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Wie das Internet uns (und unsere Demokratie) rettet

Aus der Zukunft betrachtet, könnte es sein, dass die Corona-Krise als der Moment betrachtet werden wird, in der das Internet uns alle und damit die Welt rettete. Wenn die freiheitliche Demokratie letztlich gestärkt aus dieser Nagelprobe hervorgehen sollte, dann wird auch dies zu einem wichtigen Teil dem Internet zu verdanken sein.

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Gähnend leere Straßen in Seoul, Berlin, Madrid, Rom und Buenos Aires. Keine Kinos, Kongresse, Restaurants, Elektronikfachgeschäfte oder Freizeitparks. Keine Parteitage, Wahlkampfveranstaltungen, Fernsehdebatten und Townhall-Meetings. Ja sogar Wahlen selbst werden auf ungewisse Zeit verschoben. Befinden wir uns deshalb in einer globalen Krise? Ohne Zweifel. Ist deshalb unsere Weltwirtschaft, unser Zusammenleben oder die demokratische Ordnung der westlichen Demokratien grundsätzlich und existenziell in Gefahr? Keinesfalls. Auch wenn die Corona-Krise alles mitbringt, um die Welt direkt in den Super-GAU zu führen, tut sie dies nicht. Ein wichtiger Grund hierfür: das Internet.

Wenn es einen letzten Beweis gebraucht hätte, wie sehr die virtuelle die reale Welt ersetzen kann, erbringen Millionen Menschen in Quarantäne ihn in diesen Tagen. Wenn wir nicht Berufsgruppen angehören, bei denen physische Präsenz am Arbeitsplatz dringend notwendig ist, treffen wir uns zu  elektronischen Arbeitssitzungen. Wir bestellen online Desinfektions- und Nahrungsmittel, versenden Artikel und Blogeinträge zur virtuellen Veröffentlichung und erwerben elektronisch Bücher mittels Kindle oder anderen Angeboten. Wir spenden per Online-Banking für die Corona-Opfer, trinken ein elektronisches Feierabendbier mit Freunden und fordern mit Hashtags wie #ZuhauseBleiben zur gesamtgesellschaftlichen Solidarität auf. Wir erziehen unsere Kinder dank der Online-Angebote ihrer Schulen, halten bei Internet-Gottesdiensten inne, verausgaben uns beim Ausdauertraining mit YouTube-Tutorials. Wir träumen bei den virtuellen Konzerten großer Künstler, suchen uns im Netz psychologischen Rat, wie wir am besten mit der Quarantäne umgehen können, und verabreden virtuell, jeden Abend um 21 Uhr per Applaus von unseren realen Balkonen dem Gesundheitspersonal für seinen lebensrettenden Einsatz zu danken. Eine Quarantäne ohne Netflix erscheint vielen von uns fast so undenkbar wie bis vor einigen Wochen ein Champions-League-Spiel ohne Zuschauer. Und nicht zuletzt erlauben Apps eine vorzeitige Ferndiagnose, um zu bestimmen, ob ein realer Test auf das Corona-Virus Sinn macht oder nicht.
 

Ein fast normales Leben unter anormalen Umständen


Niemand wird ernsthaft ein solches Leben dauerhaft gegen ein Leben in auch physischer Gemeinschaft eintauschen wollen. Trotzdem erlaubt uns die Technologie, ein in vielerlei Hinsicht erstaunlich normales Leben zu führen. Und das in einer Situation, die alles andere ist als normal.  Stellen wir uns nur einen Moment vor, wir hätten Internet und Social Media nicht. Stellen wir uns einen Moment vor, was unter den derzeitigen Umständen mit den Wertschöpfungsketten, mit unserem sozialen Leben, mit unseren Arbeitsplätzen geschehen würde. Versetzen wir uns in die Lage von vielen Unternehmen, die nicht die Möglichkeit hätten, durch das Umstellen auf Online-Formate oder Delivery-Optionen wenigstens einen Teil ihrer Einnahmen sicherzustellen. Stellen wir uns einen Augenblick vor, wir müssten ohne die Digitale Wirtschaft auskommen? Überlegen wir, welche Folgen die Corona-Krise ohne Internet auf unsere physische und psychische Gesundheit, auf unsere Fitness, auf unser Familienleben haben könnte. Es sind keine graphischen Horrorszenarien notwendig, um zu verstehen, wie viel jeder Einzelne von uns dieser Tage dem Internet und besonders auch Social Media zu verdanken hat.

