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Présentations & compte-rendus

"Angst vor Ersticken und Einsamkeit" – Sterbehilfe als letzter Ausweg?

de Stefanie Behrens

KAS –Podiumsdiskussion in Karlsruhe-Forst zum aktuellen Thema "ärztlich assistierter Suizid"

Fast 100 Gäste waren der Einladung der KAS zur Expertendebatte mit dem brisanten Thema Sterbehilfe gefolgt. Unter ihnen der Bundestagsabgeordnete der CDU, Olav Gutting, und der Geschäftsführer des ökumenischen Hospizdienstes, Bernd Gärtner. Dem öffentlichen Diskurs stellten sich Experten aus Medizin, Seelsorge und Gesellschaftspolitik. Eröffnet wurde der Abend mit drei Impulsvorträgen aus den jeweiligen beruflichen Perspektiven.

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Was ist gesetzlich erlaubt?

Um Klarheit über die aktuelle Gesetzeslage zu schaffen, bat die Moderatorin des Abends und Mitarbeiterin der KAS Stuttgart, Stefanie Behrens, den Vertreter aus der Medizin, Prof. Dr. Jörg Mezger, Chefarzt St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe, um eine kurze Darstellung der aktuellen Gesetzeslage und des ärztlichen Standesrechts. Eindeutigkeit herrscht, was die passive und aktive Sterbehilfe anbelangt. So ist die aktive Sterbehilfe, die Tötung auf Verlangen, in Deutschland verboten. Erlaubt ist dagegen die passive Sterbehilfe durch Abschalten der medizinischen Geräte oder Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen soweit vom Patienten verfügt. Straffrei ist auch der Suizid und die Beihilfe hierzu, sofern uneigennützig und nicht organisiert.

"Eiertanz" im Standesrecht?

Eine Sonderrolle nehmen die Ärzte ein. Aufgrund der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer dürfen Ärzte nicht berufsmäßig Beihilfe zum Suizid leisten. Allerdings sind die Regelungen der Landesärztekammern in den einzelnen Bundesländern uneinheitlich und ein "ziemlich uneindeutiges Rumgeeiere", so der Referent.

Palliativmedizin leistet viel…

Die Palliativmedizin sei inzwischen weit fortgeschritten und könne den Sterbenden oft ihr Leid erträglich machen, so Prof. Mezger. Dennoch habe er in seiner beruflichen Praxis auch Fälle erlebt, in denen die Palliativmedizin an ihre Grenzen stoße und der Sterbewunsch des Patienten überwiege. Da versage die Medizin, weil es nicht gelinge den sterbenden Patienten schmerzfrei zu stellen oder aber die Dosierung der verabreichten Medikamente sei so hoch, dass sie in einen dauerhaften Dämmerzustand versetze. Fehle den Patienten dann zusätzlich der familiäre Rückhalt, käme ihm der Lebenssinn abhanden.

"Öffnet nicht die Tür, - es könnte ein Dammbruch folgen!"

Mit diesem Appell gegen eine gesetzliche Freigabe der organisierten Sterbehilfe wandte sich der Referent Dr. Martin Michel, ev. Pfarrer und Vorstandsvorsitzender der evangelischen Stadtmission Karlsruhe, an den anwesenden Bundestagsabgeordneten der CDU, Olav Gutting. Die Gefahr bestehe darin, dass sich Alte, Kranke und Schwache als "Last" für ihr Umfeld wahrnähmen und deshalb den Freitod wählten, unterstützt durch ärztliche Begleitung. Verschärft würde die Situation durch die zunehmende Vereinsamung der Menschen. Besonders im Sterben fehle dann menschliche Wärme und Unterstützung, so dass der ärztlich assistierte Suizid als letzter Ausweg gesehen werde. Ein Lösungsansatz, neben dem weiteren Ausbau der Palliativmedizin, sei, der zunehmenden Vereinsamung durch den langfristigen Aufbau zwischenmenschlicher Kontakte entgegenzuwirken.

Sterbehilfetourismus wird weiter zunehmen

Dr. Norbert Arnold, Leiter Team Gesellschaftspolitik der KAS Berlin, bestätigte auf Nachfrage der Moderatorin zwar die Befürchtung, dass ein mögliches gesetzliches Verbot der organisierten Sterbehilfe den Sterbehilfetourismus in Nachbarländer mit liberalerer Gesetzeslage zunächst befördern werde. Einer solchen Entwicklung könne aber durch gründliche Aufklärungsarbeit über und den Ausbau der Palliativmedizin entgegengewirkt werden. "Menschen brauchen in der Regel keine Hilfe "zum" Sterben, sondern "im" Sterben. Aufgabe ist es, die Sterbesituation zu verbessern", dann schwinde auch der Wunsch vorzeitig aus dem Leben zu scheiden.

Großes Bedürfnis nach öffentlichem Diskurs und praktischem Expertenrat

Nicht nur die Anzahl der anwesenden Gäste, sondern auch die Intensität der sehr emotional und engagiert geführten Diskussion waren Beleg für das große Bedürfnis nach öffentlicher Aussprache und praktischer Hilfestellung durch die Experten. Viele der Fragestellenden waren persönlich betroffen, sei es durch erlebtes Leid im eigenen Familien- oder Freundeskreis oder als praktizierende Ärzte, die mit entsprechenden Patientenwünschen konfrontiert wurden. Nicht nur würde das Arzt-Patientenverhältnis neu definiert werden, so die Meinung, sondern den Ärzten werde mit der gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids eine ungeheure Verantwortung auferlegt, die dem ärztlichen Auftrag widerspreche.

Fazit: Ängste dürfen nicht zum Entscheidungsgeber werden. Vielmehr ist, neben dem Aus- und Aufbau der Palliativmedizin, ein breit angelegter gesellschaftlicher Diskurs erforderlich mit einer soliden Aufklärungsarbeit.

Text: Stefanie Behrens

Bilder: Jonathan Kamzelak

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