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Présentations & compte-rendus

„Wir wollen freie Menschen sein“

57. Hermannswerderaner Abend mit Freya Klier

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Mit ihrem 45-minütigen Dokumentarfilm über den Verlauf des 17. Juni 1953 in Leipzig – einer gelungenen Mischung aus authentischen Fotos und Filmaufnahmen sowie nachgestellten Szenen – erinnert die bekannte Autorin, Filmemacherin und Bürgerrechtlerin Freya Klier an den auf folgenreiche Weise aus unserem Bewusstsein verdrängten Volksaufstand, und zwar ganz bewusst nicht in Berlin, sondern in Leipzig.

Sie will damit auch verdeutlichen, dass die alleinige Fokussierung auf die Hauptstadt unzulässig ist, weil es sich um eine Protestwelle handelte, die sich über die gesamte DDR erstreckte. Es gehört zu den tragischen Aspekten der jüngeren deutschen Geschichte, dass diese Erhebung nicht nur brutal niedergeschlagen wurde und zahlenmäßig gar nicht mehr zu ermittelnde Opfer kostete, sondern dass man sie auch als faschistoiden, konterrevolutionären Putsch verfälschte (so geschehen durch die SED-Propaganda) oder dass sich der in der Bundesrepublik zunächst angemessen als „Tag der deutschen Einheit“ gewürdigte 17. Juni im Verlaufe der sechziger Jahre dann allmählich zum harmlosen entpolitisierten arbeitsfreien Tag verkam.

Was zeigt Freya Klier? Zuvörderst die auf die Straßen strömenden Massen, aus allen Schichten der Bevölkerung, die es zum ersten Mal gewagt hatten, ihre Ablehnung gegenüber der SED-Bürokratie offen zu zeigen. Zu sehen sind die mit Losungen bemalten Straßenbahnen. Immer wieder taucht der Satz auf „Wir fordern freie Wahlen“, Beweis dafür, dass es den Demonstranten nicht nur um die Zurücknahme der gnadenlos hohen Arbeitsnormen ging, sondern auch die Herstellung bürgerlicher Freiheiten. Zu sehen sind aber auch bald die Panzer der Roten Armee, deren drohend aufgerichtete Geschütze die Niederlage der Protestierenden einleiten. Und es wird geschossen. Das allerdings nur von Deutschen, von der Polizei und der Staatssicherheit, sogar Sekretärinnen beteiligen sich daran. Menschen sterben, es gibt zahlreiche Verletzte. Die Krankenhäuser sind bald überfüllt; es heißt, dass Razzien stattfinden, sodass viele Hilfsbedürftige aus Angst vor Verhaftung und Verschleppung die dringend benötigte medizinische Behandlung gar nicht in Anspruch nehmen.

In den Mittelpunkt des Geschehens rückt der fünfzehnjährige Lehrling Paul Ochsenbauer, dessen tragisches Schicksal Freya Klier recherchieren konnte. Schüsse verletzen ihn so schwer, dass jede Hilfe zu spät kommt. Eine seiner drei Schwestern erinnert sich. Wir sehen sie später auch am Grab des ermordeten Bruders, auf dem Leipziger Südfriedhof. Dass die Gedenkstätte für die Opfer des 17. Junis in die äußerste Ecke des Areals verbannt wurde, macht auf ernüchternde Weise deutlich, dass es den kommunalpolitisch Verantwortlichen nach wie vor an der gebotenen Sensibilität bzw. dem historischen Verständnis fehlt, ein für das allseits zur Heldenstadt erhobene Leipzig skandalöser Zustand.

Es gelingt Freya Klier, die damaligen Ereignisse bewegend zu vergegenwärtigen, weil sie sie auch personalisiert und so emotional fassbar macht. Das Publikum (leider auffallend wenige Schülerinnen und Schüler) dankte es ihr nicht nur mit großer Zustimmung, sondern auch mit einer lebendigen Diskussion. Zeitzeugen meldeten sich zu Wort und ergänzten so den Film mit der Schilderung eigenen Erlebens.

Der Hinweis auf Kiew dieser Tage, auf die erschossenen Demonstranten, machte eine erschreckende Kontinuität des Verbrechens deutlich und unterstrich die Aktualität des Gezeigten. Zu danken ist dem Politischen Bildungsforum Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung, das diese Veranstaltung ermöglichte, und Frau Dr. Nieke, die sie wie immer umsichtig organisierte.

Text: Jürgen Raßbach

Fotos: Andreas Flämig

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Interlocuteur

Dr. Klaus Jochen Arnold

Dr

Referent Politisches Bildungsforum Brandenburg

jochen.arnold@kas.de +49 331 748876-12 +49 331 748876-15

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