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China: „Umdenken ist nötig!“

Prof. Dr. Karin Tomala zu Chinas Aufstieg im PFL Oldenburg

„China sieht sich selbst traditionell als das ‚Reich der Mitte’ und seine Strategie ist, wieder einen aus seiner Sicht gebührenden Platz in der Weltgemeinschaft einzunehmen. Um dies zu erreichen, will China stark und reich werden.“ Vor gut 60 Gästen der Konrad-Adenauer-Stiftung erörterte Prof. Dr. Karin Tomala im Vortragssaal des Oldenburger Kulturzentrums (PFL) die Perspektiven für die innere und äußere Entwicklung Chinas. Die an der polnischen Akademie der Wissenschaft lehrende China-Expertin warnte davor, die wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des Aufstiegs Chinas zu unterschätzen.

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Der einst kommunistische Staat sei im Innern zwar weiterhin autoritär, habe sich aber zu einem Kader-Kapitalismus gewandelt. In dessen Zentrum stehe weiterhin die Kommunistische Partei mit ihren Prinzipien, die allerdings hinter wirtschaftliche Ziele zurücktreten müssten. Neue politische Dogmen würden nun erst verkündet, wenn sie in der Praxis erprobt worden seien. „Es gibt eine starke Dynamik von Unten – die Theorie kommt heute erst hinterher“, so die aus Königsberg stammende Sinologin, die in den 60-er Jahren – also während Maos Kulturrevolution – in China gelebt hat und seit Ende der 70-er jährlich zu Studien in das bevölkerungsreichste Land der Erde reist.

„Spiele-Boykott bremst politische Öffnung“

Die Lage der politischen Öffnung skizzierte Tomala als widersprüchlich. Die Todesstrafe werde angewandt. Zwar könne man viele Missstände heute ungestraft öffentlich anprangern. Viele Chinesen könnten im Ausland studieren, von denen bereits 600.000 nach China zurückgekehrt seien. Es gebe jedoch Tabu-Themen, deren kritische Erwähnung unnachsichtig verfolgt würde. Dazu zählten neben der Führungsrolle der KP auch Taiwan und Tibet. „Wer hier zu laut kritisiert, kommt hinter Gitter“, so Tomala.

Auf die Autonomie-Frage zu Tibet reagiere die chinesische Führung so empfindlich, da die Sorge bestehe, das aus über 50 Nationalitäten bestehende Reich könne auseinanderfallen. So fordere auch Tibets religiöses Oberhaupt, der Dalai Lama, keine Loslösung Tibets mehr, sondern dessen Autonomie als Teil Chinas. Insofern sei die Einladung des Dalai Lama durch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein sinnvolles politisches Symbol gewesen. Doch neben dem Dalai Lama gebe es die jungen zornigen Tibeter, die die staatliche Unabhängigkeit fordern.

Mit dem erhobenen Zeigefinger - dies müsse der Westen begreifen - könne man China nicht zur weiteren Öffnung bewegen, deshalb sei auch ein Spiele-Boykott keine sinnvolle Maßnahme. Den politischen Wandel in China sehe auch Taiwan, das sich heute viel eher einen Zusammenschluss mit China vorstellen könne als noch vor zehn Jahren.

1,6 Billiarden Dollar Devisenreserven

Die 1978 von Deng Xiaoping eingeleiteten Reformen hätten ursprünglich nicht das politische System betroffen, das sich in den letzten 30 Jahren von einem totalitären Terrosystem in ein autoritäres Regime gewandelt habe. Begonnen habe der Staat damit, den Bauern Land „zur eigenverantwortlichen Nutzung“ zu übergeben, ohne den Besitzanspruch abzutreten. Die Privatisierung der Industrie und des Dienstleistungswesens standen anfangs überhaupt nicht auf dem Plan.

Heute befänden sich 60-70 Prozent der Produktion in privater Hand. Innerhalb von 30 Jahren habe China weit über 700 Milliarden US-Dollar Investitionskapital angezogen, die Hälfte des Exports - dem entscheidenden Motor für Chinas Entwicklung - erfolge im Rahmen von Joint-Ventures. Auf diesem Wege habe China heute rund 1,6 Billiarden Dollar Devisenreserven angesammelt, die ein gewaltiges ökonomisches und politisches Druckpotenzial darstellten. Daneben erwähnte Tomala die insbesondere technologische Aufrüstung Chinas, das neben zahlreichen Innovationszentren auch über modernste Waffensysteme verfüge.

In der Forschung habe China eine oftmals führende Rolle eingenommen. Da der Konfuzianismus den Wert eines Menschen nicht per se anerkenne, sondern nur über die gemeinschaft definiere, werde etwa im Bereich Gentechnik ohne moralische Skrupel geforscht. Die unterschiedliche religiöse Ausrichtung erzeuge auch gegenüber dem Westen andere Grenzen der Forschung.

Zum Verständnis Chinas sei erforderlich, dass man dort eben keinen Liberalismus kenne, bei dem das Individuum im Mittelpunkt steht. Auch der Einzelne, dem die Gesetze durchaus persönliche Freiheiten einräumten, sei an die Ziele der Gemeinschaft und letztendlich des Staates gebunden. Dazu komme der latente Nationalismus, der in der Luft liege mit dem Anspruch, „man müsse es der Welt zeigen“. Dieser sei von der Debatte um den Boykott der Olympischen Spiele erneut angefacht worden.

Demokratie nach westlichen Maßstäben sei in China in den nächsten Jahrzehnten kaum zu erwarten.


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