Was, fragte Carolin Callenius in Anspielung auf das Datum der Veranstaltung, würde der Nikolaus zum derzeitigen politischen Handeln auf der Welt sagen? Würde er die Menschen loben, dass sie den Klimawandel erkannt haben, oder würde er sie wegen der Langsamkeit tadeln, mit der sie ihn bekämpfen? Würde er die Stirn runzeln, wenn sie den globalen Hunger bekämpfen möchten und gleichzeitig Nutzpflanzen zu Treibstoff verarbeiten?
Der Abschlussabend der Reihe „Globale Welt – globale Aufgaben“ spiegelte eben diese Zweischneidigkeit wider, der eine Bewertung der so genannten Agrartreibstoffe wohl unterliegen muss. Carolin Callenius von Brot für die Welt e.V. stellte fest, die Nachfrage nach Agrartreibstoffen speise sich in erster Linie weniger aus dem Wunsch der Konsumenten als viel mehr aus politischen Erwägungen.
Triebfeder seinen internationale Vorgaben zur Senkung der CO2-Emissionen und der Wunsch, weniger abhängig von fossilen Energieimporten zu sein. Eine Richtlinie der Europäischen Union sieht vor, dass bis 2020 den Treibstoffen im Verkehrssektor 10% aus nachwachsenden Rohstoffen beigemischt werden müsse. Die allgemein postulierte „Klimaneutralität“ der Agrartreibstoffe müsse, so Callenius, auch einer näheren Betrachtung standhalten. In die Bewertung flössen deshalb heute auch indirekte Faktoren der Spriterzeugung ein: Als klimaverträglich zertifiziert würden nur Treibstoffe, für deren Produktion nicht direkt Waldflächen gerodet oder der Anbau von Nahrungsmitteln verdrängt worden sei. Düngemittel, landwirtschaftliche Maschinen etc. müssten Mindestvoraussetzungen entsprechen. Trotzdem träten Nutzpflanzen zur Treibstoffgewinnung in immer engere Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Allein zum Erreichen des Beimischungsziels der EU seien 20 bis 30 Mio. Hektar neue Anbauflächen außerhalb Europas notwendig. Dieser steigende Flächenbedarf der Industrieländer in den Ländern des globalen Südens gehe einher mit einem sinkendem Nutzflächenangebot durch die Folgen des Klimawandels und den verstärkten Futtermittelanbau für die Fleischproduktion.
Die konkreten Auswirkungen dieser Politik verdeutlichte Callenius an zwei Beispielen.
In Sierra Leone pachtete eine Schweizer Firma mehr als 10.000 Hektar für den Anbau von Zuckerrohr. Ohne eindeutig verbriefte Besitzansprüche gerieten die ansässigen Landwirte ins Hintertreffen. Die versprochenen Arbeitsplätze standen in keinem Verhältnis zur tatsächlich erreichten Beschäftigtenzahl. Die von der Firma gezahlte Pacht reicht nicht aus, um das wirtschaftliche Überleben der Kleinbauern zu sichern. In Sierra Leone würden allein 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche von nur 14 Projekten aus dem Ausland beansprucht.
In Argentinien wurden seit 2007 800.000 Hektar Fläche für den Sojaanbau gerodet. Die angestammten Besitzer, so genannte indigene Völker, würden nicht nur nicht entsprechend kompensiert, sondern häufig auch kriminalisiert, wenn sie ihre Besitzansprüche einforderten. Die bis zu 100.000 Hektar großen Plantagen verseuchten durch Pesti- und Herbizide weite Landstriche.
Die zentrale notwendige Frage, um der Zweischneidigkeit der Agrartreibstoffe zu begegnen, sei: Was bedeutet der Anbau für die Umwelt – und was für den Menschen? Erst durch diesen umfassenden Blick auf Umwelt und soziale Umstände, so Callenius, könne eine nachhaltige Nutzung der Agrartreibstoffe gelingen.
Im Anschluss an den Vortrag stellte Heinz Kitsche kurz das Netzwerk InKoTa e.V. in Dresden vor.
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