seiner Meinung nach hätte das Land aufgrund der großen Migrationsströme keine andere Wahl gehabt haben als seine Grenzen zu Kroatien und Serbien zu schließen. Diese von der Regierung Viktor Orbans ergriffene Maßnahme sei unabdingbar gewesen, um die Lage in Ungarn in seiner Eigenschaft als wichtiges Transitland für Flüchtlinge unter Kontrolle zu bringen. Ungarn soll Csicsmann zufolge jedoch seine humanitäre Hilfe für Flüchtlinge durch das kontinuierliche Engagement der ungarischen Zivilgesellschaft gestärkt haben.

Timothy G. Hammond, Forscher am Center for Advanced Operational Culture Learning an der Universität des U.S Marine Corps, berücksichtigte bei seiner Darstellung die diversen Positionen der von der Flüchtlingskrise betroffenen Länder. Anhand einer invertierten Karte des Mittelmeers erklärte er, dass die geographischen Begebenheiten bei der Analyse der Flüchtlingskrise zwar von großer Bedeutung sind, dass jedoch die Wahrnehmung(en) bezüglich dieser Begebenheiten und die daraus resultierenden Migrationspolitiken weitaus entscheidender sind.

Die Präsentation des Syntheseberichts durch Chafik Said, Professor an der Fakultät der Rechts- und Politikwissenschaften von Tunis, am Ende der Konferenz, ermöglichte die Aufstellung einer Liste von Empfehlungen. Zu den Empfehlungen der Experten gehören die Regulierung und Reglementierung der Flüchtlingskrise auf der europäischen Ebene auf der Basis von internationalen Konventionen sowie die Ausarbeitung partizipativer Migrationspolitiken auf der nationalen Ebene der betroffenen Länder. Die Experten der „Sud. Sec. Med.“-Konferenz waren sich einig, dass die Migration ein zentrales Handlungsfeld der euromediterranen Kooperation darstellt, die angesichts der großen migrationspolitischen Herausforderungen konsolidiert werden müsse.

Autor: Tarek Khaznadar

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Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Subsahara-Afrika, Interimsleiter des Auslandsbüros Südafrika

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