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Présentations & compte-rendus

Rechts- und Linksextremismus in Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern

de Dr. Silke Bremer
Veranstaltungsbericht

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Wann kann von Extremismus gesprochen werden? Woran macht sich Extremismus fest?

Prof. Jesse (Universität Chemnitz) war es wichtig, klar abzugrenzen und deutliche Trennlinien zu ziehen. Extremismus sei der Gegenbegriff zum demokratischen Verfassungsstaat. Dieser zeichne sich durch eine demokratische Volkssouveränität mit Elementen der Gleichheit, des Rechtsstaats und Minderheitenschutzes aus.

Extremisten hingegen lehnten den demokratischen Verfassungsstaat in Teilen oder in Gänze ab. Grob könne zwischen Links- und Rechtsextremismus sowie religiösem Fundamentalismus unterschieden werden. Bestimmte Elemente seien den verschiedenen Richtungen gemeinsam, z. B. ein Freund-Feind-Denken, eine Annahme von Verschwörungstheorien, Ablehnung von Pluralismus.

Man dürfe nicht annehmen, dass die verschiedenen Richtungen innerhalb der links- und rechtsextremen Szene in sich geschlossen seien, vielmehr seien z.T. gravierende Unterschiede feststellbar; z. B. existierten allein in Deutschland ca. 20 trotzkistische Gruppierungen. Bei der Aufsplitterung handele es sich nicht etwa um taktische Differenzierungen, vielmehr gebe es zwischen den Gruppen z.T. erhebliche Spannungen und Zerwürfnisse.

Linksextremisten sähen in der Klassengesellschaft die Wurzel allen Übels; Rechtsextremisten leugneten die Gleichheit der Menschen.

Die

streitbare Demokratie

als Gegenentwurf zum Extremismus wurde von Jesse mit

drei Prinzipien

gekennzeichnet:

1. Wertgebundenheit

– die Gesellschaft bekennt sich zu bestimmten Werten, die nicht infrage gestellt werden können;

2. Abwehrbereitschaft

– ein Verbot von Vereinigungen, Parteien ist möglich;

3. Vorverlagerung des Demokratieschutzes

– jemand kann bereits dann als Extremist bezeichnet werden, wenn er verfassungsfeindliche Ziele vertritt.

Für eine

Unterscheidung extremistischer Gruppierungen

zog Jesse zwei Kriterien heran:

1. Liegen

Gewaltanwendung und Gewaltaufrufvor?

2. Ist eine

feste Organisation

vorhanden?

Der Terrorismus erfülle beide Kriterien. Die Geschichte des deutschen Terrorismus sei in der Vergangenheit weitgehend eine Geschichte des Linksextremismus. Erst seit 2011 sei die rechtsextremistische terroristische Gruppierung NSU bekannt, die zahlreiche Morde begangen hat.

In der Kombination ‚keine Gewaltanwendung / feste Organisation’ sei die NPD als extremistische Organisation einzustufen. Unter Udo Voigt habe sich in den 90er Jahren - so Jesse – die NPD strategischer ausgerichtet. Ein 4-Säulen-Modell sei mit den Zielen entwickelt worden: Kampf um die Straße durch Teilnahme an Demonstrationen; Kampf um die Wahlen durch Teilnahme an Wahlen; Kampf um die Köpfe durch Wortergreifungsstrategie; Kampf um den organisierten Willen durch gesellschaftliche Integration. Jesse arbeitete für die NPD bestimmte Merkmale heraus: Es handle sich um eine Männerpartei, um eine Partei der Arbeitslosen, um eine Partei der Jungen, nach wie vor sei es eine geächtete Partei. Jesse warnte die Demokratie vor einer Überreaktion und einer Bekämpfung mit radikalen Methoden, dieses widerspreche der Auffassung einer liberalen freiheitlich orientierten Gesellschaft; den verschiedenen Gruppierungen sei in einer offenen Gesellschaft freies Handeln einzuräumen; die demokratischen Parteien stünden in der Pflicht und Verantwortung, Wähler mit besseren Argumenten wieder zurück zu gewinnen.

Auch die Linke ist für Jesse kein ‚Gralshüter des Verfassungsstaats’. Es gebe keinen Repräsentanten in der Partei, der die DDR als Unrechtsstaat bewertet. Außerdem exisxtierten eine Reihe von Strömungen, die sich mit einer Akzeptanz der demokratischen Prinzipien schwer tun. Im Parteiprogramm 2011 sei vom Systemwechsel die Rede. Die Partei arbeite eng mit kommunistischen Parteien anderer Länder zusammen.

