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Die neue ukrainische Regierung unter Wolodymyr Hrojsman

з Moritz Junginger

DIE ERSTEN 100 TAGE IM AMT

Mit Amtsantritt Wolodymyr Hrojsmans als Ministerpräsident endete die schwerste politische Krise in der Ukraine seit der Maidan-Revolution. Im April 2016 nahm die neue ukrainische Regierung ihre Arbeit auf. Das Regierungsprogramm gibt ambitionierte Reformziele vor. 100 Tage nach Amtsantritt hat Hrojsman einige Achtungserfolge vorzuweisen, doch blieben richtungsweisende Schritte bisher aus. Der Regierungskoalition fehlt eine stabile Mehrheit im Parlament.

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Mit der Wahl Wolodymyr Hrojsmans zum neuen Ministerpräsidenten beendete das ukrainische Parlament Werchowna Rada am 14. April 2016 die wochenlange Regierungskrise, die das Land in Atem gehalten hatte. Hrojsmans Vorgänger Arsenij Jazenjuk, der als Ministerpräsident der pro-europäischen Regierung nach dem Maidan 2014 ins Amt gekommen war, stand seit langem in der Kritik, Reformen zögerlich umzusetzen und nicht gegen Korruption vorzugehen. Als am 17. Februar ein Misstrauensvotum gegen Jazenjuk scheiterte, traten die Parteien „Batkiwschtschina“ und „Samopomitsch“ aus Protest aus der Regierungskoalition aus. Beobachter hielten vorgezogene Neuwahlen für nicht ausgeschlossen.

Doch nach langen Verhandlungen und vielen Spekulationen einigten sich die in der Koalition verbliebenen Parteien des Präsidenten Petro Poroschenko „BPP-Solidarnist“ und Jazenjuks „Narodny Front“ auf eine neue Regierung unter Führung des bisherigen Parlamentspräsidenten Wolodymyr Hrojsman. Vorgezogene Neuwahlen, die viele Kleinparteien ins Parlament gebracht und womöglich zu einer Fragmentierung der politischen Verhältnisse geführt hätten, konnten somit vorerst abgewendet werden.

Hrojsman und seine Minister: erfolgreicher Manager mit politisch besetztem Kabinett

Wolodymyr Hrojsman wurde bei Amtsantritt häufig als Mann Petro Poroschenkos bezeichnet, der sich nicht von dem Einfluss des Präsidenten loslösen könne. Er gilt als enger Vertrauter von Poroschenko und war von 2006 bis 2014 Bürgermeister der Stadt Winnitsja in der westlichen Zentralukraine, die auch Heimat von Poroschenkos Süßwarenkonzern Roshen ist. Doch zeigten seine Ernennungen von Ministern, dass Hrojsman sich bewusst von personellen Empfehlungen des Präsidenten distanzierte. Hrojsman gilt als erfolgreicher Manager, der als Bürgermeister die örtliche Infrastruktur sanierte, die Verwaltung bürgerfreundlicher machte und Investitionen aus der Schweiz in die Stadt brachte. Als Parlamentsvorsitzender hat sich Hrojsman landesweit einen Namen gemacht und gilt als offen für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Das Kabinett von Hrojsman ist politisch besetzt und keine Expertenregierung, wie es viele Stimmen in der Ukraine aber auch im Westen gefordert hatten. Kurzzeitig war im April 2016 eine mögliche Expertenregierung unter Ex-Finanzministerin Natalija Jaresko im Gespräch, die aber keine Mehrheit im Parlament fand. Einige Reformer nahmen daher Angebote für Ministerposten nicht an. Er würde nur für eine Expertenregierung zur Verfügung stehen, begründete beispielsweise der ehemalige Microsoft-Manager und stellvertretende Leiter der Präsidialadministration Dmytro Shymkiv seine Entscheidung.

Dennoch konnte Hrojsman mehrere Minister gewinnen, die in der Zivilgesellschaft als reformorientiert gelten. Dies sind unter anderem der Infrastrukturminister Wolodimir Omeljan und der Umweltminister Ostap Semerak, die nun an der Spitze von Ministerien stehen, die in der Vergangenheit fest im Griff von Korruption waren. Der Infrastrukturminister kündigte daher als ersten Schritt an, die Umstrukturierung und Privatisierung von Staatsbetrieben fortzusetzen, die bereits sein Vorgänger erfolgreich in die Wege geleitet hatte, um diese Korruptionsquelle einzudämmen. Auch die Ernennung von Iwanna Klympusch-Zynzadse zur Vize-Premierministerin für europäische Integration, die die Kooperation zwischen den Ministerien zur Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens koordiniert, wurde in der Zivilgesellschaft sehr begrüßt.

