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Présentations & compte-rendus

Euro: "Verlust von Wettbewerbsfähigkeit ist der eigentliche Kern der Krise"

Politischer Salon "Schwarz-Rot-Gold" in Cadenabbia – Tag 2

Wie steht es 24 Jahre nach dem Mauerfall um die deutsche Einheit? Wo steht Deutschland kurz vor der Bundestagswahl? Eint oder spaltet der Euro Europa? Hat konservative Politik heute noch eine Chance? All diesen Fragen widmete sich ein dreitägiger Politischer Salon in Cadenabbia am Sommersitz Konrad Adenauers mit Dieter Dombrowski MdL (Fraktionsvorsitzender der CDU Brandenburg) Prof. Dr. Georg Milbradt (sächsischer Ministerpräsident a.D.) und Jörg Schönbohm (Minister und General a.D.). Die Berichte zu den einzelnen Tagen finden Sie in der rechten Spalte.

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Eint oder spaltet der Euro Europa?“

Eine Analyse von Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Georg Milbradt

Was für ein Europa wollen wir? Der Vision von Helmut Kohl folgend läge die Lösung für die heutige Krise in den "Vereinigten Staaten von Europa" mit einer starken Zentralregierung unter weitgehender Aufgabe von Souveränität der Mitgliedsländer, sagte Prof. Dr. Georg Milbradt während seinem Vortrag in Cadenabbia. „Deutschland würde dann als stärkste Wirtschaftsmacht und bevölkerungsreichstes Mitgliedsland zum Nordrhein-Westfalen Europas", so Sachsens ehemaliger Ministerpräsident. Eine zweite Perspektive wäre ein subsidiäres Europa, wofür man jedoch zurück zum ursprünglichen Vertrag müsse, der die gegenseitige Haftung ausschließe und auf Selbstverantwortung setze. Doch zu keinem der beiden Wege seien die europäischen Regierungen heute ernsthaft bereit. So wurstele man sich durch die Krise, um vor allem Zeit zu gewinnen. Dabei drohe die Europäische Union immer mehr zum Sündenbock zu werden für die horrenden Problem, sowohl im Süden wie im Norden. Milbradt plädierte für ein Europa der Eintracht in Vielfalt, also für den subsidiären Weg. In einer Notstandsherrschaft der Politik über das Recht, die sich je nach Situation über die vertraglichen Regeln hinwegsetzte, sieht er eine reale Gefahr für die Union und ihre Mitglieder.

"Von Anfang an falsch konstruiert"

„Der Euro war nicht das Ergebnis einer gelungenen Vollunion, sondern sollte Instrument zur Erreichung einer politischen Union sein.“ Dabei sei der Euro aber von Anfang an falsch konstruiert worden: mit unvollständigen Regeln, ohne tatsächliche Sanktions- und Durchgriffsrechte. Hinzu gekommen sei ein schlechtes Mangement: durch laxe Handhabung der Aufnahmekriterien, Rechtsbrüche und das Ausschalten der Märkte, so Milbradt. Angesichts der wirtschafts- und finanzpolitischen Unterschiede in den Ländern der Euro-Region habe von vornherein ein Dissenz über das Ziel des Euro bestanden. So konnten die von Deutschland durchgesetzten Schutzmechanismen: die Stabilitätskriterien, der Haftungsausschluss für Schulden anderer Staaten, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank als Wächterin der Preisstabilität unter Ausschluss von Staatsfinanzierung nicht entsprechend greifen. Sie wurden - auch von Deutschland selbst - missachtet. Der Euro wurde so in den südlichen Ländern ungehindert zu einem schuldenfinanzierten Konjunkturprogramm für den Konsum: die hohen Zinssätze fielen für diese Staaten weg, das "billige" Geld floß in den Verbrauch mit entsprechend großem Preisanstieg, kaum in Investitionen.

"Es wird viel Geld kosten"

„Das eigentliche Problem, vor dem wir heute stehen, ist der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer“, erklärt der habilitierte Wirtschaftswissenschaftler. Es handele sich nicht primär um ein Problem der Liquidität, der Verfügbarkeit von Geld, sondern der Zahlungsfähigkeit wegen Überschuldung. Die durch die Einführung des Euro ermöglichte massive Überschuldung habe zu einer unheiligen Allianz von Banken und Staaten geführt. „Die heutige Krisenpolitik bekämpft die Symptome, nicht die Ursachen und verschärft die Depressionsspirale in den Krisenländern“, so Milbradt. Seine prägnante These als Finanzwissenschaftler und Politiker lautet: Ursache der Krise ist kein Marktversagen, sondern ein Politikversagen. Der Euro habe die Krise erst ermöglicht, wie ein Blick auf die Nichteuroländer in der EU belege.

Bei einem Wirtschaftsgefälle wie dem zwischen Deutschland und Griechenland, habe die D-Mark früher auf- und die Drachme abwerten können. Dadurch hätte Griechenland seine billigeren Produkte leichter absetzen können. In einer gemeinsamen Währungszone gebe es diese Möglichkeit nicht mehr. „Somit hat die Einführung des Euro die heutigen Spannungen ausgelöst, weshalb diese Probleme mit anderen europäischen Ländern wie Polen, Tschechien oder den Baltischen Staaten, die ebenfalls ein Wirtschaftsgefälle aufweisen, aber keinen Euro haben, nicht entstanden sind.“ Heute sei Deutschland in einer Sackgasse. „Was immer wir tun, es wird viel Geld kosten.“ Umso mehr müsse politisch sehr ernsthaft über Lösungswege, auch über eine "Plan B" diskutiert werden, zumindest nach der Wahl, wie der Politiker realistischer Weise einschränkt.