Der subkulturelle Rechts- und Linksextremismus (z. B. Skinheads oder Autonome) sei durch Gewaltanwendung ohne feste Organisationsstrukturen gekennzeichnet. Gegenwärtig trete die linksextreme Szene stärker in Erscheinung. Beide Richtungen bekämpften sich zwar, ‚lebten’ aber auch voneinander.

Schließlich existierten extremistische Kräfte, die weder organisiert seien noch Gewalt anwendeten. Beispielhaft wurde – im linken Spektrum - auf antifaschistische und antideutsche Zeitungen hingewiesen. Die ‚Junge Welt’ z. B. sei antiisraelisch, antiamerikanisch, pro-palästinensisch eingestellt. Die Jungle World hingegen sei antideutsch, traue den Deutschen nicht über den Weg, befürwortet eine Unterstützung Israels. Im rechten Spektrum seien z. B. Revisionisten auszumachen. Auffällig sei, dass der Linksextremismus in dieser Kategorie sehr viel stärker hervortrete als der Rechtsextremismus. Dieses sei auch darauf zurückzuführen, dass der Rechtsextremismus gesellschaftlich dermaßen stark isoliert sei, wie es für den Linksextremismus nicht annähernd gelte.

Reinhard Müller, Leiter des Verfassungsschutzes M-V, stellte verschiedene Fakten über die rechtsextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern zur Diskussion.

Hauptthemen der rechtsextremen Gruppierungen

seien die soziale Frage, Zuwanderung und Überfremdung; außerdem versuche die NPD, den Heimat-Begriff zu besetzen. Die NPD kommuniziere relativ professionell etwa über die NPD-Landtagsfraktion, über das Internet, über Bürgerbüros in Anklam, Ueckermünde, Stralsund, Grevesmühlen, sowie über regionale Informationsblätter.

Im

linksextremistischen Spektrum

seien dogmatische Gruppierungen wie etwa die DKP, die Sozialistische Alternative, NLPD unter Beobachtung. Diese Sektierergruppen stellten aber keine entscheidende Größe dar. Sorge bereiteten undogmatische Linksextremisten, die sie sich an gewaltbereiten Aktionen beteiligten.

Müller stimmte Jesse zu, dass zwischen links- und rechtsextremen Gruppierungen zahlreiche Gemeinsamkeiten bestehen, z. B. Dogmatismus, Absolutheitsanspruch, Freund-Feind-Stereotype, gewaltsame Durchsetzung der Ziele, quasi religiöser Status der Doktrin, Verschwörungstheorien, Antipluralismus, antidemokratisches Selbstverständnis.

Auf dem Hintergrund der vorgetragenen Informationen entfaltete sich eine rege Diskussion. Die Referenten wiesen darauf hin, dass keine einzige Studie nachweise, dass eine höhere Wahlbeteiligung automatisch zu einem schwächeren Abschneiden extremistischer Parteien führe. Zivilcourage sei wichtig, jeder einzelne Bürger sei gefordert, für die Demokratie einzustehen. Die großen demokratischen Parteien sollten mehr Flagge zeigen, sollten die verschiedenen Parteiflügel stärken, um auf diese Weise möglichst viele Wähler anzusprechen. Die NPD mache sich größer, als sie tatsächlich sei. Einen Bodensatz an Extremismus werde es immer geben.

Drei

Geschichtsdaten begünstigten eine positivere Bewertung der Idee des 'Linksseins'

als die Idee des 'Rechtsseins':

1945 - Das, was der Nationalsozialismus angerichtet habe, bleibe immer in der Geschichte haften, jeder Rechtsextreme werde damit in Verbindung gebracht.

1968 - Die 68er Bewegung sei mit der Bewertung sehr erfolgreich, die Gesellschaft sei nur von rechts gefährdet.

1989 - Nach dem Niedergang des DDR-Diktatur sei von linker Richtung die These vertreten worden, die sozialistische Idee sei in der DDR pervertiert worden.

Kontrovers wurde die Frage nach einem Verbot der NPD diskutiert und bewertet: Prof. Jesse erwartete keinen Verbotsantrag, vielmehr sei damit zu rechnen, dass die Politik auf den Europäischen Menschengerichtshof verweise, der eine konkrete Gefahrenlage einfordert. Parteienverbote hätten zudem in der offenen Gesellschaft ein gewisses Geschmäckle. Müller hingegen forderte ein rechtzeitiges Agieren, um ein Anwachsen extremistischer Gruppierungen zu verhindern.

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