Von vielen Beobachtern kritisch gesehen werden dagegen einige der langjährigen Politiker im Kabinett, die auch unter anderen Regierungen politisch aktiv waren. So war Energieminister Ihor Nassalyk von 1998 bis 2005 Vorsitzender des Parlamentsausschusses für die Ölindustrie und Erdölversorgung und der Finanzminister Oleksandr Danyljuk, der mehrere Offshore-Firmen in Panama besitzt, arbeitete als unabhängiger Berater unter Wiktor Janukowytsch. Einige Minister der Vorgängerregierung, wie etwa der Außenminister Pawlo Klimkin und der Innenminister Arsen Awakow behielten ihre Posten.

Regierung legt ambitioniertes Programm für das laufende Jahr vor

Nach sechs Wochen im Amt legte die Regierung Ende Mai ein detailliertes Programm für 2016 vor. Dieses wurde im Vorfeld mit der Zivilgesellschaft abgestimmt und spiegelt viele der Prioritäten wieder, die Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten für unabdingbar halten. Auch von Unternehmern wurde das Programm positiv aufgenommen. Doch auch Kritik wird geäußert: so sei das fast 400 Seiten lange Dokument ein Sammelsurium verschiedener zweifellos wichtiger Themen, dem aber der strategische Überbau fehle und das sich im verbleibenden halben Jahr kaum umsetzen lasse. Demgegenüber stehen allerdings konkrete Fristen für jedes Reformziel und Schritte zu dessen Umsetzung im Programm, an dem sich die Regierung am Ende des Jahres messen lassen wird.

Das Regierungsprogramm setzt auf makroökonomische Stabilität, die Verbesserung des Geschäftsklimas und eine höhere Qualität der öffentlichen Verwaltung. Auch politisch schwierige Themen wie eine Reform des Pensionssystems oder des Landrechts sind Teil des Programms. Da Hrojsman im Jahr 2014 als Minister für Regionale Entwicklung die Dezentralisierung mitinitiierte, fehlen auch konkrete Zielsetzungen für die stellenweise schleppende Umsetzung der Dezentralisierungsreform nicht.

Immer wieder wird der Mangel an kompetentem, ausreichend bezahltem Personal als größtes Problem der öffentlichen Verwaltung genannt. Der stellvertretende Wirtschaftsminister Maksim Nefodow spricht öffentlich davon, dass lediglich zehn Personen in seinem Ministerium "nach modernen Maßstäben" Projekte verwalten könnten. Dem soll das neue Gesetz über den Staatsdienst Abhilfe verschaffen, das die Regierung nun umsetzen will. Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst sollen transparente Auswahlverfahren durchlaufen und höhere Gehälter beziehen. Um Gehaltserhöhungen zu ermöglichen und die Effektivität zu verbessern, muss es in den aufgeblähten Mitarbeiterstäben zu Entlassungen kommen. Für mehr Kontinuität der Regierungsarbeit sollen die neu zu schaffenden Posten der Staatssekretäre sorgen, die auch bei einem Regierungswechsel im Amt bleiben.

Erste Achtungserfolge: Marktangleichung der Gaspreise und Privatisierungen

Die Regierung Hrojsmans hat betont, dass sie die Reformen der Vorgängerregierung fortsetzen werde. Die Transformation des Energiesektors ist ein bedeutender Reformbereich, welche die neue Regierung bereits erfolgreich angegangen ist. Als mutiger Schritt wird dabei die erneute Erhöhung des Gastarifs Ende April gesehen, der mit dem Weltwährungsfonds im Gegenzug für Kreditranchen vereinbart wurde. Die Marktpreisangleichung bringt Oligarchen um Renditen aus dem in der Vergangenheit mit Staatsgeldern künstlich billig gehaltenen Gas, doch führt sie gleichzeitig zu großem Unmut in der Bevölkerung. Das Thema der steigenden Nebenkosten für Haushalte ist politisch hochbrisant. Hohe Gaspreise belasten insbesondere arme Haushalte, doch können diese Hilfszahlungen vom Staat beantragen.

