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Veranstaltungsberichte

Politik und Religion: Für einen humanistischen, demokratischen und friedlichen Konsens

von Olfa Béji

Konferenz der KAS und des OARL

Der von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und dem Arabischen Observatorium für Religionen und Freiheit (Observatoire arabe de religions et de libertés, OARL) organisierte Workshop war vor allem eine Rückkehr zu den Ursprüngen. Eröffnet wurde er durch zwei Vorträge über den muslimischen Reformismus und über die Christdemokratie.

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Die Erfahrung Tunesiens sieht sich vor dem Hintergrund von Dynamiken, die über die nationalen Grenzen hinausreichen, sehr komplexen Situationen ausgesetzt und nimmt bei der Frage nach der politischen Ordnung die jahrhundertealten theologisch-politischen Debatten wieder auf. Im Laufe des Workshops offenbarte eine lebhafte Debatte zwei sich gegenüberstehende Thesen: zum einen eine optimistische Ansicht, der zufolge die tunesische Gesellschaft trotz der aktuellen Rückschläge wie des Terrorismus eine tiefreifende Säkularisierung der Politik erlebt. Denn selbst die Parteien, die sich einst auf die Religion beriefen, erklären sich heute bereit, ihr Vorgehen in einem politischen und demokratischen Rahmen zu organisieren, obwohl sie eigentlich einer v. a. religiösen Tradition folgen. Dabei vergleichen sie sich sogar mit der Christdemokratie in Europa und bezeichnen sich als „islamdemokratisch“. Von geringerer Bedeutung ist es, an dieser Stelle an Unaufrichtigkeiten, Manipulationen und Missverständnisse zu erinnern. Denn das Entscheidende ist es, mitzuerleben, wie die Wähler nicht mehr das Augenmerk auf die angebliche religiöse Ausrichtung einer Partei legen, sondern diese stattdessen nach ihren Handlungen und Umsetzungen bewerten. Den offensichtlichsten Beweis lieferten dafür die tunesischen Wahlen von 2014.

Gemäß der zweiten These ist die historische Sackgasse eine solche geblieben. Seitdem eine Mehrheit der islamischen Theologen im Jahre 1925 das Pamphlet von Ali Abderraziq, in dem dieser die Trennung von Religion und Politik forderte, kategorisch abgelehnt hat, hat sich im Grunde nichts geändert. Bestenfalls wurde durch einige Kunstgriffe versucht, die totale Weigerung, sich zu säkularisieren, weniger schockierend zu gestalten. Mit den arabischen Umbrüchen von 2010/2011 ließen die arabischen Gesellschaften die Chance ungenutzt, diesen Zustand zu korrigieren. Vielleicht sind es die Vorträge, die die verschiedenen bei der Debatte anwesenden Experten über die historischen Entwicklungen von Deutschland, Belgien, Rumänien, den USA sowie der Positionen der römisch-katholischen Kirche hielten, die dabei helfen, die langfristige Entwicklung der arabischen Gesellschaften besser zu verstehen. Trotz des Erkenntnisgewinns durch komparative Ansätze kommt man nicht umhin, festzuhalten, dass die Grundlagen eines Vergleiches von einem nicht zu überprüfenden Postulat ausgehen: dem Anspruch, die Entwicklung von Gesellschaften bewerten zu wollen, die aus vollkommen unterschiedlichen Traditionen hervorgegangen sind.

Die zweite große Debatte innerhalb des Workshops drehte sich um die Modernität. Es wurde darüber diskutiert, ob diese auf eine universelle oder auf eine multiple Weise zu verstehen ist. Allerdings wurde auch eine dritte Perspektive diskutiert: jene einer „kritischen Modernität“, die nicht an ein westliches Modell oder eine westliche Erfahrung anschließt, sondern universelle Werte verteidigt.

Die Diskussion über derartige Grundsatzfragen, die sich in der nationalen politischen Debatte oftmals verläuft oder personalisiert, trägt dazu bei, die tunesische Erfahrung um gehaltvolle Inhalte zu bereichern. Nach bereits mehr als 30 Workshops, die das OARL und die KAS gemeinsam organisiert haben, um die demokratische Transition in Tunesien zu begleiten, wurde einmal mehr die Absicht unterstrichen, sich auf die Dynamik der tunesischen Gesellschaft einzulassen und in ihrer Mitte tiefgründige gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen.

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Kontakt

Dr. Holger Dix

Dr. Holger Dix

Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Subsahara-Afrika, Interimsleiter des Auslandsbüros Südafrika

holger.dix@kas.de +27 11 214 2900 +27 11 214 2914

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