Comptes-rendus d'événement
Märkische Allgemeine Zeitung, 10.10.2014:
"Relativ ruhige Revolution"
Peter-Ulrich Weiß ist Geschichtswissenschaftler. Er kam am Mittwoch auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung in das Burghotel, um darüber zu sprechen, was in jenen bewegten Tagen, 1989 zwischen Potsdam, Belzig und Cottbus geschah. Er sprach über Massendemonstrationen und friedlichen Widerstand.
Bad Belzig. Die Revolution in der DDR im Herbst 1989 ist bis heute ein Ereignis, das in der jüngeren Weltgeschichte seinesgleichen sucht. Die politische Wende, die zuerst andere Ostblockstaaten erfasste und spätestens im Herbst des Jahres auch auf die damalige DDR überschwappte, blieb trotz Massendemonstrationen und immer größer werdendem Widerstand der Bevölkerung friedlich.
Eher ruhig ging es während dieser Zeit generell in hiesigen Gefilden zu. „Den Fläming erfasste die Widerstandswelle nicht in dem Maße wie andere Regionen der DDR“, bilanziert Peter-Ulrich Weiß. Der Geschichtswissenschaftler kam am Mittwoch auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung in das Burghotel, um darüber zu sprechen, was in jenen bewegten Tagen zwischen Potsdam, Belzig und Cottbus geschah.
„Die Ereignisse in Leipzig vom 9. Oktober 1989 kann man als ereignisgeschichtliche Wende sehen. 70000 Menschen gingen auf die Straße – und jegliche Gewalt blieb aus. Das war die letzte Initialzündung für einen friedlichen Umschwung, der sich nun endgültig in Gang setzte.“ In den drei Bezirken des heutigen Landes Brandenburg, nämlich Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus, gestalteten sich Verlauf und Spezifika der Revolution jedoch anders als in den weiteren Landesteilen. So waren in den Stasi-Akten dereinst in der gesamten Region gerade einmal 15 Oppositionsgruppen verzeichnet. Mitte der 1980er-Jahre hätten sich in der Region überhaupt erst solche Bündnisse zusammengefunden. „Den Widerstand in der Mark kann man guten Gewissens als dezent bezeichnen“, sagte Weiß.
Die Hauptgründe dafür sieht der Historiker vor allem in der dörflichen und ländlichen Prägung der Region. Das sei im Übrigen kein spezifisch brandenburgisches Merkmal gewesen. „Kulturschaffende, Intellektuelle, Bohemians – solche Leute, die den Kern der meisten Oppositionsgruppen ausmachten, zog es vermehrt in die großen urbanen Räume wie Leipzig, Potsdam oder natürlich Ost-Berlin.“ Ein weiterer Punkt für das Fehlen einer echten Widerstandsszene sei zudem in der überproportionalen Militäranwesenheit in der Mark zu sehen. „In den drei Bezirken tummelten sich immerhin 300000 Armeeangehörige, die eine ordentliche Angst- und Drohkulisse aufbauten.“ So sei im Volk bekannt gewesen, was auf dem Truppenübungsplatz Verlorenwasser vor sich ging. In eigens nach Originalschauplätzen errichteten Straßenzügen wurden hier der Häuserkampf und das Verteidigen der Innenstadt Potsdams gegen aufmüpfige Bürger trainiert.
Weiß, der an der Humboldt-Universität in Berlin forscht, zählt indes Brandenburg an der Havel und Jüterbog immerhin zu kleinen Hochburgen des märkischen Widerstands im Herbst 1989. In der von der Kirche getragenen Friedensbewegung der DDR war so beispielsweise Bernd Lotz in Jüterbog nicht nur Pfarrer, sondern auch Vermittler zwischen Opposition und Autoritäten. Aber auch in der Kirche zu Lütte habe es am 2.November des Jahres eine Protestveranstaltung gegeben, die unter dem Titel „Die Zeit des Schweigens ist vorbei“ lief.
Gänzlich untätig waren die damals rund 36.000 im Kreis Belzig lebenden Menschen also nicht, auch wenn die Epizentren des Widerstandes sicher anderswo zu suchen waren.
Von Philip Rißling