Besonders besorgniserregend sei, dass die Rettungsmaßnahmen nur zu einem Teil über die sogenannten Rettungspakete finanziert würden, zum anderen Teil aber durch die Targetsalden der Europäischen Zentralbank, also sozusagen durch Überziehungskredite für die Krisen-Staaten, wobei die demokratische Kontrolle und politische Konditionalität, die Bedingungen für die Geldvergabe, umgangen würden.

"Verstecke, unsoziale Umverteilung"

Eine zentrale Frage sei, wer für die Bezahlung der Schulden in welchen Teilen aufkommen werde: die Steuerzahler der Krisen-Länder, die Banken und deren Kunden, die Steuerzahler der Kern-Euro-Länder, die Besitzer von Geldvermögen und kapitalgedeckten Renten durch Niedrigzins und Inflation? Angesichts der tatsächlichen Vermögensverteilung innerhalb der Euro-Zone sieht Milbradt eine große versteckte und unsoziale Umverteilung von den weniger vermögenderen Ländern mit solideren Finanzen hin zu den Krisenländern mit höheren Vermögensdurchschnitt im Gange. Wieso solle etwa ein slowakischer Bürger mit durchschnittlich viel geringerem Lebensstandard und Vermögen für die Schulden Griechlands und die Absicherung des griechischen Lebensstandards und Vermögens aufkommen?

Die zweite Frage stellt sich mit Blick auf die Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit der Krisen-Staaten. Dort sei entweder eine enorme Lohn- und Preissenkung verbunden mit einer Inflation/Geldentwertung in den Kern-Euro-Staaten notwendig oder aber der Austritt aus der Euro-Zone mit der Möglichkeit zu einer starken Abwertung der eigenen Währung. Beide Wege führten dazu, dass der deutsche Wettbewerbsvorsprung und Exportüberschuss verringert werde. Eine dritte Möglichkeit sei die weitere Stabilisierung durch Finanztransfers von Nord nach Süd, wobei dann Exporte in die Krisen-Länder teilweise zu Geschenken würden.

Die dritte Frage müsse hinsichtlich der politischen Struktur der EU beantwortet werden. Hier plädiert Milbradt für eine Rückkehr zu einem subsidiären Union mit je eigener Haftung der Staaten für ihre Schulden. Unsicher sei, ob die neuen Stabilitätskriterien greifen würden. Egal, wie die tatsächliche Entwicklung weitergehe, Deutschland stehe im ureigensten Interesse nach dem Stand der Dinge in der Verantwortung, den Krisenstaaten zu helfen und europäische Solidarität zu üben. In welcher Weise und mit welchen Fogen, darüber müsse fachwissenschaftlich und politisch gerungen werde.

Wie weiter Europa?

Während die nüchterne Diagnose des Staatsfinanzdesaster in der auf den Vortrag folgenden längeren Diskussion kaum in Frage gestellt wurde, so standen die Folgen der Krise und die möglichen Lösungswege im Fokus der Debatte. Die Hoffnung, bei den Rettungsaktionen handele es sich doch "nur" um Bürgschaften und Kredite, von denen Deutschland über niedriege Schuldenzinsen und Zinseinnahmen auch noch profitiere, zeigte sich als trügerisch angesichts der Höhe der Schuldenberge und der Notwendigkeit von Einschnitten und Abschreibungen (Schuldenerlass). Ob nicht eine stärkere deutsche Interessenpolitik in der Krise notwendig sei, wurde gefragt. Doch wie solle die in der Union durchgesetzt werden? Könnte die selbsternannte "Alternative für Deutschland", die sich als "Garant für die wirtschaftliche und soziale Stabilität Deutschlands" und den Euro an sich als "fatale Fehlentscheidung" ansieht, eine Möglichkeit sein? Dem Widersprach Prof. Milbradt und warb für den Weg der Lösungsfindung in der CDU als Volks- und Regierungspartei mit politischem Gewicht. Die Dimension der Probleme werde in der nächsten Legislaturperiode schon die notwendige politisch Diskussion bewirken. Auch Dieter Dombrowski plädierte für einen realistischen Weg, der allerdings die notwendigen Konsequenzen aus der Krise ziehe, was z.B. auch den Austritt Griechenlands aus der Eurozone bedeuten könne. Müsse man nicht viel europäischer Denken, so eine andere Meinung, indem man vornherein mit einem innereuropäischen Finanzausgleich rechne und auf eine stärkere politische Union hinsteuere. Aber würden sich, ganz abgesehen von den Regierungen, die Bürger in entsprechenden Volksentscheiden für die Aufgabe weiterer Souveränitätsrechte entscheiden und welche Regierung wolle dies überhaupt? Großbritannien und Frankreich jedenfalls nicht. So bleibt die Frage nach der Zukunft der Europäischen Union mit ihrer Euro Zone weiter offen und spannend.

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