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Event reports

Der Nahostkonflikt aus Perspektive deutscher Außenpolitik

Expertengespräch zum Verstehen, Einordnen und Diskutieren

Am 7. Oktober 2025 jährt sich der Terrorangriff der Hamas auf Israel zum zweiten Mal. Die Konrad-Adenauer-Stiftung lud zu einem Expertengespräch ein, um die Hintergründe des andauernden Konflikts im Nahen Osten besser zu verstehen.

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Zehntausende demonstrierten Ende September in Berlin gegen den Krieg im Gazastreifen und kritisierten die israelische Regierung. Es war die bislang größte Demonstration zum Gaza-Konflikt in Deutschland. Zugleich kann seit Beginn des Krieges ein drastischer Anstieg antisemitischer Straftaten verzeichnet werden. „Der Nahostkonflikt ist nicht weit weg, er ist längst hier angekommen“, sagte Tillmann Bauer, Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thüringen. Er begrüßte die rund 60 Gäste zur Veranstaltung am 29. September 2025 im Haus Dacheröden in Erfurt.  

 

Anschließend sprach Michael Panse, der Beauftragte der Landesregierung für jüdisches Leben in Thüringen und die Bekämpfung des Antisemitismus. Kurz nach dem Hamas-Anschlag habe er in der deutschen Gesellschaft viel Empathie für Israel wahrgenommen. Doch Antisemitismus sei nie weg gewesen und das erfülle ihn mit Sorge. „Antisemitismus ist nur bekämpfbar mit einem hohen Maß an Informationen“, erklärte er. Er stelle jedoch fest, dass im Bildungswesen zu wenig über jüdisches Leben und die Geschichte des Staates Israels gesprochen werde.

 

Langjähriger Hintergrund des Konflikts

 

Auch zu Gast war PD Dr. Bastian Matteo Scianna, Privatdozent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Potsdam. In einem halbstündigen Vortrag skizzierte er den historischen Hintergrund des Nahostkonflikts aus Perspektive deutscher Israelpolitik. Dazu zeigte er eine Karte, die den Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 für das ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina abbildete. Für die arabische Bevölkerung war knapp unter der Hälfte des Gebiets vorgesehen, doch die arabischen Staaten lehnten den Teilungsplan ab. Israel rief dann 1948 einen eigenen Staat auf, woraufhin der Unabhängigkeitskrieg begann. Die militärischen Überfälle der Nachbarstaaten hätten Israels Trauma gestärkt, dass alle Israel Böses oder gar die Auslöschung der Juden wollten. „Das ist ein Gründungsnarrativ, das politisch instrumentalisiert wird“, so Scianna.

 

„Man kann es nicht ohne die Schoa denken“

 

Unter Adenauer habe sich Deutschland Israel als Teil der Wiedergutmachung nach dem Zweiten Weltkrieg annähern wollen. „Man kann es nicht ohne die Schoa denken“, betonte der Historiker. Deutschland half Israel finanziell, führte jedoch erst ab 1965 offizielle diplomatische Beziehungen mit Israel. Daraufhin beendeten die meisten arabischen Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zur BRD. Im Jahr 1967 trat die USA während des Sechstagekriegs als Ordnungsmacht in den Nahostkonflikt auf. Deutschland unterstützte Israel weiterhin.  Unter Schmidt änderte sich die Beziehung zu Israel. Schmidt habe Israel kritisiert und für die Gründung eines palästinensischen Staates plädiert. Das Schuldbewusstsein sei zu diesem Zeitpunkt in breiten Teilen der deutschen Gesellschaft angekommen. Durch den Libanonkrieg 1982 habe sich die deutsche Sicht auf Israel jedoch verändert. „Israel wurde nicht mehr als Underdog wahrgenommen“, sagte Scianna.

 

Kohl habe die Linie der deutschen Nahostpolitik entwickelt, die Schröder und Merkel anschließend fortsetzten. Deutschland plädierte für eine Zweistaatenlösung, bemühte sich um eine Normalisierung der Beziehungen zu arabischen Staaten und unterstützte die Palästinensische Autonomiebehörde. „Die Idee war es, Israel zu unterstützen, indem man die Gegner zu besseren Leuten macht“, so der Historiker. Schröder setzte diese Linie fort. 2008 erklärte Merkel dann, dass Israels Sicherheit nicht verhandelbar und Teil der deutschen Staatsräson sei. Es sei jedoch unklar, was dies konkret für die deutsche Unterstützung Israels bedeutet, erklärte Scianna. Die Dynamik, die es nun seit dem 7.10.2023 im Nahen Osten gebe, unterscheide sich vom vorherigen Umgang mit Konflikten.

 

Wie realistisch ist eine Zweistaatenlösung?

 

Nach dem Vortrag hatten die Zuhörer die Möglichkeit, mit den Experten ins Gespräch zu kommen und eigene Fragen zu stellen. Der Religions- und Islamwissenschaftler Tom Bioly moderierte die Diskussionsrunde. Viele trieb die Frage nach der Umsetzbarkeit der Zweistaatenlösung um. Panse erwähnte, dass es vor dem Anschlag 2023 Hoffnung für eine friedliche Lösung gegeben habe, der gegenwärtige Krieg einen Lösungsprozess jedoch drastisch zurückwerfe. „Mit der Anerkennung Palästinas ist kein Problem gelöst“, ergänzte er. Stattdessen führe dies zu weiteren Debatten. Eine Anerkennung müsse am Ende des Diskussionsprozesses stehen. Auch Scianna hält die Zweistaatenlösung für keine umsetzbare Lösung; die beteiligten Akteure hätten diese Idee längst verworfen. Weitere Fragen galten der Entwicklung des Krieges und den Zukunftsaussichten für nach dem Krieg.

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