Auch bei der Privatisierung schreitet die neue Regierung voran. Nach jahrelangen Verzögerungen gab sie eine große Odessaer Chemiefirma zur öffentlichen Auktion frei. Was ein Start zum Verkauf hunderter hochverschuldeter Staatsunternehmen hätte werden können, scheiterte allerdings zunächst am überhöhten Verkaufspreis. Auch die Korruptionsermittlungen gegen einige leitende Angestellte des Unternehmens schreckten Käufer ab. Internationale Finanzinstitutionen forderten außerdem eine bessere Einhaltung der Ausschreibungsstandards. Nun soll die Auktion wiederholt werden. Ebenfalls positiv zu bewerten sind die Ernennungen neuer Manager in der staatlichen Post und der Eisenbahn, die in einem transparenten Verfahren ausgewählt worden sind und die Unternehmen nun nach wirtschaftlichen Maßstäben umbauen und aus der Einflusssphäre der Politik führen sollen.

Koalition auf dem Papier: fehlende Mehrheit für richtungsweisende Veränderungen

Trotz des ambitionierten Regierungsprogramms und vielversprechender erster Schritte bemängeln viele Analysten, dass grundlegende Veränderungen bisher ausgeblieben sind. In den ersten 100 Tagen hat die Regierung 170 Gesetzesentwürfe vorgelegt. Davon sind in der Werchowna Rada lediglich 11 angenommen worden, also weniger als 7 % aller eingereichten Vorhaben. Unter Jazenjuks Regierung kam in den ersten 100 Tagen noch jedes dritte Gesetz durch das Parlament. Obwohl sich Hrojsman als ehemaliger Parlamentspräsident um gute Arbeitsbeziehungen zum Parlament bemüht und selbst kritische Abgeordnete die Zusammenarbeit der Regierung mit der Koalition als deutlich „praktischer und besser“ als zuvor bezeichnen, mangelt es der Regierung an einer stabilen Mehrheit.

In der Tat existiert die Regierungskoalition aufgrund interner Konflikte und fehlender Disziplin nur auf dem Papier. Um die nötigen Mehrheiten für Gesetze zu bekommen, muss die Koalition häufig auf die Unterstützung von Parlamentsgruppen zurückgreifen, die von Oligarchen kontrolliert werden. Bereits die Wahl Hrojsmans wäre ohne Stimmen der Partei „Widrodschennija“ um den Oligarchen Ihor Kolomojskyj und der Partei „Wolja Narodu“, deren Abgeordneten Verbindungen in die Gasbranche nachgesagt werden, nicht möglich gewesen. Die Opposition behauptet auch, dass für die Ernennung des neuen Generalstaatanwalts Juri Luzenko im Mai 2016 nur die nötige Mehrheit zusammen kam, da einige Abgeordnete der Koalitionsparteien im Gegenzug bei personellen Abstimmungen oder Gesetzen, die den Partikularinteressen der beiden Parteien dienten, die nötigen Stimmen lieferten.

Populismus um Gastarife wird Regierung unter Druck setzen

Die sich aktuell verbessernde Wirtschaftslage verschafft der Regierung eine gute Grundlage, um Reformen entschlossen anzugehen. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um fast 10 % im letzten Jahr wird 2016 ein Wachstum von 1 % erwartet. 2017 sollte sich die Wirtschaftslage noch weiter entspannen.

Die Regierung wird sich insbesondere auch an der Justizreform und der Reform der Zoll- und Steuerbehörde messen lassen müssen, die vielfach eingefordert aber bisher nicht angegangen wurden. Für die Justizreform ist seit Anfang Juni die gesetzliche Grundlage vorhanden, so dass es nun an der Regierung ist, die Implementierung dieses grundlegenden Reformvorhabens voranzutreiben.

Doch mit den Wintermonaten und dem Beginn der Heizsaison beginnt auch eine neue Phase des Populismus. Die Erhöhung der Gastarife wird von den Oppositionsparteien „Batkiwschtschina“ und der „Radikalen Partei“ als Verrat an der Bevölkerung bezeichnet. Bereits im Juli 2016 blockierte die Opposition die Rednertribüne im Parlament. Die Auseinandersetzung wird zunehmend hitziger. Spätestens im April 2017 wird die Regierung die letzte Stufe der Marktpreisangleichung vornehmen müssen, um weitere Kredite zu erhalten. Der kommende Winter könnte die Regierung daher unter enormen Druck stellen.

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