Auch für unsere freiheitlichen Demokratien wäre es ohne das Internet viel schwieriger, angemessen auf die Corona-Krise zu reagieren und gleichzeitig demokratische Grundregeln in Kraft zu lassen. Am 22. März begab sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Kontakt mit einem Corona-Patienten in Quarantäne. Ganz selbstverständlich regiert sie seit dem weiter – via Internet – aus ihrer häuslichen Isolation. Und dies ist nur eines von vielen Beispielen. Auch parlamentarische Abstimmungen unter demokratisch gewählten Abgeordneten könnten ins Netz verlegt werden, genau wie – wenn auch technisch deutlich schwieriger – ganze Wahlprozesse. Selbst wenn die Quarantäne noch Monate oder Jahre andauern sollte, Internet sei Dank könnten demokratische Mandatsträger ihren Aufgaben weiter nachgehen.
 

Demokratie wird online gelebt


Doch Demokratie bedeutet viel mehr als nur demokratische Prozesse wie Wahlen und Ressortabstimmungen zwischen Ministerien. Bereits Konrad Adenauer wusste: „Demokratie muss gelebt werden.“ Dies geschieht durch eine lebendige öffentliche, pluralistische und kontroverse Debatte. Das Internet ermöglicht uns, diese auch aus der physischen Isolation heraus zu führen. Selbstverständlich können sich auch autoritäre Regimes des – dort oftmals zensierten - Internet für ihre Zwecke bedienen. Für die demokratische Debatte in der Corona-Krise ist es jedoch von ganz besonders existenzieller Bedeutung.

In Krisenzeiten werden sich viele von uns darüber bewusst, was wirklich wichtig ist. Wir verzichten mit unserer physischen Freiheit auf ein wichtiges Stück Selbstbestimmung, um der Gemeinschaft zu dienen. Die überwältigende Mehrheit der Menschen in den betroffenen Staaten ist laut ersten Erhebungen zu diesem Opfer bereit. All dies geschieht in den freiheitlichen Demokratien auch dank der freien Medien, die über das Internet pluralistisch und sachorientiert informieren.

Politische Extreme und Fake News haben es bisher nicht vermocht, die Deutungshohheit in der Krise zu erlangen und apokalyptische Szenarien mehrheitsfähig zu machen. Ganz im Gegenteil werden Fehlinformationen täglich von Millionen verantwortlicher Bürger verschiedener politischer Couleur zurückgewiesen. In Chatrooms, per Whatsapp, über Social Media, in Online-Kommentaren. Von normalerweise an ihren Arbeitsplätzen überlasteten Menschen, die jetzt die Zeit haben, das Gemeinwohl in den digitalen Sphären gegen Bots und Trolls zu verteidigen. Es ist noch viel zu früh, endgültige Schlüsse über diesen Trend zu ziehen. Aber in Deutschland zeigen erste Umfragen, dass die politische Mitte derzeit stärker wird, während die Extreme an Zustimmung verlieren.

Aus der Zukunft betrachtet, könnte es sein, dass die Corona-Krise als der Moment betrachtet werden wird, in der das Internet uns alle und damit die Welt rettete. Wenn die freiheitliche Demokratie letztlich gestärkt aus dieser Nagelprobe hervorgehen sollte, dann wird auch dies zu einem wichtigen Teil dem Internet zu verdanken sein.

 

Sebastian Grundberger ist Leiter des Regionalprogramms Parteienförderung und Demokratie in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. mit Sitz in Montevideo, Uruguay.

 

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Sebastian Grundberger

Sebastian Grundberger

Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

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