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Notas de acontecimientos

"Als der Brief kam, habe ich mein Kind zum zweiten Mal verloren!"

Zwangsadoptionen in der DDR im Fokus

Am 21. November 2019 fand die zweite Veranstaltung der Reihe „(K)ein normales Leben? Das Individuum in der DDR-Gesellschaft“ im Museum der bildenden Künste in Leipzig statt. Im Fokus des Abends standen politisch motivierte Kindeswegnahmen oder allgemeinsprachlich ausgedrückt Zwangsadoptionen in der DDR.

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Dr. Agnès Arp von der Universität Jena, präsentierte in ihrem Vortrag die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie, die den Grundstein für weitere Forschungen zum Thema der Zwangsadoptionen in der DDR legen soll. Hier kam sie gemeinsam mit ihren Kollegen zu dem Schluss, dass es sich bei den Kindeswegnahmen in der DDR, ganz im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise Argentinien oder Spanien, um ein willkürliches System handelte und diese dadurch schwer nachweisbar sind. Als solche Kindeswegnahmen werden Fälle bezeichnet, bei denen Kinder aus der Familie herausgenommen und in eine neue Familie eingegliedert wurden, ohne das (freiwillige) Einverständnis der Eltern und ohne dass diese das Kindeswohl gefährdeten. Betroffene Eltern waren meist der Republikflucht, Staatshetze oder Staatsverleumdung beschuldigt. Auch viele alleinerziehende und/oder minderjährige Mütter waren betroffen und wurden als solche kriminalisiert. Hier fand also, zum Zwecke der Verfolgung politischer Motive, eine Verurteilung außerhalb des Strafrechtes statt. Jedoch stellte Dr. Arp in ihrer Machbarkeitsstudie auch fest, dass eine Hauptstudie nur möglich ist, wenn die jeweiligen Forscher und Historiker uneingeschränkten Zugriff auf Daten, wie Adoptionsakten bekommen.

Gerade mit diesen Adoptionsakten kämpft auch Katrin Behr, wenn sie Betroffene von Zwangsadoptionen über die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. (UOKG) berät. Häufig, so sagt sie, ist der Grad der Informationen, die man aus den eigenen Adoptionsakten erhält, abhängig vom jeweiligen Adoptionsvermittler. Diese entscheiden, was und wie viel ein Betroffener einsehen kann. Häufig kann einem so die Möglichkeit genommen werden, nachzuvollziehen woher man kommt oder was aus den eigenen Kindern geworden ist. Da fehlt es an klaren Regelungen und Standards.

Auch Frau Greiner-Willibald war bei ihr zur Beratung und berichtete in ihrem Vortrag über ihre Erlebnisse. Ihr wurde 1983 mit 19 Jahren ihr zweites Kind genommen. Zehn Tage nach seiner Geburt, musste sie, nach Drohungen, dass sie auch ihre ältere Tochter verlieren würde, die Adoptionspapiere für ihren Sohn Michael unterschreiben. Als sie sechs Wochen später wieder zur Arbeit ging, hat sich nie jemand gewundert, wo ihr Kind ist und warum es nicht mehr da ist. Erst viele Jahre später konnte sie sich ihrer Familie und ihrem zweiten Mann anvertrauen. Als sie später die Adoptionsakten einsehen lässt, befindet sich darin nichts außer die von ihr unterschriebene Zustimmung zur Adoptionsfreigabe. Ihren Sohn Michael hat sie mittlerweile gefunden, doch dieser möchte keinen Kontakt zu seiner leiblichen Mutter. Das einzige, was Greiner-Willibald bekam, war ein computergeschriebener Brief. "Als der Brief kam, habe ich mein Kind zum zweiten Mal verloren!" Ungewiss ist, was ihm über sie erzählt wurde. Zum Ende ihres Vortrags erklärte Greiner-Willibald, dass ihr niemand die verloren gegangene Zeit zurückgeben kann. Als Stellvertretende Vorsitzende des von Behr gegründeten Vereins "Hilfe für die Opfer von Zwangsadoptionen" geht  es ihr heute aber vor allem darum, dass betroffene Eltern rehabilitiert und entschädigt werden. Bis es so weit ist, so ergänzt Behr, wird jedoch noch viel Zeit verloren gehen.

Im Anschluss an das Podiumsgespräch, gab es Raum für Diskussionen mit dem Publikum. Hier ging es vor allem um das Thema Datenschutz, sowohl bezüglich der Einsicht in Adoptionsakten durch die Betroffenen, als auch bei der Einsicht durch Forscher und die geltende Rechtslage. Einige Personen fanden außerdem den Mut, über ihre eigenen Schicksale und Erlebnisse zu sprechen. Zum Abschluss wünschten sich die Referentinnen für die Zukunft einhellig, dass die Herzen der Betroffenen heilen mögen.

 


 

Betroffene können sich an die Beratungsstelle der UOKG oder an den von Katrin Behr gegründeten Verein OVZ-DDR e. V. wenden.

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Johanna Hohaus

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