Agrégateur de contenus

Présentations & compte-rendus

"Die, die uns das eingebrockt haben, machen sich vom Acker!"

David McAllister über den Brexit

Wie geht es weiter nach dem Votum der Menschen im Vereinigten Königreich die Europäische Union zu verlassen? Diese Frage versuchten der Europaabgeordnete David McAllister und der saarländische Europaminister Stephan Toscani unseren 200 Gästen zu beantworten.

Agrégateur de contenus

Beide Politiker bewerten das Referendumsergebnis als harten Rückschlag für Europa. „Ich halte es für einen schweren Fehler. Aber als Demokrat hat man die Entscheidung der britischen Menschen zu akzeptieren“, sagte David McAllister. Es sei für ihn geradezu herzzerreißend. Er ist Vizepräsident der EVP-Fraktion, der Fraktion der christdemokratischen, konservativen Parteien im EU-Parlament. Die Tories, die regierende konservative Partei Großbritanniens, ist dort allerdings nicht eingebunden. Doch McAllister pflegt seit Jahren hervorragende Kontakte dorthin, besuchte deren Parteitage und war auch während des Wahlkampfes im Vereinigten Königreich. „Es war eine grotesk populistische Argumentation von Seiten der EU-Gegner“. So habe beispielsweise Nigel Farage behauptet, der Türkei Beitritt zur EU stünde kurz bevor.

Das Vereinigte Königreich ist tief gespalten

„Meine Verwandten in Schottland sagen, so etwas haben sie noch nie erlebt“, berichtet McAllister. Großbritannien sei gespalten, gespalten nach Generationen. Die älteren Menschen im Land stimmten für „Leave“, die Jüngeren für „Remain“. Nur seien viel zu wenige Junge zur Wahl gegangen, drei Viertel seien daheim geblieben. Das Vereinigte Königreich sei auch gespalten nach sozialem Status. Je niedriger der soziale Status, desto wahrscheinlicher votierten die Menschen für „Leave“. Außerdem gäbe es eine regionale Spaltung nach Stadt und Land. Auf dem Land wollten die Menschen raus aus der EU. In den Städten stimmten viele für „Remain“. Und es gäbe eine Spaltung nach Bildungsstand. Mit großer Sorge betrachte er auch die Spaltung der einzelnen Nationen: England, Schottland, Nordirland und Wales. Schotten und Nordiren wählten mehrheitlich für „Remain“, sie wollen keinen Austritt.

Sprung ins Ungewisse

Dieses „Leave“ sei nun ein Sprung ins Ungewisse, macht der Europapolitiker klar. „Das hat es noch nie gegeben, es gibt kein Modell, nach dem wir agieren könnten.“ Klar sei auch, das Ganze wird nicht einfach für die Briten. Der Freitag habe ein Erdbeben an den britischen Finanzmärkten ausgelöst. Der Kurs des britischen Pfund ist so schwach wie seit 1985 nicht mehr. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde nach einem halben Jahrhundert von AAA Bestnote um zwei Stufen auf AA herabgestuft. Personelle Konsequenzen gab es schon. David Cameron hat seinen Rücktritt angekündigt. Die Konservativen müssen einen neuen Parteivorsitzenden, der dann auch Premierminister wird, finden. Der britische EU-Finanzkommissar Jonathan Hill ist bereits zurückgetreten.

Besonnen und geordnet

Es bringe nichts, jetzt mit den Briten in Streit zu geraten, nur besonnen könne diese Situation gelöst werden. „Wir betreten alle juristisches Neuland“, stellte McAllister heraus. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern habe er einen Plan für einen geordneten Austritt der Briten erstellt, wobei klar sei: Solange es keinen Antrag auf Austritt von den Briten gibt, kann es keine Austrittsverhandlungen geben. Sein Plan sieht vier Schritte vor:

1)Sobald der Austrittantrag aus London eintrifft, beschließt der Europäische Rat Leitlinien, die als Grundlage für die Verhandlungen zu einem EU Austritt dienen sollen. Wenn von den Briten bis September kein Antrag kommt, erarbeitet der Europäische Rat Vorschläge.

2)Auf Grundlagen dieser Leitlinien handelt der Europäische Rat mit London ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur EU festgelegt wird. Artikel 50 der EU-Verfassung sieht zwei Verfahren vor: Die bestehenden Beziehungen werden aufgelöst, stattdessen wird ein anderer Rahmen für Beziehungen gefunden

3)Die Kommission wird dem Rat dann zügig Empfehlungen vorlegen. Diese sollen aus einem technischen Teil, u.a. über die Verhandlungsführung und die dafür einzurichtenden Strukturen, so wie einem politischen Teil über das geplante Rücktrittsabkommen, d.h. die Modalitäten zum Rückzug aus den europäischen Gremien, insbesondere aus dem Haushalt, bestehen.

4)Der Artikel 50 sieht vor, die Austrittverhandlungen über Übergangsbestimmungen zu regeln, die sich an den vom Vereinigten Königsreich gewünschten künftigen Regelungsrahmen zur EU orientieren. Der neue Rahmen wird vom Rat im Namen der EU mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen.

Dies alles solle in den kommenden zwei Jahren geschehen. Dabei seien aber noch viele Fragen offen:

- Wie lange kann das Vereinigte Königreich noch Strukturfördermittel der EU erhalten?

- Bekommt das Vereinigte Königreich seinen Kapitalanteil an der EZB zurück?

- Was passiert mit britischen EU Beamten können diese zum Beispiel weiterhin als EuGH Richter tätig sein?

- In wie weit wird sich das Vereinigte Königreich an der Finanzierung der Pensionsansprüche seiner Beamten beteiligen?

- Wie werden die künftigen Handelsbeziehungen der EU zum Vereinten Königreich gestaltet?

Europaminister Stephan Toscani und David McAllister haben sich an diesem Abend auf dem Podium für Frieden auf dem Kontinent und gegen Nationalismus ausgesprochen. Im Gespräch wollte Toscani von McAllister wissen, wie es mit den Tories im Vereinigten Königreich weiter gehe, wie der Parteivorsitzende und damit der zukünftige Pemierminister bestimmt wird. Die Unterhausfraktion müsse in einem Auswahlverfahren zwei Kandidaten bestimmen. Für einen der Kandidaten würden sich dann alle Parteimitglieder der Tories in Urwahl entscheiden. McAllister hält die amtierende Innenministerin Theresa May für die aussichtsreichste Kandidatin.

Zum Ende der Veranstaltung wendete sich McAllister an die jungen Europäer: “Nationalismus ist das böseste Gift, das es in der Politik gibt. Ich flehe euch jungen Leute an, werdet niemals Nationalisten, das schuldet ihr euren Großeltern, die dafür ihr Leben lassen mussten.“

partager

Agrégateur de contenus

comment-portlet

Agrégateur de contenus